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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

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Von Ehre der Unterth. gegen ihre Herrsch.
Triebe, der gegen ihm tragenden Hochachtung ab-
statten, ist von einer blinden Liebe und unvernünffti-
gen Sclaverey, wie sie etwan bey einigen Völ-
ckern ausserhalb Europa angetroffen wird, wohl zu
unterscheiden.

§ 2. Solche Unterthanen legen ihren Landes-
Herrn alle nur ersinnliche Ehren-Benennungen
und Titul bey, dadurch sie ihn erheben und ihre
Liebe ausdrücken wollen, und dieses nicht aus einer
eigennützigen Absicht, wie einige schmeichlerische
Hof Leute und Schmarotzer zu thun pflegen, son-
dern aus dem innersten der Seelen freywillig und
einmüthig. Sie nennen ihn den Vater des Va-
terlandes, den Gütigen, den Frommen, u. s. w. und
fagen dadurch alles was nur kan gesagt werden. Es
ist auch im der That eine weit rühmlichere Titulatur
vor grosse Herren, wenn alle Unterthanen ihren
Landes-Fürsten nach der Wahrheit ihren lieben
Landes Vater nennen, als wenn der Zwang, die
Furcht, die Schmeicheley und der Eigennutz noch
so prächtige Titul einführen. Die Benennungen,
die sich grosse Herren durch ihre Verdienste und
durch ihre liebreiche Regierung zu wege gebracht,
sind von einem weit grössern Umfang als die solen-
nen Beynahmen, die aus dem Ceremoniel ihren
Ursprung herleiten. Die auswärtigen Unterthanen
haben vor einen solchen Regenten so viel Liebe als
die einheimischen, und die Nachkommen legen ihn
eben so wohl diesen Liebes-Titul bey, als die in der
gegenwärtigen Zeit leben, da hingegen viel Länder,

man-
Z z 3

Von Ehre der Unterth. gegen ihre Herrſch.
Triebe, der gegen ihm tragenden Hochachtung ab-
ſtatten, iſt von einer blinden Liebe und unvernuͤnffti-
gen Sclaverey, wie ſie etwan bey einigen Voͤl-
ckern auſſerhalb Europa angetroffen wird, wohl zu
unterſcheiden.

§ 2. Solche Unterthanen legen ihren Landes-
Herrn alle nur erſinnliche Ehren-Benennungen
und Titul bey, dadurch ſie ihn erheben und ihre
Liebe ausdruͤcken wollen, und dieſes nicht aus einer
eigennuͤtzigen Abſicht, wie einige ſchmeichleriſche
Hof Leute und Schmarotzer zu thun pflegen, ſon-
dern aus dem innerſten der Seelen freywillig und
einmuͤthig. Sie nennen ihn den Vater des Va-
terlandes, den Guͤtigen, den Frommen, u. ſ. w. und
fagen dadurch alles was nur kan geſagt werden. Es
iſt auch im der That eine weit ruͤhmlichere Titulatur
vor groſſe Herren, wenn alle Unterthanen ihren
Landes-Fuͤrſten nach der Wahrheit ihren lieben
Landes Vater nennen, als wenn der Zwang, die
Furcht, die Schmeicheley und der Eigennutz noch
ſo praͤchtige Titul einfuͤhren. Die Benennungen,
die ſich groſſe Herren durch ihre Verdienſte und
durch ihre liebreiche Regierung zu wege gebracht,
ſind von einem weit groͤſſern Umfang als die ſolen-
nen Beynahmen, die aus dem Ceremoniel ihren
Urſprung herleiten. Die auswaͤrtigen Unterthanen
haben vor einen ſolchen Regenten ſo viel Liebe als
die einheimiſchen, und die Nachkommen legen ihn
eben ſo wohl dieſen Liebes-Titul bey, als die in der
gegenwaͤrtigen Zeit leben, da hingegen viel Laͤnder,

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[725/0749] Von Ehre der Unterth. gegen ihre Herrſch. Triebe, der gegen ihm tragenden Hochachtung ab- ſtatten, iſt von einer blinden Liebe und unvernuͤnffti- gen Sclaverey, wie ſie etwan bey einigen Voͤl- ckern auſſerhalb Europa angetroffen wird, wohl zu unterſcheiden. § 2. Solche Unterthanen legen ihren Landes- Herrn alle nur erſinnliche Ehren-Benennungen und Titul bey, dadurch ſie ihn erheben und ihre Liebe ausdruͤcken wollen, und dieſes nicht aus einer eigennuͤtzigen Abſicht, wie einige ſchmeichleriſche Hof Leute und Schmarotzer zu thun pflegen, ſon- dern aus dem innerſten der Seelen freywillig und einmuͤthig. Sie nennen ihn den Vater des Va- terlandes, den Guͤtigen, den Frommen, u. ſ. w. und fagen dadurch alles was nur kan geſagt werden. Es iſt auch im der That eine weit ruͤhmlichere Titulatur vor groſſe Herren, wenn alle Unterthanen ihren Landes-Fuͤrſten nach der Wahrheit ihren lieben Landes Vater nennen, als wenn der Zwang, die Furcht, die Schmeicheley und der Eigennutz noch ſo praͤchtige Titul einfuͤhren. Die Benennungen, die ſich groſſe Herren durch ihre Verdienſte und durch ihre liebreiche Regierung zu wege gebracht, ſind von einem weit groͤſſern Umfang als die ſolen- nen Beynahmen, die aus dem Ceremoniel ihren Urſprung herleiten. Die auswaͤrtigen Unterthanen haben vor einen ſolchen Regenten ſo viel Liebe als die einheimiſchen, und die Nachkommen legen ihn eben ſo wohl dieſen Liebes-Titul bey, als die in der gegenwaͤrtigen Zeit leben, da hingegen viel Laͤnder, man- Z z 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/749>, abgerufen am 24.04.2024.