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Rollenhagen, Gabriel: Vier Bücher Wunderbarlicher biß daher vnerhörter/ vnd vngleublicher Jndianischer reysen. Magdeburg, 1603.

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vnd Hörner zu groß wachsen/ so zeugt er eine Schlang in die
Naß. Vnd so bald als er das Gifft eingenommen hat/ wird
er dauon erhitzt/ das er vberaus verlangen hat nach einem fri-
schen Brunn/ daraus zu trincken. So bald er nun daraus ge-
truncken hat/ so wirfft er seine Haar vnd Hörner abe. Ein
ander/ Iohannes Agricola genant/ schreibt: Wann der Hirsch
mit den Schlangen zusamen gangen/ vnd sie gefressen hat/
vnd mit durst vberfallen wird/ sonderlich im Morgenlande/
da sehr grosse Hirsch gefunden werden/ sucht er also bald ei-
nen See oder fliessend Wasser/ darin er sich bis ans Heupt hi-
nein setze. Nach des Königlichen Propheten Wort: Wie der
Hirsch schreiet nach frischem Wasser. Wie jn aber seine Na-
tur leret/ so trincke er aus dem Wasser nichts. Sondern dür-
ste mitten im Wasser wie der Tantalus. Denn so bald er
das Wasser schmeckte/ würde er für tod dahin fallen. Es lauf-
fen jhm aber vnter des viel Threnen aus seinen Augen/ die all-
gemach dick werden/ zusamen rinnen/ vnd bestehen bleiben/ so
groß als eine Castanien Nuß. Dieselben fallen dem Hirsch
aus den Augen/ wenn er aus dem Wasser gehet. Das mer-
cken die Leut/ vnd lesen sie auff. Die sind das rechte Belza-
hard (Bezoar)
das die jenigen die es haben so hoch halten/ das
sie für kein gisst sich fürchten etc. Vnd Ferdinandus Ponzet-
tus
setzt dazu: Der Stein sey einer Haselnuß gros/ gelb gleis-
send/ wie ein Citrinat, rieche wie ein Wein. Wenn man des-
sen zwelff gersten körner schwer eintrincke/ treibe er durch den
Schweis allen Gifft aus dem Leibe.

Was nun aus dieser Legenda für wunderbarliche Pre-
digten gemacht sein. Von des Bußfertigen Sünders hertz-
lichen Glauben. Von seiner Threnen nutz/ wieder der
Hellischen Schlangen Gifft. Jst in den mancherley aus-
egungen vber die Psalmen zusehen.

Von der sach aber an jhr selbst schreibet Albertus Ma-
gnus.
Plinius sagt/ wann der Hirsch mit Alter beschweret

werde/

vnd Hoͤrner zu groß wachſen/ ſo zeugt er eine Schlang in die
Naß. Vnd ſo bald als er das Gifft eingenommen hat/ wird
er dauon erhitzt/ das er vberaus verlangen hat nach einem fri-
ſchen Brunn/ daraus zu trincken. So bald er nun daraus ge-
truncken hat/ ſo wirfft er ſeine Haar vnd Hoͤrner abe. Ein
ander/ Iohannes Agricola genant/ ſchreibt: Wann der Hirſch
mit den Schlangen zuſamen gangen/ vnd ſie gefreſſen hat/
vnd mit durſt vberfallen wird/ ſonderlich im Morgenlande/
da ſehr groſſe Hirſch gefunden werden/ ſucht er alſo bald ei-
nen See oder flieſſend Waſſer/ darin er ſich bis ans Heupt hi-
nein ſetze. Nach des Koͤniglichen Propheten Wort: Wie der
Hirſch ſchreiet nach friſchem Waſſer. Wie jn aber ſeine Na-
tur leret/ ſo trincke er aus dem Waſſer nichts. Sondern duͤr-
ſte mitten im Waſſer wie der Tantalus. Denn ſo bald er
das Waſſer ſchmeckte/ wuͤrde er fuͤr tod dahin fallen. Es lauf-
fen jhm aber vnter des viel Threnen aus ſeinen Augen/ die all-
gemach dick werden/ zuſamen rinnen/ vnd beſtehen bleiben/ ſo
groß als eine Caſtanien Nuß. Dieſelben fallen dem Hirſch
aus den Augen/ wenn er aus dem Waſſer gehet. Das mer-
cken die Leut/ vnd leſen ſie auff. Die ſind das rechte Belza-
hard (Bezoar)
das die jenigē die es haben ſo hoch halten/ das
ſie fuͤr kein giſſt ſich fuͤrchtē etc. Vnd Ferdinandus Ponzet-
tus
ſetzt dazu: Der Stein ſey einer Haſelnuß gros/ gelb gleiſ-
ſend/ wie ein Citrinat, rieche wie ein Wein. Wenn man deſ-
ſen zwelff gerſten koͤrner ſchwer eintrincke/ treibe er durch den
Schweis allen Gifft aus dem Leibe.

Was nun aus dieſer Legenda fuͤr wunderbarliche Pre-
digten gemacht ſein. Von des Bußfertigen Suͤnders hertz-
lichen Glauben. Von ſeiner Threnen nutz/ wieder der
Helliſchen Schlangen Gifft. Jſt in den mancherley aus-
egungen vber die Pſalmen zuſehen.

Von der ſach aber an jhr ſelbſt ſchreibet Albertus Ma-
gnus.
Plinius ſagt/ wann der Hirſch mit Alter beſchweret

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[228/0238] vnd Hoͤrner zu groß wachſen/ ſo zeugt er eine Schlang in die Naß. Vnd ſo bald als er das Gifft eingenommen hat/ wird er dauon erhitzt/ das er vberaus verlangen hat nach einem fri- ſchen Brunn/ daraus zu trincken. So bald er nun daraus ge- truncken hat/ ſo wirfft er ſeine Haar vnd Hoͤrner abe. Ein ander/ Iohannes Agricola genant/ ſchreibt: Wann der Hirſch mit den Schlangen zuſamen gangen/ vnd ſie gefreſſen hat/ vnd mit durſt vberfallen wird/ ſonderlich im Morgenlande/ da ſehr groſſe Hirſch gefunden werden/ ſucht er alſo bald ei- nen See oder flieſſend Waſſer/ darin er ſich bis ans Heupt hi- nein ſetze. Nach des Koͤniglichen Propheten Wort: Wie der Hirſch ſchreiet nach friſchem Waſſer. Wie jn aber ſeine Na- tur leret/ ſo trincke er aus dem Waſſer nichts. Sondern duͤr- ſte mitten im Waſſer wie der Tantalus. Denn ſo bald er das Waſſer ſchmeckte/ wuͤrde er fuͤr tod dahin fallen. Es lauf- fen jhm aber vnter des viel Threnen aus ſeinen Augen/ die all- gemach dick werden/ zuſamen rinnen/ vnd beſtehen bleiben/ ſo groß als eine Caſtanien Nuß. Dieſelben fallen dem Hirſch aus den Augen/ wenn er aus dem Waſſer gehet. Das mer- cken die Leut/ vnd leſen ſie auff. Die ſind das rechte Belza- hard (Bezoar) das die jenigē die es haben ſo hoch halten/ das ſie fuͤr kein giſſt ſich fuͤrchtē etc. Vnd Ferdinandus Ponzet- tus ſetzt dazu: Der Stein ſey einer Haſelnuß gros/ gelb gleiſ- ſend/ wie ein Citrinat, rieche wie ein Wein. Wenn man deſ- ſen zwelff gerſten koͤrner ſchwer eintrincke/ treibe er durch den Schweis allen Gifft aus dem Leibe. Was nun aus dieſer Legenda fuͤr wunderbarliche Pre- digten gemacht ſein. Von des Bußfertigen Suͤnders hertz- lichen Glauben. Von ſeiner Threnen nutz/ wieder der Helliſchen Schlangen Gifft. Jſt in den mancherley aus- egungen vber die Pſalmen zuſehen. Von der ſach aber an jhr ſelbſt ſchreibet Albertus Ma- gnus. Plinius ſagt/ wann der Hirſch mit Alter beſchweret werde/

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Zitationshilfe: Rollenhagen, Gabriel: Vier Bücher Wunderbarlicher biß daher vnerhörter/ vnd vngleublicher Jndianischer reysen. Magdeburg, 1603, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rollenhagen_reysen_1603/238>, abgerufen am 23.04.2024.