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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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denn man ist im Spreewald nicht sehr zuvorkommend, und überdieß wird man euch wegen der Begleitung des Kosaken vielleicht scheel ansehen. Indessen ist es günstig, daß du dich wendisch auszudrücken weißt.

Als wir ni das Wirthshaus traten, sahen wir Victor, umgeben von einem Kreise von Männern, die über seine Possen ni lautem Gelächter waren. Er erzählte von unserem Nachtquartier bei der Alten, machte sie und besonders den Kosaken lächerlich und wußte der spreewäldischen Eitelkeit zu schmeicheln, indem er sich über den abscheulichen Zufall beklagte, der ihn in dieser köstlichen Gegend in so ein Hexennest habe gerathen lassen. So hatte er in schlauer Weise Franz vorgearbeitet, und durch seine Vermittlung wurden wir nun zur Theilnahme an dem Feste eingeladen.

Man ging förmlich zu Tische, und das Mahl wurde mit großer Opulenz aufgetragen. Die Braten folgten einander, an Fischen fehlte es nicht, und besonderes Gewicht legte man auf die großen Hechte, den Stolz der Spreewaldfischerei. Es wurde nicht nur Wein, sondern auch Champagner getrunken.

Ich hatte meinen Platz neben dem Taufvater, dem reichen Bauer Koal. Mit Genugthuung sah er über den Tisch. Er wollte zeigen, daß ihn dieser Zuwachs der Familie, obgleich heut sein achtes Kind getauft worden war, in keiner Weise drücke, daß sein Besitzstand gestatte, jedes Familienfest mit Aufwand zu begehen. Er sprach, wie die meisten Bewohner des

denn man ist im Spreewald nicht sehr zuvorkommend, und überdieß wird man euch wegen der Begleitung des Kosaken vielleicht scheel ansehen. Indessen ist es günstig, daß du dich wendisch auszudrücken weißt.

Als wir ni das Wirthshaus traten, sahen wir Victor, umgeben von einem Kreise von Männern, die über seine Possen ni lautem Gelächter waren. Er erzählte von unserem Nachtquartier bei der Alten, machte sie und besonders den Kosaken lächerlich und wußte der spreewäldischen Eitelkeit zu schmeicheln, indem er sich über den abscheulichen Zufall beklagte, der ihn in dieser köstlichen Gegend in so ein Hexennest habe gerathen lassen. So hatte er in schlauer Weise Franz vorgearbeitet, und durch seine Vermittlung wurden wir nun zur Theilnahme an dem Feste eingeladen.

Man ging förmlich zu Tische, und das Mahl wurde mit großer Opulenz aufgetragen. Die Braten folgten einander, an Fischen fehlte es nicht, und besonderes Gewicht legte man auf die großen Hechte, den Stolz der Spreewaldfischerei. Es wurde nicht nur Wein, sondern auch Champagner getrunken.

Ich hatte meinen Platz neben dem Taufvater, dem reichen Bauer Koal. Mit Genugthuung sah er über den Tisch. Er wollte zeigen, daß ihn dieser Zuwachs der Familie, obgleich heut sein achtes Kind getauft worden war, in keiner Weise drücke, daß sein Besitzstand gestatte, jedes Familienfest mit Aufwand zu begehen. Er sprach, wie die meisten Bewohner des

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/43>, abgerufen am 29.03.2024.