Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Bei den Holzern.

Daß doch der Wald, wie er sich so hinbreitet
über Höhen und Thäler -- unabsehbar, wie er
daliegt, grün und dunkel und weiterhin duftig
blauend am sonnigen Sehkreis -- der stille, un-
endliche Wald -- daß er doch auch seine Feinde hat!

Wie ist das eine schöne, säuselnde, rauschende,
brausende, alllebendige Ringmauer, schützend vor
dem wüsten Unfrieden draußen! Aber -- Wald-
fried ist gestorben.

Im Forste braust der Sturmwind, schlägt
manchem jungen Tannling den lustig winkenden
Arm weg, bricht manchem trotzigen Recken das
Genick. Und in der Tiefe rauscht und schäumt in
weißen Gischten und Flocken -- wie ein brauender
Wolkenstrom -- der Wildbach, und wühlt und
gräbt und nagt das Erdreich von den Wurzeln,
immer weiter und weiter hinein, daß der wuchtige
Baum zuletzt schier in der Luft dasteht, und sich
oben mit starken Armen nur noch an den Nachbarn

Bei den Holzern.

Daß doch der Wald, wie er ſich ſo hinbreitet
über Höhen und Thäler — unabſehbar, wie er
daliegt, grün und dunkel und weiterhin duftig
blauend am ſonnigen Sehkreis — der ſtille, un-
endliche Wald — daß er doch auch ſeine Feinde hat!

Wie iſt das eine ſchöne, ſäuſelnde, rauſchende,
brauſende, alllebendige Ringmauer, ſchützend vor
dem wüſten Unfrieden draußen! Aber — Wald-
fried iſt geſtorben.

Im Forſte brauſt der Sturmwind, ſchlägt
manchem jungen Tannling den luſtig winkenden
Arm weg, bricht manchem trotzigen Recken das
Genick. Und in der Tiefe rauſcht und ſchäumt in
weißen Giſchten und Flocken — wie ein brauender
Wolkenſtrom — der Wildbach, und wühlt und
gräbt und nagt das Erdreich von den Wurzeln,
immer weiter und weiter hinein, daß der wuchtige
Baum zuletzt ſchier in der Luft daſteht, und ſich
oben mit ſtarken Armen nur noch an den Nachbarn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0128" n="118"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Bei den Holzern.</hi> </head><lb/>
          <p>Daß doch der Wald, wie er &#x017F;ich &#x017F;o hinbreitet<lb/>
über Höhen und Thäler &#x2014; unab&#x017F;ehbar, wie er<lb/>
daliegt, grün und dunkel und weiterhin duftig<lb/>
blauend am &#x017F;onnigen Sehkreis &#x2014; der &#x017F;tille, un-<lb/>
endliche Wald &#x2014; daß er doch auch &#x017F;eine Feinde hat!</p><lb/>
          <p>Wie i&#x017F;t das eine &#x017F;chöne, &#x017F;äu&#x017F;elnde, rau&#x017F;chende,<lb/>
brau&#x017F;ende, alllebendige Ringmauer, &#x017F;chützend vor<lb/>
dem wü&#x017F;ten Unfrieden draußen! Aber &#x2014; Wald-<lb/>
fried i&#x017F;t ge&#x017F;torben.</p><lb/>
          <p>Im For&#x017F;te brau&#x017F;t der Sturmwind, &#x017F;chlägt<lb/>
manchem jungen Tannling den lu&#x017F;tig winkenden<lb/>
Arm weg, bricht manchem trotzigen Recken das<lb/>
Genick. Und in der Tiefe rau&#x017F;cht und &#x017F;chäumt in<lb/>
weißen Gi&#x017F;chten und Flocken &#x2014; wie ein brauender<lb/>
Wolken&#x017F;trom &#x2014; der Wildbach, und wühlt und<lb/>
gräbt und nagt das Erdreich von den Wurzeln,<lb/>
immer weiter und weiter hinein, daß der wuchtige<lb/>
Baum zuletzt &#x017F;chier in der Luft da&#x017F;teht, und &#x017F;ich<lb/>
oben mit &#x017F;tarken Armen nur noch an den Nachbarn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0128] Bei den Holzern. Daß doch der Wald, wie er ſich ſo hinbreitet über Höhen und Thäler — unabſehbar, wie er daliegt, grün und dunkel und weiterhin duftig blauend am ſonnigen Sehkreis — der ſtille, un- endliche Wald — daß er doch auch ſeine Feinde hat! Wie iſt das eine ſchöne, ſäuſelnde, rauſchende, brauſende, alllebendige Ringmauer, ſchützend vor dem wüſten Unfrieden draußen! Aber — Wald- fried iſt geſtorben. Im Forſte brauſt der Sturmwind, ſchlägt manchem jungen Tannling den luſtig winkenden Arm weg, bricht manchem trotzigen Recken das Genick. Und in der Tiefe rauſcht und ſchäumt in weißen Giſchten und Flocken — wie ein brauender Wolkenſtrom — der Wildbach, und wühlt und gräbt und nagt das Erdreich von den Wurzeln, immer weiter und weiter hinein, daß der wuchtige Baum zuletzt ſchier in der Luft daſteht, und ſich oben mit ſtarken Armen nur noch an den Nachbarn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/128
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/128>, abgerufen am 20.04.2024.