Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

muth in einer eigenen Abhandlung (42) und Hettner in
in einem Abschnitt seiner Vorschule der Kunst haben diese
antike Genremalerei näher zu schildern unternommen. Aus
den auf uns gekommenen Bildwerken ersehen wir, daß die
Alten Amoretten, die sich mit Waffen umherschleppen,
Schusterstuben, malende Zwerge, Kämpfe von Pygmäen mit
Hähnen und Kranichen, Stillleben von Früchten, Vögeln,
Gefäßen dahin rechneten.

b) Das Zufällige und Willkürliche.

Das Gemeine ist in seiner Beschränktheit eben so ge¬
wöhnlich, als das Erhabene in seiner Einzigkeit majestätisch.
In seinem schöpferischen, sich schlechthin aus sich bestimmen¬
den Verhalten handelt das Majestätische wohl plötzlich, aber
nicht zufällig, wohl frei, aber nicht willkürlich. Moses schlägt
in der Wüste mit seinem Stabe an einen Felsen und plötzlich
quillt aus dessen dürrer Brust ein Strom lebendigen Wassers.
Dies majestätische Handeln ist weder zufällig, noch willkür¬
lich; nicht zufällig, denn Moses ist der gottgesandte Führer
des Volkes, der also für dasselbe sorgen muß; nicht willkür¬
lich, denn das Volk war nahe daran, zu verschmachten.
Das majestätische Handeln ist seiner selbst als eines schöpfe¬
rischen absolut sicher und erreicht sein Ziel ohne sonderliche
äußerliche Vermittelung; im Grunde durch den einfachen
Act des bloßen Wollens. Der Vatikanische Apollo hat von
seinen Tempelmauern irgend welchen Unhold, sei es nun
Python, seien es die Erinnyen, weggescheucht. Er hält zwar
noch den Bogen in der Hand, allein seine Haltung und
Miene sprechen entschieden aus, daß er, der fernhintreffende
Gott, sich des Erfolgs seines Handelns vorher gewiß war.
Er will den Unhold tödten und er tödtet ihn. Kein Zweifeln,

muth in einer eigenen Abhandlung (42) und Hettner in
in einem Abſchnitt ſeiner Vorſchule der Kunſt haben dieſe
antike Genremalerei näher zu ſchildern unternommen. Aus
den auf uns gekommenen Bildwerken erſehen wir, daß die
Alten Amoretten, die ſich mit Waffen umherſchleppen,
Schuſterſtuben, malende Zwerge, Kämpfe von Pygmäen mit
Hähnen und Kranichen, Stillleben von Früchten, Vögeln,
Gefäßen dahin rechneten.

b) Das Zufällige und Willkürliche.

Das Gemeine iſt in ſeiner Beſchränktheit eben ſo ge¬
wöhnlich, als das Erhabene in ſeiner Einzigkeit majeſtätiſch.
In ſeinem ſchöpferiſchen, ſich ſchlechthin aus ſich beſtimmen¬
den Verhalten handelt das Majeſtätiſche wohl plötzlich, aber
nicht zufällig, wohl frei, aber nicht willkürlich. Moſes ſchlägt
in der Wüſte mit ſeinem Stabe an einen Felſen und plötzlich
quillt aus deſſen dürrer Bruſt ein Strom lebendigen Waſſers.
Dies majeſtätiſche Handeln iſt weder zufällig, noch willkür¬
lich; nicht zufällig, denn Moſes iſt der gottgeſandte Führer
des Volkes, der alſo für daſſelbe ſorgen muß; nicht willkür¬
lich, denn das Volk war nahe daran, zu verſchmachten.
Das majeſtätiſche Handeln iſt ſeiner ſelbſt als eines ſchöpfe¬
riſchen abſolut ſicher und erreicht ſein Ziel ohne ſonderliche
äußerliche Vermittelung; im Grunde durch den einfachen
Act des bloßen Wollens. Der Vatikaniſche Apollo hat von
ſeinen Tempelmauern irgend welchen Unhold, ſei es nun
Python, ſeien es die Erinnyen, weggeſcheucht. Er hält zwar
noch den Bogen in der Hand, allein ſeine Haltung und
Miene ſprechen entſchieden aus, daß er, der fernhintreffende
Gott, ſich des Erfolgs ſeines Handelns vorher gewiß war.
Er will den Unhold tödten und er tödtet ihn. Kein Zweifeln,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0236" n="214"/>
muth</hi> in einer eigenen Abhandlung (42) und <hi rendition="#g">Hettner</hi> in<lb/>
in einem Ab&#x017F;chnitt &#x017F;einer Vor&#x017F;chule der Kun&#x017F;t haben die&#x017F;e<lb/>
antike Genremalerei näher zu &#x017F;childern unternommen. Aus<lb/>
den auf uns gekommenen Bildwerken er&#x017F;ehen wir, daß die<lb/>
Alten Amoretten, die &#x017F;ich mit Waffen umher&#x017F;chleppen,<lb/>
Schu&#x017F;ter&#x017F;tuben, malende Zwerge, Kämpfe von Pygmäen mit<lb/>
Hähnen und Kranichen, Stillleben von Früchten, Vögeln,<lb/>
Gefäßen dahin rechneten.</p><lb/>
              </div>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#aq">b</hi>) <hi rendition="#g">Das Zufällige und Willkürliche.</hi><lb/></head>
                <p>Das Gemeine i&#x017F;t in &#x017F;einer Be&#x017F;chränktheit eben &#x017F;o ge¬<lb/>
wöhnlich, als das Erhabene in &#x017F;einer Einzigkeit maje&#x017F;täti&#x017F;ch.<lb/>
In &#x017F;einem &#x017F;chöpferi&#x017F;chen, &#x017F;ich &#x017F;chlechthin aus &#x017F;ich be&#x017F;timmen¬<lb/>
den Verhalten handelt das Maje&#x017F;täti&#x017F;che wohl plötzlich, aber<lb/>
nicht zufällig, wohl frei, aber nicht willkürlich. Mo&#x017F;es &#x017F;chlägt<lb/>
in der Wü&#x017F;te mit &#x017F;einem Stabe an einen Fel&#x017F;en und plötzlich<lb/>
quillt aus de&#x017F;&#x017F;en dürrer Bru&#x017F;t ein Strom lebendigen Wa&#x017F;&#x017F;ers.<lb/>
Dies maje&#x017F;täti&#x017F;che Handeln i&#x017F;t weder zufällig, noch willkür¬<lb/>
lich; nicht zufällig, denn Mo&#x017F;es i&#x017F;t der gottge&#x017F;andte Führer<lb/>
des Volkes, der al&#x017F;o für da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;orgen muß; nicht willkür¬<lb/>
lich, denn das Volk war nahe daran, zu ver&#x017F;chmachten.<lb/>
Das maje&#x017F;täti&#x017F;che Handeln i&#x017F;t &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t als eines &#x017F;chöpfe¬<lb/>
ri&#x017F;chen ab&#x017F;olut &#x017F;icher und erreicht &#x017F;ein Ziel ohne &#x017F;onderliche<lb/>
äußerliche Vermittelung; im Grunde durch den einfachen<lb/>
Act des bloßen Wollens. Der Vatikani&#x017F;che Apollo hat von<lb/>
&#x017F;einen Tempelmauern irgend welchen Unhold, &#x017F;ei es nun<lb/>
Python, &#x017F;eien es die Erinnyen, wegge&#x017F;cheucht. Er hält zwar<lb/>
noch den Bogen in der Hand, allein &#x017F;eine Haltung und<lb/>
Miene &#x017F;prechen ent&#x017F;chieden aus, daß er, der fernhintreffende<lb/>
Gott, &#x017F;ich des Erfolgs &#x017F;eines Handelns vorher gewiß war.<lb/>
Er will den Unhold tödten und er tödtet ihn. Kein Zweifeln,<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0236] muth in einer eigenen Abhandlung (42) und Hettner in in einem Abſchnitt ſeiner Vorſchule der Kunſt haben dieſe antike Genremalerei näher zu ſchildern unternommen. Aus den auf uns gekommenen Bildwerken erſehen wir, daß die Alten Amoretten, die ſich mit Waffen umherſchleppen, Schuſterſtuben, malende Zwerge, Kämpfe von Pygmäen mit Hähnen und Kranichen, Stillleben von Früchten, Vögeln, Gefäßen dahin rechneten. b) Das Zufällige und Willkürliche. Das Gemeine iſt in ſeiner Beſchränktheit eben ſo ge¬ wöhnlich, als das Erhabene in ſeiner Einzigkeit majeſtätiſch. In ſeinem ſchöpferiſchen, ſich ſchlechthin aus ſich beſtimmen¬ den Verhalten handelt das Majeſtätiſche wohl plötzlich, aber nicht zufällig, wohl frei, aber nicht willkürlich. Moſes ſchlägt in der Wüſte mit ſeinem Stabe an einen Felſen und plötzlich quillt aus deſſen dürrer Bruſt ein Strom lebendigen Waſſers. Dies majeſtätiſche Handeln iſt weder zufällig, noch willkür¬ lich; nicht zufällig, denn Moſes iſt der gottgeſandte Führer des Volkes, der alſo für daſſelbe ſorgen muß; nicht willkür¬ lich, denn das Volk war nahe daran, zu verſchmachten. Das majeſtätiſche Handeln iſt ſeiner ſelbſt als eines ſchöpfe¬ riſchen abſolut ſicher und erreicht ſein Ziel ohne ſonderliche äußerliche Vermittelung; im Grunde durch den einfachen Act des bloßen Wollens. Der Vatikaniſche Apollo hat von ſeinen Tempelmauern irgend welchen Unhold, ſei es nun Python, ſeien es die Erinnyen, weggeſcheucht. Er hält zwar noch den Bogen in der Hand, allein ſeine Haltung und Miene ſprechen entſchieden aus, daß er, der fernhintreffende Gott, ſich des Erfolgs ſeines Handelns vorher gewiß war. Er will den Unhold tödten und er tödtet ihn. Kein Zweifeln,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/236
Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/236>, abgerufen am 29.03.2024.