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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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nicht correct sei. Es genügt daher, für unsern Zusammen¬
hang zu zeigen, wie im Incorrecten das Häßliche liege und
wie auch das Incorrecte ein Quell des Lächerlichen zu werden
vermöge.

Wir werden demnach zuerst den Begriff des Incor¬
recten im Allgemeinen zu erörtern haben; sodann werden
wir die besondern Modificationen durchgehen müssen, welche
das Incorrecte in den eigenthümlichen Stylarten der Na¬
tionen und Schulen, in den individuellen Idealformen
des Ausdrucks zu erhalten vermag; für die Gestaltung aber,
welche dasselbe innerhalb der einzelnen Künste annimmt,
wird eine Angabe des allgemein Charakteristischen hinreichen.


A.
Die Incorrectheit im Allgemeinen.

Die Correctheit überhaupt besteht in der Richtigkeit,
mit welcher eine Gestalt diejenigen Formen darstellt, die ihr
kraft ihres wesentlichen Inhalts, sei es der Natur, sei es
der Geschichte, inwohnen. In der Sprache der formalen
Logik würde man sagen können, daß sie einen Gegenstand
mit all den Merkmalen ausstattet, durch welche er sich von
andern wesentlich unterscheidet. Nur durch die Bestimmtheit
und Klarheit ihrer fundamentalen Richtigkeit kann eine Ge¬
stalt sich auch ästhetisch von andern sondern. Die Correct¬
heit fordert daher z. B. daß in einem Landschaftbilde die
Baumgattungen durch ihren natürlichen Typus unterschieden,
daß in einem Architekturwerk die Säulen nach dem Gesetz
ihrer Ordnung in den Verjüngungen und Ornamenten ge¬
gliedert seien, daß in einem Gedicht der Charakter seiner

nicht correct ſei. Es genügt daher, für unſern Zuſammen¬
hang zu zeigen, wie im Incorrecten das Häßliche liege und
wie auch das Incorrecte ein Quell des Lächerlichen zu werden
vermöge.

Wir werden demnach zuerſt den Begriff des Incor¬
recten im Allgemeinen zu erörtern haben; ſodann werden
wir die beſondern Modificationen durchgehen müſſen, welche
das Incorrecte in den eigenthümlichen Stylarten der Na¬
tionen und Schulen, in den individuellen Idealformen
des Ausdrucks zu erhalten vermag; für die Geſtaltung aber,
welche daſſelbe innerhalb der einzelnen Künſte annimmt,
wird eine Angabe des allgemein Charakteriſtiſchen hinreichen.


A.
Die Incorrectheit im Allgemeinen.

Die Correctheit überhaupt beſteht in der Richtigkeit,
mit welcher eine Geſtalt diejenigen Formen darſtellt, die ihr
kraft ihres weſentlichen Inhalts, ſei es der Natur, ſei es
der Geſchichte, inwohnen. In der Sprache der formalen
Logik würde man ſagen können, daß ſie einen Gegenſtand
mit all den Merkmalen ausſtattet, durch welche er ſich von
andern weſentlich unterſcheidet. Nur durch die Beſtimmtheit
und Klarheit ihrer fundamentalen Richtigkeit kann eine Ge¬
ſtalt ſich auch äſthetiſch von andern ſondern. Die Correct¬
heit fordert daher z. B. daß in einem Landſchaftbilde die
Baumgattungen durch ihren natürlichen Typus unterſchieden,
daß in einem Architekturwerk die Säulen nach dem Geſetz
ihrer Ordnung in den Verjüngungen und Ornamenten ge¬
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[116/0138] nicht correct ſei. Es genügt daher, für unſern Zuſammen¬ hang zu zeigen, wie im Incorrecten das Häßliche liege und wie auch das Incorrecte ein Quell des Lächerlichen zu werden vermöge. Wir werden demnach zuerſt den Begriff des Incor¬ recten im Allgemeinen zu erörtern haben; ſodann werden wir die beſondern Modificationen durchgehen müſſen, welche das Incorrecte in den eigenthümlichen Stylarten der Na¬ tionen und Schulen, in den individuellen Idealformen des Ausdrucks zu erhalten vermag; für die Geſtaltung aber, welche daſſelbe innerhalb der einzelnen Künſte annimmt, wird eine Angabe des allgemein Charakteriſtiſchen hinreichen. A. Die Incorrectheit im Allgemeinen. Die Correctheit überhaupt beſteht in der Richtigkeit, mit welcher eine Geſtalt diejenigen Formen darſtellt, die ihr kraft ihres weſentlichen Inhalts, ſei es der Natur, ſei es der Geſchichte, inwohnen. In der Sprache der formalen Logik würde man ſagen können, daß ſie einen Gegenſtand mit all den Merkmalen ausſtattet, durch welche er ſich von andern weſentlich unterſcheidet. Nur durch die Beſtimmtheit und Klarheit ihrer fundamentalen Richtigkeit kann eine Ge¬ ſtalt ſich auch äſthetiſch von andern ſondern. Die Correct¬ heit fordert daher z. B. daß in einem Landſchaftbilde die Baumgattungen durch ihren natürlichen Typus unterſchieden, daß in einem Architekturwerk die Säulen nach dem Geſetz ihrer Ordnung in den Verjüngungen und Ornamenten ge¬ gliedert ſeien, daß in einem Gedicht der Charakter ſeiner

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/138>, abgerufen am 28.03.2024.