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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Schluß.

Die Olympischen Götter waren die schönsten Gestalten,
die jemals von der Phantasie erzeugt wurden. Dennoch
hatten sie unter sich den hinkenden Hephästos und dieser
hinkende Gott war nicht nur mit der schönsten Göttin, mit
der schaumgeborenen Aphrodite, vermählt, sondern er war
auch der sinnige Gott der bildenden Kunst und wußte die
schönsten Gestalten zu erschaffen. Und obwohl die Götter
so schön und so unsterblich waren, so hielten sie es doch nicht
unter ihrer Würde, zuweilen in ein Gelächter auszubrechen,
das Homer ein unauslöschliches nennt, wie da, als Hephästos
die eigene Gattin und den Ares mit einem Fangnetz umwo¬
ben hatte. So erkennt die Griechische Mythologie den Zu¬
sammenhang des Schönen, Häßlichen und Komischen an.
Aber sie thut dies auch noch in einem besondern Mythus,
auf welchen Bohtz in seiner Schrift: über das Komische
und die Komödie, 1844, 51., aufmerksam macht und den
wir in den Deipnosophisten des Athenäus, XIV., 2.,
finden. Parmeniskos war in die Höhle des Trophonios
gestiegen und hatte ihre grauenvollen Wunder gesehen. Seit¬
dem konnte er nicht mehr lachen und befragte deshalb das
Orakel von Delphi, welches ihm antwortete, daß ihm die
Mutter in ihrem Hause die Fähigkeit zum Lachen wieder
verleihen werde. Als nun Parmeniskos nach Delos kam,
suchte er das Bild der Mutter des Gottes, der Latona.
Dies wurde ihm in einem unförmlichen Klotz gezeigt, worüber
er, der eine schöne Bildsäule zu schauen erwartet hatte, zum

Schluß.

Die Olympiſchen Götter waren die ſchönſten Geſtalten,
die jemals von der Phantaſie erzeugt wurden. Dennoch
hatten ſie unter ſich den hinkenden Hephäſtos und dieſer
hinkende Gott war nicht nur mit der ſchönſten Göttin, mit
der ſchaumgeborenen Aphrodite, vermählt, ſondern er war
auch der ſinnige Gott der bildenden Kunſt und wußte die
ſchönſten Geſtalten zu erſchaffen. Und obwohl die Götter
ſo ſchön und ſo unſterblich waren, ſo hielten ſie es doch nicht
unter ihrer Würde, zuweilen in ein Gelächter auszubrechen,
das Homer ein unauslöſchliches nennt, wie da, als Hephäſtos
die eigene Gattin und den Ares mit einem Fangnetz umwo¬
ben hatte. So erkennt die Griechiſche Mythologie den Zu¬
ſammenhang des Schönen, Häßlichen und Komiſchen an.
Aber ſie thut dies auch noch in einem beſondern Mythus,
auf welchen Bohtz in ſeiner Schrift: über das Komiſche
und die Komödie, 1844, 51., aufmerkſam macht und den
wir in den Deipnoſophiſten des Athenäus, XIV., 2.,
finden. Parmeniskos war in die Höhle des Trophonios
geſtiegen und hatte ihre grauenvollen Wunder geſehen. Seit¬
dem konnte er nicht mehr lachen und befragte deshalb das
Orakel von Delphi, welches ihm antwortete, daß ihm die
Mutter in ihrem Hauſe die Fähigkeit zum Lachen wieder
verleihen werde. Als nun Parmeniskos nach Delos kam,
ſuchte er das Bild der Mutter des Gottes, der Latona.
Dies wurde ihm in einem unförmlichen Klotz gezeigt, worüber
er, der eine ſchöne Bildſäule zu ſchauen erwartet hatte, zum

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[429/0451] Schluß. Die Olympiſchen Götter waren die ſchönſten Geſtalten, die jemals von der Phantaſie erzeugt wurden. Dennoch hatten ſie unter ſich den hinkenden Hephäſtos und dieſer hinkende Gott war nicht nur mit der ſchönſten Göttin, mit der ſchaumgeborenen Aphrodite, vermählt, ſondern er war auch der ſinnige Gott der bildenden Kunſt und wußte die ſchönſten Geſtalten zu erſchaffen. Und obwohl die Götter ſo ſchön und ſo unſterblich waren, ſo hielten ſie es doch nicht unter ihrer Würde, zuweilen in ein Gelächter auszubrechen, das Homer ein unauslöſchliches nennt, wie da, als Hephäſtos die eigene Gattin und den Ares mit einem Fangnetz umwo¬ ben hatte. So erkennt die Griechiſche Mythologie den Zu¬ ſammenhang des Schönen, Häßlichen und Komiſchen an. Aber ſie thut dies auch noch in einem beſondern Mythus, auf welchen Bohtz in ſeiner Schrift: über das Komiſche und die Komödie, 1844, 51., aufmerkſam macht und den wir in den Deipnoſophiſten des Athenäus, XIV., 2., finden. Parmeniskos war in die Höhle des Trophonios geſtiegen und hatte ihre grauenvollen Wunder geſehen. Seit¬ dem konnte er nicht mehr lachen und befragte deshalb das Orakel von Delphi, welches ihm antwortete, daß ihm die Mutter in ihrem Hauſe die Fähigkeit zum Lachen wieder verleihen werde. Als nun Parmeniskos nach Delos kam, ſuchte er das Bild der Mutter des Gottes, der Latona. Dies wurde ihm in einem unförmlichen Klotz gezeigt, worüber er, der eine ſchöne Bildſäule zu ſchauen erwartet hatte, zum

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/451>, abgerufen am 28.03.2024.