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Roßmäßler, Emil Adolf: Das Süßwasser-Aquarium. Leipzig, 1857.

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Geschichte des Süßwasser-Aquariums.

Alle echten Forscher, denen es nicht blos darum zu thun ist, getrock-
nete Mumien von Pflanzen und Thieren aufzuspeichern, um daran die
Kennzeichen der äußeren Form zu studiren, denen das Leben die Haupt-
sache ist -- alle pflegten seit den ältesten Zeiten der Naturforschung das
zu erforschende Leben in ihrer nächste Nähe, an ihren Arbeitstisch zu fes-
seln, um täglich und stündlich immer und immer wieder die Wandlungen
und Gestaltungen desselben belauschen zu können. Aus Küche und Vor-
rathskammer verschwundene Töpfe und Gläser und Flaschen und Büchsen
entdeckte die mit Unrecht von der Hausfrau darob ausgescholtene Magd
auf dem Studirtische ihres Herrn, gefüllt mit allerlei Gethier und räth-
selhaftem Wassergewächs.

Das sind die Keime unserer heutigen Aquarien. Jetzt
sind sie hinausgewachsen ins frische freie Leben, wie die Weizenkörner,
die Jahrtausende in den Gräbern der Pharaonen geruht hatten. Es kam
über sie der belebende Hauch des Naturdranges unserer Tage.

Aber nein, daß sie nicht früher sich entfaltet haben, ich will den
Naturforschern doch keinen Vorwurf darüber machen; denn sie durften
und konnten nicht eher kommen, bis sie im Einklange mit der Zeit standen.
Das ist erst jetzt der Fall.

Nun ist aber mein Kapitel mit der hochtrabenden Ueberschrift auch
schon zu Ende. Denn mehr als das Lächeln des Lesers würde es ver-
dienen, wollte ich nun des Breiteren auseinandersetzen, wer möglicherweise
den Gedanken des Aquariums zuerst gehabt, wer ihn zuerst ausgeführt
habe.


2.
Von den verschiedenen Arten der Aquarien.

Man halte es nicht für übelangebrachte Wortklauberei, wenn ich
zunächst die Beibehaltung des lateinischen Wortes Aquarium rechtfertige;
denn es läßt sich dagegen mit Fug und Recht geltend machen, daß unsere
Sprache doch wohl reich und bildsam genug sei, um auch hier eine pas-

Geſchichte des Süßwaſſer-Aquariums.

Alle echten Forſcher, denen es nicht blos darum zu thun iſt, getrock-
nete Mumien von Pflanzen und Thieren aufzuſpeichern, um daran die
Kennzeichen der äußeren Form zu ſtudiren, denen das Leben die Haupt-
ſache iſt — alle pflegten ſeit den älteſten Zeiten der Naturforſchung das
zu erforſchende Leben in ihrer nächſte Nähe, an ihren Arbeitstiſch zu feſ-
ſeln, um täglich und ſtündlich immer und immer wieder die Wandlungen
und Geſtaltungen deſſelben belauſchen zu können. Aus Küche und Vor-
rathskammer verſchwundene Töpfe und Gläſer und Flaſchen und Büchſen
entdeckte die mit Unrecht von der Hausfrau darob ausgeſcholtene Magd
auf dem Studirtiſche ihres Herrn, gefüllt mit allerlei Gethier und räth-
ſelhaftem Waſſergewächs.

Das ſind die Keime unſerer heutigen Aquarien. Jetzt
ſind ſie hinausgewachſen ins friſche freie Leben, wie die Weizenkörner,
die Jahrtauſende in den Gräbern der Pharaonen geruht hatten. Es kam
über ſie der belebende Hauch des Naturdranges unſerer Tage.

Aber nein, daß ſie nicht früher ſich entfaltet haben, ich will den
Naturforſchern doch keinen Vorwurf darüber machen; denn ſie durften
und konnten nicht eher kommen, bis ſie im Einklange mit der Zeit ſtanden.
Das iſt erſt jetzt der Fall.

Nun iſt aber mein Kapitel mit der hochtrabenden Ueberſchrift auch
ſchon zu Ende. Denn mehr als das Lächeln des Leſers würde es ver-
dienen, wollte ich nun des Breiteren auseinanderſetzen, wer möglicherweiſe
den Gedanken des Aquariums zuerſt gehabt, wer ihn zuerſt ausgeführt
habe.


2.
Von den verſchiedenen Arten der Aquarien.

Man halte es nicht für übelangebrachte Wortklauberei, wenn ich
zunächſt die Beibehaltung des lateiniſchen Wortes Aquarium rechtfertige;
denn es läßt ſich dagegen mit Fug und Recht geltend machen, daß unſere
Sprache doch wohl reich und bildſam genug ſei, um auch hier eine paſ-

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[2/0018] Geſchichte des Süßwaſſer-Aquariums. Alle echten Forſcher, denen es nicht blos darum zu thun iſt, getrock- nete Mumien von Pflanzen und Thieren aufzuſpeichern, um daran die Kennzeichen der äußeren Form zu ſtudiren, denen das Leben die Haupt- ſache iſt — alle pflegten ſeit den älteſten Zeiten der Naturforſchung das zu erforſchende Leben in ihrer nächſte Nähe, an ihren Arbeitstiſch zu feſ- ſeln, um täglich und ſtündlich immer und immer wieder die Wandlungen und Geſtaltungen deſſelben belauſchen zu können. Aus Küche und Vor- rathskammer verſchwundene Töpfe und Gläſer und Flaſchen und Büchſen entdeckte die mit Unrecht von der Hausfrau darob ausgeſcholtene Magd auf dem Studirtiſche ihres Herrn, gefüllt mit allerlei Gethier und räth- ſelhaftem Waſſergewächs. Das ſind die Keime unſerer heutigen Aquarien. Jetzt ſind ſie hinausgewachſen ins friſche freie Leben, wie die Weizenkörner, die Jahrtauſende in den Gräbern der Pharaonen geruht hatten. Es kam über ſie der belebende Hauch des Naturdranges unſerer Tage. Aber nein, daß ſie nicht früher ſich entfaltet haben, ich will den Naturforſchern doch keinen Vorwurf darüber machen; denn ſie durften und konnten nicht eher kommen, bis ſie im Einklange mit der Zeit ſtanden. Das iſt erſt jetzt der Fall. Nun iſt aber mein Kapitel mit der hochtrabenden Ueberſchrift auch ſchon zu Ende. Denn mehr als das Lächeln des Leſers würde es ver- dienen, wollte ich nun des Breiteren auseinanderſetzen, wer möglicherweiſe den Gedanken des Aquariums zuerſt gehabt, wer ihn zuerſt ausgeführt habe. 2. Von den verſchiedenen Arten der Aquarien. Man halte es nicht für übelangebrachte Wortklauberei, wenn ich zunächſt die Beibehaltung des lateiniſchen Wortes Aquarium rechtfertige; denn es läßt ſich dagegen mit Fug und Recht geltend machen, daß unſere Sprache doch wohl reich und bildſam genug ſei, um auch hier eine paſ-

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Das Süßwasser-Aquarium. Leipzig, 1857, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_suesswasseraquarium_1857/18>, abgerufen am 29.03.2024.