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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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3. Die Krummholzkiefer, Pinus Pumilio Haenke (P. Mughus
Scopoli).

Die Krummholzkiefer ist für die Meisten ein unklarer Gesammtbegriff
von einer Menge von Kiefernformen, denen man in höheren Gebirgs-
lagen begegnet: für den Pflanzenkundigen hingegen ein Haufen streitiger
Formen, über deren Artselbstständigkeit die größten Meinungsverschieden-
heiten obwalten.

Wenn wir Gebirgsreisen machen und allmälig auf immer höhere
Stufen kommen, so nimmt mit der Abnahme der Pflanzenwelt unsere
Aufmerksamkeit auf dieselbe zu und um so mehr beachten wir in solchen
Lagen baumartige Gewächse, wenn sie ihren Baumcharakter aufgeben und
Strauchgestalt annehmen. Es ist daher kein Wunder, wenn man in allen
solchen Lagen diesen meist strauchartigen Kiefernformen große Beachtung
schenkt und oft ortsübliche Benennungen beilegt. Deshalb haben auch
diese Kiefernformen fast mehr wie eine andere Baumart die zahlreichsten
Namen: Krummholzkiefer, Knieholzkiefer, Zwergkiefer, Bergkiefer, Sumpf-
kiefer, Mooskiefer, Legkiefer, Latsche und viele andere, die wir unerwähnt
lassen. Dabei können wir bei allen diesen Namen Kiefer mit Föhre
vertauschen, in vielen Theilen Deutschlands die gebräuchliche Bezeichnung
für Kiefer.

Wenn wir die verschiedenen Krummholzkieferformen in ihren einzelnen
Theilen und ihrem ganzen Habitus nach mit der gemeinen Kiefer ver-
gleichen, so finden wir zwar zwischen beiden hinlängliche Verschiedenheit,
dabei aber auch unbestimmte Mittelformen, bei denen wir zweifelhaft sein
können, ob wir sie als Abarten der gemeinen Kiefer oder für eine Form
der als Art unterschiedenen Krummholzkiefer halten sollen. Dazu kommt
noch, daß unter den Krummholzkiefern selbst eine so große Verschiedenheit
stattfindet, daß man sich oft gezwungen sieht, unter ihnen wieder verschiedene
Arten anzunehmen. Dies ist denn auch vielfältig geschehen und die
neuesten Bearbeiter der Krummholzkiefern, Hartig in Braunschweig und
Willkomm in Tharand, unterscheiden mehrere Arten. Da dies jedoch
auch schon vor ihnen von anderen Botanikern geschehen ist, die entweder
einer von den Arbeiten des anderen keine Kunde hatten, oder wirklich
neue Unterscheidungsmerkmale bei der oder jener Form gefunden zu haben

3. Die Krummholzkiefer, Pinus Pumilio Haenke (P. Mughus
Scopoli).

Die Krummholzkiefer iſt für die Meiſten ein unklarer Geſammtbegriff
von einer Menge von Kiefernformen, denen man in höheren Gebirgs-
lagen begegnet: für den Pflanzenkundigen hingegen ein Haufen ſtreitiger
Formen, über deren Artſelbſtſtändigkeit die größten Meinungsverſchieden-
heiten obwalten.

Wenn wir Gebirgsreiſen machen und allmälig auf immer höhere
Stufen kommen, ſo nimmt mit der Abnahme der Pflanzenwelt unſere
Aufmerkſamkeit auf dieſelbe zu und um ſo mehr beachten wir in ſolchen
Lagen baumartige Gewächſe, wenn ſie ihren Baumcharakter aufgeben und
Strauchgeſtalt annehmen. Es iſt daher kein Wunder, wenn man in allen
ſolchen Lagen dieſen meiſt ſtrauchartigen Kiefernformen große Beachtung
ſchenkt und oft ortsübliche Benennungen beilegt. Deshalb haben auch
dieſe Kiefernformen faſt mehr wie eine andere Baumart die zahlreichſten
Namen: Krummholzkiefer, Knieholzkiefer, Zwergkiefer, Bergkiefer, Sumpf-
kiefer, Mooskiefer, Legkiefer, Latſche und viele andere, die wir unerwähnt
laſſen. Dabei können wir bei allen dieſen Namen Kiefer mit Föhre
vertauſchen, in vielen Theilen Deutſchlands die gebräuchliche Bezeichnung
für Kiefer.

Wenn wir die verſchiedenen Krummholzkieferformen in ihren einzelnen
Theilen und ihrem ganzen Habitus nach mit der gemeinen Kiefer ver-
gleichen, ſo finden wir zwar zwiſchen beiden hinlängliche Verſchiedenheit,
dabei aber auch unbeſtimmte Mittelformen, bei denen wir zweifelhaft ſein
können, ob wir ſie als Abarten der gemeinen Kiefer oder für eine Form
der als Art unterſchiedenen Krummholzkiefer halten ſollen. Dazu kommt
noch, daß unter den Krummholzkiefern ſelbſt eine ſo große Verſchiedenheit
ſtattfindet, daß man ſich oft gezwungen ſieht, unter ihnen wieder verſchiedene
Arten anzunehmen. Dies iſt denn auch vielfältig geſchehen und die
neueſten Bearbeiter der Krummholzkiefern, Hartig in Braunſchweig und
Willkomm in Tharand, unterſcheiden mehrere Arten. Da dies jedoch
auch ſchon vor ihnen von anderen Botanikern geſchehen iſt, die entweder
einer von den Arbeiten des anderen keine Kunde hatten, oder wirklich
neue Unterſcheidungsmerkmale bei der oder jener Form gefunden zu haben

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[293/0319] 3. Die Krummholzkiefer, Pinus Pumilio Haenke (P. Mughus Scopoli). Die Krummholzkiefer iſt für die Meiſten ein unklarer Geſammtbegriff von einer Menge von Kiefernformen, denen man in höheren Gebirgs- lagen begegnet: für den Pflanzenkundigen hingegen ein Haufen ſtreitiger Formen, über deren Artſelbſtſtändigkeit die größten Meinungsverſchieden- heiten obwalten. Wenn wir Gebirgsreiſen machen und allmälig auf immer höhere Stufen kommen, ſo nimmt mit der Abnahme der Pflanzenwelt unſere Aufmerkſamkeit auf dieſelbe zu und um ſo mehr beachten wir in ſolchen Lagen baumartige Gewächſe, wenn ſie ihren Baumcharakter aufgeben und Strauchgeſtalt annehmen. Es iſt daher kein Wunder, wenn man in allen ſolchen Lagen dieſen meiſt ſtrauchartigen Kiefernformen große Beachtung ſchenkt und oft ortsübliche Benennungen beilegt. Deshalb haben auch dieſe Kiefernformen faſt mehr wie eine andere Baumart die zahlreichſten Namen: Krummholzkiefer, Knieholzkiefer, Zwergkiefer, Bergkiefer, Sumpf- kiefer, Mooskiefer, Legkiefer, Latſche und viele andere, die wir unerwähnt laſſen. Dabei können wir bei allen dieſen Namen Kiefer mit Föhre vertauſchen, in vielen Theilen Deutſchlands die gebräuchliche Bezeichnung für Kiefer. Wenn wir die verſchiedenen Krummholzkieferformen in ihren einzelnen Theilen und ihrem ganzen Habitus nach mit der gemeinen Kiefer ver- gleichen, ſo finden wir zwar zwiſchen beiden hinlängliche Verſchiedenheit, dabei aber auch unbeſtimmte Mittelformen, bei denen wir zweifelhaft ſein können, ob wir ſie als Abarten der gemeinen Kiefer oder für eine Form der als Art unterſchiedenen Krummholzkiefer halten ſollen. Dazu kommt noch, daß unter den Krummholzkiefern ſelbſt eine ſo große Verſchiedenheit ſtattfindet, daß man ſich oft gezwungen ſieht, unter ihnen wieder verſchiedene Arten anzunehmen. Dies iſt denn auch vielfältig geſchehen und die neueſten Bearbeiter der Krummholzkiefern, Hartig in Braunſchweig und Willkomm in Tharand, unterſcheiden mehrere Arten. Da dies jedoch auch ſchon vor ihnen von anderen Botanikern geſchehen iſt, die entweder einer von den Arbeiten des anderen keine Kunde hatten, oder wirklich neue Unterſcheidungsmerkmale bei der oder jener Form gefunden zu haben

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/319>, abgerufen am 24.04.2024.