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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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entstanden sind. Diese Gebilde sind die Gallen von zwei Blattläusen,
dem rothen Fichtenblattsauger, Chermes coccineus (die kleinen)
und dem grünen Fichtenblattsauger, Ch. viridis (die großen Gallen).
Diese legen ihre Eier im Mai an die sich öffnende Knospe und üben
dabei wie die Gallwespen der Eiche den magischen Einfluß auf das
Bildungsleben der Fichte aus, daß diese die zapfenähnlichen Gallen anstatt
eines gesunden Triebes bilden muß. Unter jedem aus einer Nadelbasis
hervorgegangenen Felde der Galle liegt eine kleine Höhle, in welcher
sich die jungen Blattwespen entwickeln; und wenn diese erwachsen sind,
so öffnen sich diese klappenartigen Fächer, um die Insekten heraustreten
zu lassen. Noch vor wenigen Monaten hat -- was kaum glaublich ist --
ein französischer Botaniker Baillard diese Gallen für Zapfenmißbildungen
gehalten und sie als Beispiel der sonst im Pflanzenreiche (z. B. bei den
Lärchen) vorkommenden Durchwachsung hingestellt! (s. S. 335 Fig. 1a.)

5. Die Tanne, Weißtanne, Edeltanne, Abies pectinata Dec.
(Pinus picea L., P. abies du Roi).

Da die Tanne und die Fichte sehr häufig mit einander verwechselt
und von Solchen, die nicht häufig Nadelwaldung zu sehen Gelegenheit
haben, meist sogar nicht unterschieden werden, so wollen wir jetzt die
charakteristischen Merkmale der Tanne im vergleichenden Rückblick auf die
Fichte hervorheben.

Was zunächst die Blüthen betrifft, die männlichen sowohl wie die
weiblichen, so stehen sie eben so wie bei der Fichte an den vorjährigen
Trieben, jedoch beide fast nur in den obersten Verzweigungen des Wipfels.
Die männlichen Blüthenkätzchen sind viel länger und stehen mehr
an den Seiten als an der Spitze der Triebe. Die Verschiedenheit in
der Form der Staubbeutel, aus denen die männlichen Kätzchen zusammen-
gesetzt sind, ist aus Figur 8 zu ersehen. Beim Ausstreuen des Blüthen-
staubes reißen sie nicht wie die der Fichte in die Länge, sondern in die
Quere auf.

entſtanden ſind. Dieſe Gebilde ſind die Gallen von zwei Blattläuſen,
dem rothen Fichtenblattſauger, Chermes coccineus (die kleinen)
und dem grünen Fichtenblattſauger, Ch. viridis (die großen Gallen).
Dieſe legen ihre Eier im Mai an die ſich öffnende Knospe und üben
dabei wie die Gallwespen der Eiche den magiſchen Einfluß auf das
Bildungsleben der Fichte aus, daß dieſe die zapfenähnlichen Gallen anſtatt
eines geſunden Triebes bilden muß. Unter jedem aus einer Nadelbaſis
hervorgegangenen Felde der Galle liegt eine kleine Höhle, in welcher
ſich die jungen Blattwespen entwickeln; und wenn dieſe erwachſen ſind,
ſo öffnen ſich dieſe klappenartigen Fächer, um die Inſekten heraustreten
zu laſſen. Noch vor wenigen Monaten hat — was kaum glaublich iſt —
ein franzöſiſcher Botaniker Baillard dieſe Gallen für Zapfenmißbildungen
gehalten und ſie als Beiſpiel der ſonſt im Pflanzenreiche (z. B. bei den
Lärchen) vorkommenden Durchwachſung hingeſtellt! (ſ. S. 335 Fig. 1a.)

5. Die Tanne, Weißtanne, Edeltanne, Abies pectinata Dec.
(Pinus picea L., P. abies du Roi).

Da die Tanne und die Fichte ſehr häufig mit einander verwechſelt
und von Solchen, die nicht häufig Nadelwaldung zu ſehen Gelegenheit
haben, meiſt ſogar nicht unterſchieden werden, ſo wollen wir jetzt die
charakteriſtiſchen Merkmale der Tanne im vergleichenden Rückblick auf die
Fichte hervorheben.

Was zunächſt die Blüthen betrifft, die männlichen ſowohl wie die
weiblichen, ſo ſtehen ſie eben ſo wie bei der Fichte an den vorjährigen
Trieben, jedoch beide faſt nur in den oberſten Verzweigungen des Wipfels.
Die männlichen Blüthenkätzchen ſind viel länger und ſtehen mehr
an den Seiten als an der Spitze der Triebe. Die Verſchiedenheit in
der Form der Staubbeutel, aus denen die männlichen Kätzchen zuſammen-
geſetzt ſind, iſt aus Figur 8 zu erſehen. Beim Ausſtreuen des Blüthen-
ſtaubes reißen ſie nicht wie die der Fichte in die Länge, ſondern in die
Quere auf.

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[324/0354] entſtanden ſind. Dieſe Gebilde ſind die Gallen von zwei Blattläuſen, dem rothen Fichtenblattſauger, Chermes coccineus (die kleinen) und dem grünen Fichtenblattſauger, Ch. viridis (die großen Gallen). Dieſe legen ihre Eier im Mai an die ſich öffnende Knospe und üben dabei wie die Gallwespen der Eiche den magiſchen Einfluß auf das Bildungsleben der Fichte aus, daß dieſe die zapfenähnlichen Gallen anſtatt eines geſunden Triebes bilden muß. Unter jedem aus einer Nadelbaſis hervorgegangenen Felde der Galle liegt eine kleine Höhle, in welcher ſich die jungen Blattwespen entwickeln; und wenn dieſe erwachſen ſind, ſo öffnen ſich dieſe klappenartigen Fächer, um die Inſekten heraustreten zu laſſen. Noch vor wenigen Monaten hat — was kaum glaublich iſt — ein franzöſiſcher Botaniker Baillard dieſe Gallen für Zapfenmißbildungen gehalten und ſie als Beiſpiel der ſonſt im Pflanzenreiche (z. B. bei den Lärchen) vorkommenden Durchwachſung hingeſtellt! (ſ. S. 335 Fig. 1a.) 5. Die Tanne, Weißtanne, Edeltanne, Abies pectinata Dec. (Pinus picea L., P. abies du Roi). Da die Tanne und die Fichte ſehr häufig mit einander verwechſelt und von Solchen, die nicht häufig Nadelwaldung zu ſehen Gelegenheit haben, meiſt ſogar nicht unterſchieden werden, ſo wollen wir jetzt die charakteriſtiſchen Merkmale der Tanne im vergleichenden Rückblick auf die Fichte hervorheben. Was zunächſt die Blüthen betrifft, die männlichen ſowohl wie die weiblichen, ſo ſtehen ſie eben ſo wie bei der Fichte an den vorjährigen Trieben, jedoch beide faſt nur in den oberſten Verzweigungen des Wipfels. Die männlichen Blüthenkätzchen ſind viel länger und ſtehen mehr an den Seiten als an der Spitze der Triebe. Die Verſchiedenheit in der Form der Staubbeutel, aus denen die männlichen Kätzchen zuſammen- geſetzt ſind, iſt aus Figur 8 zu erſehen. Beim Ausſtreuen des Blüthen- ſtaubes reißen ſie nicht wie die der Fichte in die Länge, ſondern in die Quere auf.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/354>, abgerufen am 24.04.2024.