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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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dem fruchtbringenden Schaffen Heinrich Cotta's Zeugniß ablegt. Die
bereits ergrauten Leser meines Buches, welche der Forstwelt angehören
und somit zum großen Theil unmittelbar, alle aber mittelbar Cotta's
Schüler sind, mögen daher ihres Meisters gedenken, wenn ihnen im Mai
auf ihren Reviergängen mitten unter Buchen oder Eichen ein blühender
Apfelbaum als ewig sich verjüngendes Denkmal desselben begegnet.

50. Der Sauerdorn, Berberis vulgaris L.

Obgleich dieser allgemein bekannte Strauch, welcher einer kleinen
natürlichen Pflanzenfamilie seinen Namen giebt, namentlich in der süd-
lichen Hälfte Deutschlands in Vorhölzern mit lockerem sandigen Boden
häufig anscheinend wild angetroffen wird, so ist er doch vielleicht keine
eigentlich deutsche sondern seit alter Zeit aus Südeuropa eingeführte
Pflanze, die in unseren Parkanlagen wegen ihrer goldgelben Blüthenträubchen
und der rothen essigsauren Früchte häufig angepflanzt wird. Im Nord-
osten Europa's haben jedoch einige nahe verwandte Arten ihre ursprüng-
liche Heimath.

Die Blüthe hat 6 Kelchblätter, 6 Blumenblätter, welche gegen die
sonstige Regel nicht mit einander abwechseln, sondern vor einander gestellt
sind, und ebenfalls 6 Staubgefäße und 1 Stempel, aus welchem eine
zweisamige länglich eiförmige Beere wird. Die Staubgefäße, welche im
gewöhnlichen Zustande gekrümmt ausgebreitet liegen, zeigen ein bemerkens-
werthes Beispiel der sogenannten nichtperiodischen Bewegungserscheinungen
des Pflanzenlebens, indem sie leise berührt sich mit einem plötzlichen Ruck
aufrichten.

Die verkehrt eiförmig-spatelförmigen, am Rande borstlich gezähnten
Blätter stehen büschelförmig und haben an ihrer Einfügungsstelle einen
meist dreitheiligen Dorn, welcher nichts anderes als ein umgewandeltes
Blatt ist. Das feine kleinporige Holz ist im Kern bläulichroth im Splint
citronengelb.

Bei Gutenstein im Wiener Walde soll nach L. Reichenbach eine
Spielart mit süßen Früchten vorkommen.

Die forstliche Bedeutung beschränkt sich auf die Benutzung bei der
Schlagführung des Mittel- und Niederwaldes, während die reine, sehr

dem fruchtbringenden Schaffen Heinrich Cotta’s Zeugniß ablegt. Die
bereits ergrauten Leſer meines Buches, welche der Forſtwelt angehören
und ſomit zum großen Theil unmittelbar, alle aber mittelbar Cotta’s
Schüler ſind, mögen daher ihres Meiſters gedenken, wenn ihnen im Mai
auf ihren Reviergängen mitten unter Buchen oder Eichen ein blühender
Apfelbaum als ewig ſich verjüngendes Denkmal deſſelben begegnet.

50. Der Sauerdorn, Berberis vulgaris L.

Obgleich dieſer allgemein bekannte Strauch, welcher einer kleinen
natürlichen Pflanzenfamilie ſeinen Namen giebt, namentlich in der ſüd-
lichen Hälfte Deutſchlands in Vorhölzern mit lockerem ſandigen Boden
häufig anſcheinend wild angetroffen wird, ſo iſt er doch vielleicht keine
eigentlich deutſche ſondern ſeit alter Zeit aus Südeuropa eingeführte
Pflanze, die in unſeren Parkanlagen wegen ihrer goldgelben Blüthenträubchen
und der rothen eſſigſauren Früchte häufig angepflanzt wird. Im Nord-
oſten Europa’s haben jedoch einige nahe verwandte Arten ihre urſprüng-
liche Heimath.

Die Blüthe hat 6 Kelchblätter, 6 Blumenblätter, welche gegen die
ſonſtige Regel nicht mit einander abwechſeln, ſondern vor einander geſtellt
ſind, und ebenfalls 6 Staubgefäße und 1 Stempel, aus welchem eine
zweiſamige länglich eiförmige Beere wird. Die Staubgefäße, welche im
gewöhnlichen Zuſtande gekrümmt ausgebreitet liegen, zeigen ein bemerkens-
werthes Beiſpiel der ſogenannten nichtperiodiſchen Bewegungserſcheinungen
des Pflanzenlebens, indem ſie leiſe berührt ſich mit einem plötzlichen Ruck
aufrichten.

Die verkehrt eiförmig-ſpatelförmigen, am Rande borſtlich gezähnten
Blätter ſtehen büſchelförmig und haben an ihrer Einfügungsſtelle einen
meiſt dreitheiligen Dorn, welcher nichts anderes als ein umgewandeltes
Blatt iſt. Das feine kleinporige Holz iſt im Kern bläulichroth im Splint
citronengelb.

Bei Gutenſtein im Wiener Walde ſoll nach L. Reichenbach eine
Spielart mit ſüßen Früchten vorkommen.

Die forſtliche Bedeutung beſchränkt ſich auf die Benutzung bei der
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[520/0572] dem fruchtbringenden Schaffen Heinrich Cotta’s Zeugniß ablegt. Die bereits ergrauten Leſer meines Buches, welche der Forſtwelt angehören und ſomit zum großen Theil unmittelbar, alle aber mittelbar Cotta’s Schüler ſind, mögen daher ihres Meiſters gedenken, wenn ihnen im Mai auf ihren Reviergängen mitten unter Buchen oder Eichen ein blühender Apfelbaum als ewig ſich verjüngendes Denkmal deſſelben begegnet. 50. Der Sauerdorn, Berberis vulgaris L. Obgleich dieſer allgemein bekannte Strauch, welcher einer kleinen natürlichen Pflanzenfamilie ſeinen Namen giebt, namentlich in der ſüd- lichen Hälfte Deutſchlands in Vorhölzern mit lockerem ſandigen Boden häufig anſcheinend wild angetroffen wird, ſo iſt er doch vielleicht keine eigentlich deutſche ſondern ſeit alter Zeit aus Südeuropa eingeführte Pflanze, die in unſeren Parkanlagen wegen ihrer goldgelben Blüthenträubchen und der rothen eſſigſauren Früchte häufig angepflanzt wird. Im Nord- oſten Europa’s haben jedoch einige nahe verwandte Arten ihre urſprüng- liche Heimath. Die Blüthe hat 6 Kelchblätter, 6 Blumenblätter, welche gegen die ſonſtige Regel nicht mit einander abwechſeln, ſondern vor einander geſtellt ſind, und ebenfalls 6 Staubgefäße und 1 Stempel, aus welchem eine zweiſamige länglich eiförmige Beere wird. Die Staubgefäße, welche im gewöhnlichen Zuſtande gekrümmt ausgebreitet liegen, zeigen ein bemerkens- werthes Beiſpiel der ſogenannten nichtperiodiſchen Bewegungserſcheinungen des Pflanzenlebens, indem ſie leiſe berührt ſich mit einem plötzlichen Ruck aufrichten. Die verkehrt eiförmig-ſpatelförmigen, am Rande borſtlich gezähnten Blätter ſtehen büſchelförmig und haben an ihrer Einfügungsſtelle einen meiſt dreitheiligen Dorn, welcher nichts anderes als ein umgewandeltes Blatt iſt. Das feine kleinporige Holz iſt im Kern bläulichroth im Splint citronengelb. Bei Gutenſtein im Wiener Walde ſoll nach L. Reichenbach eine Spielart mit ſüßen Früchten vorkommen. Die forſtliche Bedeutung beſchränkt ſich auf die Benutzung bei der Schlagführung des Mittel- und Niederwaldes, während die reine, ſehr

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/572>, abgerufen am 20.04.2024.