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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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B. Arten und Leistungen des Kampfes der Theile.

Zu den wichtigen allgemeinen Lebensbedingungen gehört
auch die Beseitigung der Stoffwechselproducte;
denn ihre Anhäufung würde schädlich sein, einmal weil sie
als für den Organismus todtes Material unnützer Weise Raum
einnehmen oder weil sie eventuell durch ihre chemische, vom
Organismus different gewordene Beschaffenheit direct schädlich
wirken werden. Es werden daher ceteris paribus ebensowohl
Zellen, welche weniger schädliche Stoffwechselproducte bilden,
als auch diejenigen, welche die Abfuhr derselben leichter be-
sorgen können, einen wesentlichen Vortheil im Kampfe vor den
anderen Zellen voraus haben und daher leichter sich erhalten
und ausbreiten.

Die Wirkungsgrösse des Kampfes der Zellen ist
bedingt durch die Zahl von Zellgenerationen, in welchen er zur
Wirkung gelangt, und diese ist natürlich abhängig von dem
Zeitpunkte des Auftretens der neuen Eigenschaft im Leben des
Individuums. Tritt sie erst im erwachsenen Individuum auf,
wo blos noch physiologische Regeneration stattfindet so kann
sie überhaupt nur in jenen Organen wirken, deren Zellen noch
einer physiologischen Vermehrung entweder zur Regeneration
oder zur Arbeitshypertrophie unterliegen, also in den Epithelien,
den Schleim- und vielleicht noch anderen Drüsen, in Muskeln,
Knochen, im Knorpel- und im Bindegewebe und in den Nerven;
nicht aber, so viel wir bis jetzt wissen, in den Lagern der
Ganglien- und Sinneszellen.

Tritt dagegen die neue Variation schon frühzeitig im Em-
bryo auf, so wird alles von ihr abstammende Gewebe ihren
Charakter tragen, und da sie irgend einen Vorzug für die Aus-
breitung hat, wird sie nach dem Maasse desselben ihr Verbrei-
tungsgebiet über das ihrer ursprünglich gleichstehenden Genos-
sinnen ausdehnen, so dass eine neue günstige moleculare Va-
riation, auch wenn sie erst nach der Bildung der Keimblätter

B. Arten und Leistungen des Kampfes der Theile.

Zu den wichtigen allgemeinen Lebensbedingungen gehört
auch die Beseitigung der Stoffwechselproducte;
denn ihre Anhäufung würde schädlich sein, einmal weil sie
als für den Organismus todtes Material unnützer Weise Raum
einnehmen oder weil sie eventuell durch ihre chemische, vom
Organismus different gewordene Beschaffenheit direct schädlich
wirken werden. Es werden daher ceteris paribus ebensowohl
Zellen, welche weniger schädliche Stoffwechselproducte bilden,
als auch diejenigen, welche die Abfuhr derselben leichter be-
sorgen können, einen wesentlichen Vortheil im Kampfe vor den
anderen Zellen voraus haben und daher leichter sich erhalten
und ausbreiten.

Die Wirkungsgrösse des Kampfes der Zellen ist
bedingt durch die Zahl von Zellgenerationen, in welchen er zur
Wirkung gelangt, und diese ist natürlich abhängig von dem
Zeitpunkte des Auftretens der neuen Eigenschaft im Leben des
Individuums. Tritt sie erst im erwachsenen Individuum auf,
wo blos noch physiologische Regeneration stattfindet so kann
sie überhaupt nur in jenen Organen wirken, deren Zellen noch
einer physiologischen Vermehrung entweder zur Regeneration
oder zur Arbeitshypertrophie unterliegen, also in den Epithelien,
den Schleim- und vielleicht noch anderen Drüsen, in Muskeln,
Knochen, im Knorpel- und im Bindegewebe und in den Nerven;
nicht aber, so viel wir bis jetzt wissen, in den Lagern der
Ganglien- und Sinneszellen.

Tritt dagegen die neue Variation schon frühzeitig im Em-
bryo auf, so wird alles von ihr abstammende Gewebe ihren
Charakter tragen, und da sie irgend einen Vorzug für die Aus-
breitung hat, wird sie nach dem Maasse desselben ihr Verbrei-
tungsgebiet über das ihrer ursprünglich gleichstehenden Genos-
sinnen ausdehnen, so dass eine neue günstige moleculare Va-
riation, auch wenn sie erst nach der Bildung der Keimblätter

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[95/0109] B. Arten und Leistungen des Kampfes der Theile. Zu den wichtigen allgemeinen Lebensbedingungen gehört auch die Beseitigung der Stoffwechselproducte; denn ihre Anhäufung würde schädlich sein, einmal weil sie als für den Organismus todtes Material unnützer Weise Raum einnehmen oder weil sie eventuell durch ihre chemische, vom Organismus different gewordene Beschaffenheit direct schädlich wirken werden. Es werden daher ceteris paribus ebensowohl Zellen, welche weniger schädliche Stoffwechselproducte bilden, als auch diejenigen, welche die Abfuhr derselben leichter be- sorgen können, einen wesentlichen Vortheil im Kampfe vor den anderen Zellen voraus haben und daher leichter sich erhalten und ausbreiten. Die Wirkungsgrösse des Kampfes der Zellen ist bedingt durch die Zahl von Zellgenerationen, in welchen er zur Wirkung gelangt, und diese ist natürlich abhängig von dem Zeitpunkte des Auftretens der neuen Eigenschaft im Leben des Individuums. Tritt sie erst im erwachsenen Individuum auf, wo blos noch physiologische Regeneration stattfindet so kann sie überhaupt nur in jenen Organen wirken, deren Zellen noch einer physiologischen Vermehrung entweder zur Regeneration oder zur Arbeitshypertrophie unterliegen, also in den Epithelien, den Schleim- und vielleicht noch anderen Drüsen, in Muskeln, Knochen, im Knorpel- und im Bindegewebe und in den Nerven; nicht aber, so viel wir bis jetzt wissen, in den Lagern der Ganglien- und Sinneszellen. Tritt dagegen die neue Variation schon frühzeitig im Em- bryo auf, so wird alles von ihr abstammende Gewebe ihren Charakter tragen, und da sie irgend einen Vorzug für die Aus- breitung hat, wird sie nach dem Maasse desselben ihr Verbrei- tungsgebiet über das ihrer ursprünglich gleichstehenden Genos- sinnen ausdehnen, so dass eine neue günstige moleculare Va- riation, auch wenn sie erst nach der Bildung der Keimblätter

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/109>, abgerufen am 25.04.2024.