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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Foderungen an die Wärterin über diesen Punkt
streng seyn werden, wie sie es seyn müssen.

Ob Jda gewiegt werden soll? Man hat aus
der Frage über das Wiegen oder Nichtwiegen wohl
zu viel gemacht, und die Art, wie man sie beant-
wortet hat, verräth hier und da jene kleinliche
pädagogische Pedanterey, die in den letzten Jahr-
zehnden sehr oft zum Vorschein kam. Jda's Wie-
ge von der guten Großmutter ist mit Läufen ver-
sehen; laß die Läufe daran, aber stelle sie fest,
und gewöhne der Kleinen die schaukelnde Bewe-
gung nicht als ein Bedürfniß an: ist sie gesund,
so wird sie gewiß ungewiegt schlafen, besonders in
der frühesten Lebenszeit, wo die ganze Existenz
fast noch ein leichter, wenig unterbrochener Schlum-
mer ist; und hast Du sie in den ersten vier Wochen
nie in den Schlaf gewiegt, so wird es auch später-
hin nicht nöthig seyn. Laß aber dennoch die Läufe
an der Wiege! Es können Zeiten kommen, wo
die Kleine, von irgend einer physischen Unruhe
gepeinigt, viel weint und mit dem gewohnten
Beruhigungsmittel, mit der Brust, nicht zu be-

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Foderungen an die Wärterin über dieſen Punkt
ſtreng ſeyn werden, wie ſie es ſeyn müſſen.

Ob Jda gewiegt werden ſoll? Man hat aus
der Frage über das Wiegen oder Nichtwiegen wohl
zu viel gemacht, und die Art, wie man ſie beant-
wortet hat, verräth hier und da jene kleinliche
pädagogiſche Pedanterey, die in den letzten Jahr-
zehnden ſehr oft zum Vorſchein kam. Jda’s Wie-
ge von der guten Großmutter iſt mit Läufen ver-
ſehen; laß die Läufe daran, aber ſtelle ſie feſt,
und gewöhne der Kleinen die ſchaukelnde Bewe-
gung nicht als ein Bedürfniß an: iſt ſie geſund,
ſo wird ſie gewiß ungewiegt ſchlafen, beſonders in
der früheſten Lebenszeit, wo die ganze Exiſtenz
faſt noch ein leichter, wenig unterbrochener Schlum-
mer iſt; und haſt Du ſie in den erſten vier Wochen
nie in den Schlaf gewiegt, ſo wird es auch ſpäter-
hin nicht nöthig ſeyn. Laß aber dennoch die Läufe
an der Wiege! Es können Zeiten kommen, wo
die Kleine, von irgend einer phyſiſchen Unruhe
gepeinigt, viel weint und mit dem gewohnten
Beruhigungsmittel, mit der Bruſt, nicht zu be-

(2)
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[9/0023] Foderungen an die Wärterin über dieſen Punkt ſtreng ſeyn werden, wie ſie es ſeyn müſſen. Ob Jda gewiegt werden ſoll? Man hat aus der Frage über das Wiegen oder Nichtwiegen wohl zu viel gemacht, und die Art, wie man ſie beant- wortet hat, verräth hier und da jene kleinliche pädagogiſche Pedanterey, die in den letzten Jahr- zehnden ſehr oft zum Vorſchein kam. Jda’s Wie- ge von der guten Großmutter iſt mit Läufen ver- ſehen; laß die Läufe daran, aber ſtelle ſie feſt, und gewöhne der Kleinen die ſchaukelnde Bewe- gung nicht als ein Bedürfniß an: iſt ſie geſund, ſo wird ſie gewiß ungewiegt ſchlafen, beſonders in der früheſten Lebenszeit, wo die ganze Exiſtenz faſt noch ein leichter, wenig unterbrochener Schlum- mer iſt; und haſt Du ſie in den erſten vier Wochen nie in den Schlaf gewiegt, ſo wird es auch ſpäter- hin nicht nöthig ſeyn. Laß aber dennoch die Läufe an der Wiege! Es können Zeiten kommen, wo die Kleine, von irgend einer phyſiſchen Unruhe gepeinigt, viel weint und mit dem gewohnten Beruhigungsmittel, mit der Bruſt, nicht zu be- (2)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/23>, abgerufen am 29.03.2024.