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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Mannes dringende Geschäfte nachlassen, und auch
Er wieder mehr Ansprüche auf Deine Gesellschaft
macht, und sie zu seiner Erholung bedarf: wie
wird es dann werden, wenn Jda zu niemand
will, als zu Dir? Gertrud ist gut, ist verständig,
und was ihr an Ausbildung und Einsicht fehlt,
ersetzt ihr Gehorsam und ihre fast vergötternde
Liebe für Dich. Gewöhne Jda also in Zeiten,
auch bei ihr gern zu seyn. Aber nutze Gertrudens
ehrerbietige Liebe für Dich zu ihrer eigenen Aus-
bildung. Suche dies seelengute Geschöpf -- sie
ist es ja so werth -- von den hergebrachten Mei-
nungen und Vorurtheilen des dienenden Standes
zu befreyen, und an deren Stelle verständige An-
sichten der Dinge und bessere Ueberzeugungen
zu pflanzen.

Jn diesem Punkte magst Du sie sicher über ihren
Stand erheben. Es kann nicht anders als ihr
selbst heilsam seyn. Bilde Dir an ihr -- nicht
nur eine zweite Hand, die maschinenmäßig Dei-
nen Willen thut, sondern laß sie Deine verständi-
ge Stellvertreterin werden. Deinen Geist kannst



Mannes dringende Geſchäfte nachlaſſen, und auch
Er wieder mehr Anſprüche auf Deine Geſellſchaft
macht, und ſie zu ſeiner Erholung bedarf: wie
wird es dann werden, wenn Jda zu niemand
will, als zu Dir? Gertrud iſt gut, iſt verſtändig,
und was ihr an Ausbildung und Einſicht fehlt,
erſetzt ihr Gehorſam und ihre faſt vergötternde
Liebe für Dich. Gewöhne Jda alſo in Zeiten,
auch bei ihr gern zu ſeyn. Aber nutze Gertrudens
ehrerbietige Liebe für Dich zu ihrer eigenen Aus-
bildung. Suche dies ſeelengute Geſchöpf — ſie
iſt es ja ſo werth — von den hergebrachten Mei-
nungen und Vorurtheilen des dienenden Standes
zu befreyen, und an deren Stelle verſtändige An-
ſichten der Dinge und beſſere Ueberzeugungen
zu pflanzen.

Jn dieſem Punkte magſt Du ſie ſicher über ihren
Stand erheben. Es kann nicht anders als ihr
ſelbſt heilſam ſeyn. Bilde Dir an ihr — nicht
nur eine zweite Hand, die maſchinenmäßig Dei-
nen Willen thut, ſondern laß ſie Deine verſtändi-
ge Stellvertreterin werden. Deinen Geiſt kannſt

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[12/0026] Mannes dringende Geſchäfte nachlaſſen, und auch Er wieder mehr Anſprüche auf Deine Geſellſchaft macht, und ſie zu ſeiner Erholung bedarf: wie wird es dann werden, wenn Jda zu niemand will, als zu Dir? Gertrud iſt gut, iſt verſtändig, und was ihr an Ausbildung und Einſicht fehlt, erſetzt ihr Gehorſam und ihre faſt vergötternde Liebe für Dich. Gewöhne Jda alſo in Zeiten, auch bei ihr gern zu ſeyn. Aber nutze Gertrudens ehrerbietige Liebe für Dich zu ihrer eigenen Aus- bildung. Suche dies ſeelengute Geſchöpf — ſie iſt es ja ſo werth — von den hergebrachten Mei- nungen und Vorurtheilen des dienenden Standes zu befreyen, und an deren Stelle verſtändige An- ſichten der Dinge und beſſere Ueberzeugungen zu pflanzen. Jn dieſem Punkte magſt Du ſie ſicher über ihren Stand erheben. Es kann nicht anders als ihr ſelbſt heilſam ſeyn. Bilde Dir an ihr — nicht nur eine zweite Hand, die maſchinenmäßig Dei- nen Willen thut, ſondern laß ſie Deine verſtändi- ge Stellvertreterin werden. Deinen Geiſt kannſt

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/26>, abgerufen am 29.03.2024.