Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
44.
Von sichrer Meisterschaft ist Scherz ein sichres Zeichen;
Wie sich die Katze läßt zum Scherz die Maus entweichen.
Der Scherz ist ein Versuch, Ungleichheit gleichzustellen;
Drum scherzen ungestraft nur unter sich Gesellen.
Mit Kleinerm scherze nicht! er wird sich überheben;
Und nicht mit Größerem! er wird dir's nicht vergeben.
Der Scherz ist sicher, der den Ernst hat an der Hand,
In Schutz zu nehmen ihn vor blödem Misverstand.
Der Scherz ist sicher, nie die Achtung zu verscherzen,
Der ein Bewußtseyn trägt von höhrer Würd' im Herzen.
Sich wegzuwerfen mag ein Weilchen sich nicht schämen,
Wer sicher ist, sich selbst gleich wieder anzunehmen.
Wer mit den Schmerzen scherzt, der hat sich überwunden
Entweder, oder wird von ihnen nie gefunden.
Drum reimet Scherz auf Schmerz, und beides reimt auf Herz,
Weil Dichterherzen stets verwandeln Schmerz in Scherz.

44.
Von ſichrer Meiſterſchaft iſt Scherz ein ſichres Zeichen;
Wie ſich die Katze laͤßt zum Scherz die Maus entweichen.
Der Scherz iſt ein Verſuch, Ungleichheit gleichzuſtellen;
Drum ſcherzen ungeſtraft nur unter ſich Geſellen.
Mit Kleinerm ſcherze nicht! er wird ſich uͤberheben;
Und nicht mit Groͤßerem! er wird dir's nicht vergeben.
Der Scherz iſt ſicher, der den Ernſt hat an der Hand,
In Schutz zu nehmen ihn vor bloͤdem Misverſtand.
Der Scherz iſt ſicher, nie die Achtung zu verſcherzen,
Der ein Bewußtſeyn traͤgt von hoͤhrer Wuͤrd' im Herzen.
Sich wegzuwerfen mag ein Weilchen ſich nicht ſchaͤmen,
Wer ſicher iſt, ſich ſelbſt gleich wieder anzunehmen.
Wer mit den Schmerzen ſcherzt, der hat ſich uͤberwunden
Entweder, oder wird von ihnen nie gefunden.
Drum reimet Scherz auf Schmerz, und beides reimt auf Herz,
Weil Dichterherzen ſtets verwandeln Schmerz in Scherz.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0048" n="38"/>
        <div n="2">
          <head>44.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Von &#x017F;ichrer Mei&#x017F;ter&#x017F;chaft i&#x017F;t Scherz ein &#x017F;ichres Zeichen;</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;ich die Katze la&#x0364;ßt zum Scherz die Maus entweichen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Der Scherz i&#x017F;t ein Ver&#x017F;uch, Ungleichheit gleichzu&#x017F;tellen;</l><lb/>
              <l>Drum &#x017F;cherzen unge&#x017F;traft nur unter &#x017F;ich Ge&#x017F;ellen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Mit Kleinerm &#x017F;cherze nicht! er wird &#x017F;ich u&#x0364;berheben;</l><lb/>
              <l>Und nicht mit Gro&#x0364;ßerem! er wird dir's nicht vergeben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Der Scherz i&#x017F;t &#x017F;icher, der den Ern&#x017F;t hat an der Hand,</l><lb/>
              <l>In Schutz zu nehmen ihn vor blo&#x0364;dem Misver&#x017F;tand.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Der Scherz i&#x017F;t &#x017F;icher, nie die Achtung zu ver&#x017F;cherzen,</l><lb/>
              <l>Der ein Bewußt&#x017F;eyn tra&#x0364;gt von ho&#x0364;hrer Wu&#x0364;rd' im Herzen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Sich wegzuwerfen mag ein Weilchen &#x017F;ich nicht &#x017F;cha&#x0364;men,</l><lb/>
              <l>Wer &#x017F;icher i&#x017F;t, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gleich wieder anzunehmen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Wer mit den Schmerzen &#x017F;cherzt, der hat &#x017F;ich u&#x0364;berwunden</l><lb/>
              <l>Entweder, oder wird von ihnen nie gefunden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Drum reimet Scherz auf Schmerz, und beides reimt auf Herz,</l><lb/>
              <l>Weil Dichterherzen &#x017F;tets verwandeln Schmerz in Scherz.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0048] 44. Von ſichrer Meiſterſchaft iſt Scherz ein ſichres Zeichen; Wie ſich die Katze laͤßt zum Scherz die Maus entweichen. Der Scherz iſt ein Verſuch, Ungleichheit gleichzuſtellen; Drum ſcherzen ungeſtraft nur unter ſich Geſellen. Mit Kleinerm ſcherze nicht! er wird ſich uͤberheben; Und nicht mit Groͤßerem! er wird dir's nicht vergeben. Der Scherz iſt ſicher, der den Ernſt hat an der Hand, In Schutz zu nehmen ihn vor bloͤdem Misverſtand. Der Scherz iſt ſicher, nie die Achtung zu verſcherzen, Der ein Bewußtſeyn traͤgt von hoͤhrer Wuͤrd' im Herzen. Sich wegzuwerfen mag ein Weilchen ſich nicht ſchaͤmen, Wer ſicher iſt, ſich ſelbſt gleich wieder anzunehmen. Wer mit den Schmerzen ſcherzt, der hat ſich uͤberwunden Entweder, oder wird von ihnen nie gefunden. Drum reimet Scherz auf Schmerz, und beides reimt auf Herz, Weil Dichterherzen ſtets verwandeln Schmerz in Scherz.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/48
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/48>, abgerufen am 29.03.2024.