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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.

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159.
Zur Unvergänglichkeit fühlt sich der Mensch berufen,
Und so vergänglich doch ist alles was wir schufen;
Und alles, was wir sind, ist ebenso vergänglich,
Doch in uns das Gefühl des Ew'gen unverdränglich.
Was ich gestrebt, vollbracht, empfunden und gedacht,
So ewig wie ich selbst ist es von Gott gemacht.
Mein Leben ist ein Schiff den Strom hinab getrieben,
Dahinter keine Spur im Wasser ist geblieben.
Wer nach mir gleitet, weiß nicht wer voran ihm glitt;
Wer nach mir schreitet, fragt nicht wer voran ihm schritt.
Wer nach mir streitet, ahnt nicht, daß ich vor ihm stritt;
Wer nach mir leidet, fühlt nicht, was ich vor ihm litt.
Wie seines Lebens Strauch erschüttert mancher Hauch,
Ist doch ihm unbewußt darunter meiner auch.


Rückert, Lehrgedicht II. 5
159.
Zur Unvergaͤnglichkeit fuͤhlt ſich der Menſch berufen,
Und ſo vergaͤnglich doch iſt alles was wir ſchufen;
Und alles, was wir ſind, iſt ebenſo vergaͤnglich,
Doch in uns das Gefuͤhl des Ew'gen unverdraͤnglich.
Was ich geſtrebt, vollbracht, empfunden und gedacht,
So ewig wie ich ſelbſt iſt es von Gott gemacht.
Mein Leben iſt ein Schiff den Strom hinab getrieben,
Dahinter keine Spur im Waſſer iſt geblieben.
Wer nach mir gleitet, weiß nicht wer voran ihm glitt;
Wer nach mir ſchreitet, fragt nicht wer voran ihm ſchritt.
Wer nach mir ſtreitet, ahnt nicht, daß ich vor ihm ſtritt;
Wer nach mir leidet, fuͤhlt nicht, was ich vor ihm litt.
Wie ſeines Lebens Strauch erſchuͤttert mancher Hauch,
Iſt doch ihm unbewußt darunter meiner auch.


Rückert, Lehrgedicht II. 5
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[97/0107] 159. Zur Unvergaͤnglichkeit fuͤhlt ſich der Menſch berufen, Und ſo vergaͤnglich doch iſt alles was wir ſchufen; Und alles, was wir ſind, iſt ebenſo vergaͤnglich, Doch in uns das Gefuͤhl des Ew'gen unverdraͤnglich. Was ich geſtrebt, vollbracht, empfunden und gedacht, So ewig wie ich ſelbſt iſt es von Gott gemacht. Mein Leben iſt ein Schiff den Strom hinab getrieben, Dahinter keine Spur im Waſſer iſt geblieben. Wer nach mir gleitet, weiß nicht wer voran ihm glitt; Wer nach mir ſchreitet, fragt nicht wer voran ihm ſchritt. Wer nach mir ſtreitet, ahnt nicht, daß ich vor ihm ſtritt; Wer nach mir leidet, fuͤhlt nicht, was ich vor ihm litt. Wie ſeines Lebens Strauch erſchuͤttert mancher Hauch, Iſt doch ihm unbewußt darunter meiner auch. Rückert, Lehrgedicht II. 5

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/107>, abgerufen am 24.04.2024.