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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.

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So viele Schiffe schon gefahren diese Strassen,
Hat keines hinter sich ein Fahrgeleis gelassen.
Sie zogen eine Spur solang nur als sie fuhren,
Und wer nach ihnen fuhr, zog wieder andre Spuren;
Die, wann er ist vorbei, im Glatten wieder schwinden;
Und jedem steht es frei, stets eignen Weg zu finden.
Versehn ist dieser Weg mit keinen Meilenzeigern,
Als nur mit Sternen, die die Anzeig' oft verweigern.
Zwar mit Marksteinen ist des Weges Rand besetzt,
Doch merkt dein Rad sie nicht, bis es sich dran verletzt.
Ein hölzern Rösslein rennt auf endlos grünen Räumen,
Ihm wächst kein Hälmchen Gras, es wird nur satt von Schäumen.
An Wasser fehlt es nicht zur Rechten noch zur Linken,
Zum Trinken ist es nicht, es ist nur zum Ertrinken.
Du weißt nicht, ob der Weg wird steil seyn oder eben,
Da nach Gefallen er sich senken kann und heben.
Was hilfts, ausführlich dir das Fahrnis zu beschreiben?
Erfahr es selbst, wenn du nicht willst zu Hause bleiben.

So viele Schiffe ſchon gefahren dieſe Straſſen,
Hat keines hinter ſich ein Fahrgeleis gelaſſen.
Sie zogen eine Spur ſolang nur als ſie fuhren,
Und wer nach ihnen fuhr, zog wieder andre Spuren;
Die, wann er iſt vorbei, im Glatten wieder ſchwinden;
Und jedem ſteht es frei, ſtets eignen Weg zu finden.
Verſehn iſt dieſer Weg mit keinen Meilenzeigern,
Als nur mit Sternen, die die Anzeig' oft verweigern.
Zwar mit Markſteinen iſt des Weges Rand beſetzt,
Doch merkt dein Rad ſie nicht, bis es ſich dran verletzt.
Ein hoͤlzern Roͤſſlein rennt auf endlos gruͤnen Raͤumen,
Ihm waͤchſt kein Haͤlmchen Gras, es wird nur ſatt von Schaͤumen.
An Waſſer fehlt es nicht zur Rechten noch zur Linken,
Zum Trinken iſt es nicht, es iſt nur zum Ertrinken.
Du weißt nicht, ob der Weg wird ſteil ſeyn oder eben,
Da nach Gefallen er ſich ſenken kann und heben.
Was hilfts, ausfuͤhrlich dir das Fahrnis zu beſchreiben?
Erfahr es ſelbſt, wenn du nicht willſt zu Hauſe bleiben.

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[198/0208] So viele Schiffe ſchon gefahren dieſe Straſſen, Hat keines hinter ſich ein Fahrgeleis gelaſſen. Sie zogen eine Spur ſolang nur als ſie fuhren, Und wer nach ihnen fuhr, zog wieder andre Spuren; Die, wann er iſt vorbei, im Glatten wieder ſchwinden; Und jedem ſteht es frei, ſtets eignen Weg zu finden. Verſehn iſt dieſer Weg mit keinen Meilenzeigern, Als nur mit Sternen, die die Anzeig' oft verweigern. Zwar mit Markſteinen iſt des Weges Rand beſetzt, Doch merkt dein Rad ſie nicht, bis es ſich dran verletzt. Ein hoͤlzern Roͤſſlein rennt auf endlos gruͤnen Raͤumen, Ihm waͤchſt kein Haͤlmchen Gras, es wird nur ſatt von Schaͤumen. An Waſſer fehlt es nicht zur Rechten noch zur Linken, Zum Trinken iſt es nicht, es iſt nur zum Ertrinken. Du weißt nicht, ob der Weg wird ſteil ſeyn oder eben, Da nach Gefallen er ſich ſenken kann und heben. Was hilfts, ausfuͤhrlich dir das Fahrnis zu beſchreiben? Erfahr es ſelbſt, wenn du nicht willſt zu Hauſe bleiben.

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/208>, abgerufen am 25.04.2024.