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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.

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84.
Nur eine Liebe giebts auf Erden ohne Leid,
Weil ohne Eifersucht, weil ohne Groll und Neid,
Und ohne Eigennutz; weil, wer sie liebt auf Erden,
Für seine Liebe nicht geliebt will wieder werden.
Welch eine Lieb' ist das? zu welchem Liebesgut?
Zu einem, das der Geiz nicht nehmen kann in Hut.
Zu einem, das nicht wird durch kleinste Theilung kleiner,
Das tausend in Besitz ganz haben, ganz wie einer.
Die Lieb' ist es zu Gott, die keinen aus will schließen,
Vielmehr sich vielfach in Mitliebenden genießen.
Das ist die Liebe, die noch nicht das Volk gewann,
Das einen eignen Gott zu seinem Hort ersann.
Die hat auch nicht der Mann, der den zum allgemeinen
Gewordnen Hort der Welt neu machen will zum seinen.
Die Liebe hat nur, wer mit Liebesandacht sieht
Jedweden Liebenden, der vorm Geliebten kniet.
84.
Nur eine Liebe giebts auf Erden ohne Leid,
Weil ohne Eiferſucht, weil ohne Groll und Neid,
Und ohne Eigennutz; weil, wer ſie liebt auf Erden,
Fuͤr ſeine Liebe nicht geliebt will wieder werden.
Welch eine Lieb' iſt das? zu welchem Liebesgut?
Zu einem, das der Geiz nicht nehmen kann in Hut.
Zu einem, das nicht wird durch kleinſte Theilung kleiner,
Das tauſend in Beſitz ganz haben, ganz wie einer.
Die Lieb' iſt es zu Gott, die keinen aus will ſchließen,
Vielmehr ſich vielfach in Mitliebenden genießen.
Das iſt die Liebe, die noch nicht das Volk gewann,
Das einen eignen Gott zu ſeinem Hort erſann.
Die hat auch nicht der Mann, der den zum allgemeinen
Gewordnen Hort der Welt neu machen will zum ſeinen.
Die Liebe hat nur, wer mit Liebesandacht ſieht
Jedweden Liebenden, der vorm Geliebten kniet.
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[184/0194] 84. Nur eine Liebe giebts auf Erden ohne Leid, Weil ohne Eiferſucht, weil ohne Groll und Neid, Und ohne Eigennutz; weil, wer ſie liebt auf Erden, Fuͤr ſeine Liebe nicht geliebt will wieder werden. Welch eine Lieb' iſt das? zu welchem Liebesgut? Zu einem, das der Geiz nicht nehmen kann in Hut. Zu einem, das nicht wird durch kleinſte Theilung kleiner, Das tauſend in Beſitz ganz haben, ganz wie einer. Die Lieb' iſt es zu Gott, die keinen aus will ſchließen, Vielmehr ſich vielfach in Mitliebenden genießen. Das iſt die Liebe, die noch nicht das Volk gewann, Das einen eignen Gott zu ſeinem Hort erſann. Die hat auch nicht der Mann, der den zum allgemeinen Gewordnen Hort der Welt neu machen will zum ſeinen. Die Liebe hat nur, wer mit Liebesandacht ſieht Jedweden Liebenden, der vorm Geliebten kniet.

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/194>, abgerufen am 28.03.2024.