Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
102.
Solang du jung bist, mag es dir villeicht behagen,
Um eines Hauptes Läng' ob andern aufzuragen.
Doch wenn du älter wirst, dein Auge blöd' und schwach,
Erscheint der Vorzug dir villeicht als Ungemach.
Denn nicht den Sternen wirst du darum näher gehn,
Doch minder deutlich wol am Weg die Gräser sehn.
Dann um so tiefer wird dein Haupt sich auf die Brust
Absenken, um zu sehn der Erde grüne Lust;
Wie jeder Greis es senkt, um noch einmal zu grüßen
Die Blumen, die nun bald das Grab ihm hüten müßen.

102.
Solang du jung biſt, mag es dir villeicht behagen,
Um eines Hauptes Laͤng' ob andern aufzuragen.
Doch wenn du aͤlter wirſt, dein Auge bloͤd' und ſchwach,
Erſcheint der Vorzug dir villeicht als Ungemach.
Denn nicht den Sternen wirſt du darum naͤher gehn,
Doch minder deutlich wol am Weg die Graͤſer ſehn.
Dann um ſo tiefer wird dein Haupt ſich auf die Bruſt
Abſenken, um zu ſehn der Erde gruͤne Luſt;
Wie jeder Greis es ſenkt, um noch einmal zu gruͤßen
Die Blumen, die nun bald das Grab ihm huͤten muͤßen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0211" n="201"/>
        <div n="2">
          <head>102.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Solang du jung bi&#x017F;t, mag es dir villeicht behagen,</l><lb/>
              <l>Um eines Hauptes La&#x0364;ng' ob andern aufzuragen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Doch wenn du a&#x0364;lter wir&#x017F;t, dein Auge blo&#x0364;d' und &#x017F;chwach,</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;cheint der Vorzug dir villeicht als Ungemach.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Denn nicht den Sternen wir&#x017F;t du darum na&#x0364;her gehn,</l><lb/>
              <l>Doch minder deutlich wol am Weg die Gra&#x0364;&#x017F;er &#x017F;ehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Dann um &#x017F;o tiefer wird dein Haupt &#x017F;ich auf die Bru&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Ab&#x017F;enken, um zu &#x017F;ehn der Erde gru&#x0364;ne Lu&#x017F;t;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Wie jeder Greis es &#x017F;enkt, um noch einmal zu gru&#x0364;ßen</l><lb/>
              <l>Die Blumen, die nun bald das Grab ihm hu&#x0364;ten mu&#x0364;ßen.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0211] 102. Solang du jung biſt, mag es dir villeicht behagen, Um eines Hauptes Laͤng' ob andern aufzuragen. Doch wenn du aͤlter wirſt, dein Auge bloͤd' und ſchwach, Erſcheint der Vorzug dir villeicht als Ungemach. Denn nicht den Sternen wirſt du darum naͤher gehn, Doch minder deutlich wol am Weg die Graͤſer ſehn. Dann um ſo tiefer wird dein Haupt ſich auf die Bruſt Abſenken, um zu ſehn der Erde gruͤne Luſt; Wie jeder Greis es ſenkt, um noch einmal zu gruͤßen Die Blumen, die nun bald das Grab ihm huͤten muͤßen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/211
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/211>, abgerufen am 23.04.2024.