Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
26.
Nimm, Brahma's Jünger, was ich vom Araber nahm;
Sieh auf den Kern, und übersieh den Wortspielkram!
Dein Bruder, o mein Sohn, ist auch der Muselman;
Von ihm auch lerne gern, was er dich lehren kan.
Arabersprichwort sagt: dir hilft in der Gefahr
Ein Bruder oft, den nicht die Mutter dir gebar.
Verwandtschaft kann, mein Sohn, der Liebe nicht mit Ehren,
Doch der Verwandtschaft kann die Liebe wohl entbehren.
Wer für mein Bestes sich mit Rath und That verwandt,
Nur der Verwandte ist mir in der That verwandt.
Wer für mein Bestes selbst hat Gut und Blut verwandt,
Wie fremd er sei, der ist mir wahrhaft blutverwandt.
Nicht der so lieber selbst sein letztes Blut verwendet,
Daß Blutverwandten er ihr letztes Gut entwendet.
Der ist alswie ein Wolf, der nicht kann Blut entdecken
Am wunden Bruder, ohn' es gierig selbst zu lecken.
26.
Nimm, Brahma's Juͤnger, was ich vom Araber nahm;
Sieh auf den Kern, und uͤberſieh den Wortſpielkram!
Dein Bruder, o mein Sohn, iſt auch der Muſelman;
Von ihm auch lerne gern, was er dich lehren kan.
Araberſprichwort ſagt: dir hilft in der Gefahr
Ein Bruder oft, den nicht die Mutter dir gebar.
Verwandtſchaft kann, mein Sohn, der Liebe nicht mit Ehren,
Doch der Verwandtſchaft kann die Liebe wohl entbehren.
Wer fuͤr mein Beſtes ſich mit Rath und That verwandt,
Nur der Verwandte iſt mir in der That verwandt.
Wer fuͤr mein Beſtes ſelbſt hat Gut und Blut verwandt,
Wie fremd er ſei, der iſt mir wahrhaft blutverwandt.
Nicht der ſo lieber ſelbſt ſein letztes Blut verwendet,
Daß Blutverwandten er ihr letztes Gut entwendet.
Der iſt alswie ein Wolf, der nicht kann Blut entdecken
Am wunden Bruder, ohn' es gierig ſelbſt zu lecken.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0034" n="24"/>
        <div n="2">
          <head>26.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Nimm, Brahma's Ju&#x0364;nger, was ich vom Araber nahm;</l><lb/>
              <l>Sieh auf den Kern, und u&#x0364;ber&#x017F;ieh den Wort&#x017F;pielkram!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Dein Bruder, o mein Sohn, i&#x017F;t auch der Mu&#x017F;elman;</l><lb/>
              <l>Von ihm auch lerne gern, was er dich lehren kan.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Araber&#x017F;prichwort &#x017F;agt: dir hilft in der Gefahr</l><lb/>
              <l>Ein Bruder oft, den nicht die Mutter dir gebar.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Verwandt&#x017F;chaft kann, mein Sohn, der Liebe nicht mit Ehren,</l><lb/>
              <l>Doch der Verwandt&#x017F;chaft kann die Liebe wohl entbehren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Wer fu&#x0364;r mein Be&#x017F;tes &#x017F;ich mit Rath und That verwandt,</l><lb/>
              <l>Nur der Verwandte i&#x017F;t mir in der That verwandt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Wer fu&#x0364;r mein Be&#x017F;tes &#x017F;elb&#x017F;t hat Gut und Blut verwandt,</l><lb/>
              <l>Wie fremd er &#x017F;ei, der i&#x017F;t mir wahrhaft blutverwandt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Nicht der &#x017F;o lieber &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ein letztes Blut verwendet,</l><lb/>
              <l>Daß Blutverwandten er ihr letztes Gut entwendet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Der i&#x017F;t alswie ein Wolf, der nicht kann Blut entdecken</l><lb/>
              <l>Am wunden Bruder, ohn' es gierig &#x017F;elb&#x017F;t zu lecken.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0034] 26. Nimm, Brahma's Juͤnger, was ich vom Araber nahm; Sieh auf den Kern, und uͤberſieh den Wortſpielkram! Dein Bruder, o mein Sohn, iſt auch der Muſelman; Von ihm auch lerne gern, was er dich lehren kan. Araberſprichwort ſagt: dir hilft in der Gefahr Ein Bruder oft, den nicht die Mutter dir gebar. Verwandtſchaft kann, mein Sohn, der Liebe nicht mit Ehren, Doch der Verwandtſchaft kann die Liebe wohl entbehren. Wer fuͤr mein Beſtes ſich mit Rath und That verwandt, Nur der Verwandte iſt mir in der That verwandt. Wer fuͤr mein Beſtes ſelbſt hat Gut und Blut verwandt, Wie fremd er ſei, der iſt mir wahrhaft blutverwandt. Nicht der ſo lieber ſelbſt ſein letztes Blut verwendet, Daß Blutverwandten er ihr letztes Gut entwendet. Der iſt alswie ein Wolf, der nicht kann Blut entdecken Am wunden Bruder, ohn' es gierig ſelbſt zu lecken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/34
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/34>, abgerufen am 29.03.2024.