Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Meßschnur ward auf ein erobert Land gezückt,
Und stellte Grenzen her, wenn sie der Strom verrückt.
Zuletzt ward sie auf Erd' und Himmel ausgedehnt,
Wo Unermeßliches der Geist zu messen wähnt.

57.
Die Freiheit ist im Kampf mit der Nothwendigkeit;
Geendet nicht, doch schon entschieden ist der Streit.
Denn nie wird die Natur mehr stärker als sie war,
Doch stärker ward der Mensch und wird es immerdar.
Noch braucht wie sonst der Aar Klau, Schnabel, Flügelschlag,
Doch Waffen tauscht der Mensch und wechselt, wie er mag.
Noch ist des Löwen Kraft in Rachen, Tatz' und Schweif,
Doch neue Wissenschaft wird stets im Menschen reif.
Und so bleibt die Natur wie Adler selbst und Leue
Die alte, doch der Mensch der immer jung' und neue.
Und immer mehr und mehr wird er Sieg abgewinnen
Der Widersacherinn, die ihm nicht kann entrinnen.

Die Meßſchnur ward auf ein erobert Land gezuͤckt,
Und ſtellte Grenzen her, wenn ſie der Strom verruͤckt.
Zuletzt ward ſie auf Erd' und Himmel ausgedehnt,
Wo Unermeßliches der Geiſt zu meſſen waͤhnt.

57.
Die Freiheit iſt im Kampf mit der Nothwendigkeit;
Geendet nicht, doch ſchon entſchieden iſt der Streit.
Denn nie wird die Natur mehr ſtaͤrker als ſie war,
Doch ſtaͤrker ward der Menſch und wird es immerdar.
Noch braucht wie ſonſt der Aar Klau, Schnabel, Fluͤgelſchlag,
Doch Waffen tauſcht der Menſch und wechſelt, wie er mag.
Noch iſt des Loͤwen Kraft in Rachen, Tatz' und Schweif,
Doch neue Wiſſenſchaft wird ſtets im Menſchen reif.
Und ſo bleibt die Natur wie Adler ſelbſt und Leue
Die alte, doch der Menſch der immer jung' und neue.
Und immer mehr und mehr wird er Sieg abgewinnen
Der Widerſacherinn, die ihm nicht kann entrinnen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <l>
              <pb facs="#f0225" n="215"/>
            </l>
            <lg n="6">
              <l>Die Meß&#x017F;chnur ward auf ein erobert Land gezu&#x0364;ckt,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;tellte Grenzen her, wenn &#x017F;ie der Strom verru&#x0364;ckt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Zuletzt ward &#x017F;ie auf Erd' und Himmel ausgedehnt,</l><lb/>
              <l>Wo Unermeßliches der Gei&#x017F;t zu me&#x017F;&#x017F;en wa&#x0364;hnt.</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>57.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l/>
            <lg n="1">
              <l>Die Freiheit i&#x017F;t im Kampf mit der Nothwendigkeit;</l><lb/>
              <l>Geendet nicht, doch &#x017F;chon ent&#x017F;chieden i&#x017F;t der Streit.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Denn nie wird die Natur mehr &#x017F;ta&#x0364;rker als &#x017F;ie war,</l><lb/>
              <l>Doch &#x017F;ta&#x0364;rker ward der Men&#x017F;ch und wird es immerdar.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Noch braucht wie &#x017F;on&#x017F;t der Aar Klau, Schnabel, Flu&#x0364;gel&#x017F;chlag,</l><lb/>
              <l>Doch Waffen tau&#x017F;cht der Men&#x017F;ch und wech&#x017F;elt, wie er mag.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Noch i&#x017F;t des Lo&#x0364;wen Kraft in Rachen, Tatz' und Schweif,</l><lb/>
              <l>Doch neue Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft wird &#x017F;tets im Men&#x017F;chen reif.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Und &#x017F;o bleibt die Natur wie Adler &#x017F;elb&#x017F;t und Leue</l><lb/>
              <l>Die alte, doch der Men&#x017F;ch der immer jung' und neue.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Und immer mehr und mehr wird er Sieg abgewinnen</l><lb/>
              <l>Der Wider&#x017F;acherinn, die ihm nicht kann entrinnen.</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0225] Die Meßſchnur ward auf ein erobert Land gezuͤckt, Und ſtellte Grenzen her, wenn ſie der Strom verruͤckt. Zuletzt ward ſie auf Erd' und Himmel ausgedehnt, Wo Unermeßliches der Geiſt zu meſſen waͤhnt. 57. Die Freiheit iſt im Kampf mit der Nothwendigkeit; Geendet nicht, doch ſchon entſchieden iſt der Streit. Denn nie wird die Natur mehr ſtaͤrker als ſie war, Doch ſtaͤrker ward der Menſch und wird es immerdar. Noch braucht wie ſonſt der Aar Klau, Schnabel, Fluͤgelſchlag, Doch Waffen tauſcht der Menſch und wechſelt, wie er mag. Noch iſt des Loͤwen Kraft in Rachen, Tatz' und Schweif, Doch neue Wiſſenſchaft wird ſtets im Menſchen reif. Und ſo bleibt die Natur wie Adler ſelbſt und Leue Die alte, doch der Menſch der immer jung' und neue. Und immer mehr und mehr wird er Sieg abgewinnen Der Widerſacherinn, die ihm nicht kann entrinnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/225
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane06_1839/225>, abgerufen am 29.03.2024.