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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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sich selbst überträgt, ward jene weitbekannte, welche antike
und moderne, hellenische und romantische, oder, wie man auch
wohl sagt, heidnische und christliche Kunst im schärfsten Ge-
gensatze denkt, eine längere Zeit hindurch überall mit besonde-
rer Gunst aufgenommen. Dieser Gegensatz betrifft indeß, in
so fern er begründet ist, nur etwa die Wendung und Bezie-
hung, nimmer das ganze Wesen der Kunst, welches überall
nur Eines ist. Und, wenn es Niemand befremdet, Niemand
neu ist, daß die geschichtlichen Urkunden, die geheime, wie die
practische Weisheit der neuen Weltreligion in den Begriffen
und Redeformen der classischen Sprachen niedergelegt worden,
so wird es keinen Anstoß geben können, wenn ich behaupte,
daß nicht minder auch die frühesten Versuche einer bildnerisch-
malerischen Darstellung christlicher Ideen nicht in eigenen und
durchaus neuen, vielmehr eine längere Zeit hindurch eben nur
in den überlieferten Kunstformen des Alterthumes sich beweg-
ten, im Style nemlich und in der Technik des Alterthumes;
die darstellenden Formen verändern sich voraussetzlich nach den
Forderungen des Gegenstandes.

Diese allgemeineren Kunstformen waren allerdings den
griechischen, wie den römischen Künstlern schon längst minder
geläufig worden, als Umstände zuerst gestatteten, sie mit ei-
nigem Aufwand an Kosten und Arbeit auf christliche Gegen-
stände zu verwenden. Unsere ältesten Denkmale christlicher
Kunst gehören, wenn wir Zweifelhaftes an die Seite stellen,
dem vierten Jahrhundert nach Christus *). Schon gegen

*) Cicognara (storia x. T. 1. c. VI), welcher diesen Gegen-
stand, dürftig genug, nach Collectaneen, ohne eigene, oder doch
ohne deutliche Anschauung, abhandelt, nimmt etwas zu rund an,

ſich ſelbſt uͤbertraͤgt, ward jene weitbekannte, welche antike
und moderne, helleniſche und romantiſche, oder, wie man auch
wohl ſagt, heidniſche und chriſtliche Kunſt im ſchaͤrfſten Ge-
genſatze denkt, eine laͤngere Zeit hindurch uͤberall mit beſonde-
rer Gunſt aufgenommen. Dieſer Gegenſatz betrifft indeß, in
ſo fern er begruͤndet iſt, nur etwa die Wendung und Bezie-
hung, nimmer das ganze Weſen der Kunſt, welches uͤberall
nur Eines iſt. Und, wenn es Niemand befremdet, Niemand
neu iſt, daß die geſchichtlichen Urkunden, die geheime, wie die
practiſche Weisheit der neuen Weltreligion in den Begriffen
und Redeformen der claſſiſchen Sprachen niedergelegt worden,
ſo wird es keinen Anſtoß geben koͤnnen, wenn ich behaupte,
daß nicht minder auch die fruͤheſten Verſuche einer bildneriſch-
maleriſchen Darſtellung chriſtlicher Ideen nicht in eigenen und
durchaus neuen, vielmehr eine laͤngere Zeit hindurch eben nur
in den uͤberlieferten Kunſtformen des Alterthumes ſich beweg-
ten, im Style nemlich und in der Technik des Alterthumes;
die darſtellenden Formen veraͤndern ſich vorausſetzlich nach den
Forderungen des Gegenſtandes.

Dieſe allgemeineren Kunſtformen waren allerdings den
griechiſchen, wie den roͤmiſchen Kuͤnſtlern ſchon laͤngſt minder
gelaͤufig worden, als Umſtaͤnde zuerſt geſtatteten, ſie mit ei-
nigem Aufwand an Koſten und Arbeit auf chriſtliche Gegen-
ſtaͤnde zu verwenden. Unſere aͤlteſten Denkmale chriſtlicher
Kunſt gehoͤren, wenn wir Zweifelhaftes an die Seite ſtellen,
dem vierten Jahrhundert nach Chriſtus *). Schon gegen

*) Cicognara (storia x. T. 1. c. VI), welcher dieſen Gegen-
ſtand, duͤrftig genug, nach Collectaneen, ohne eigene, oder doch
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[158/0176] ſich ſelbſt uͤbertraͤgt, ward jene weitbekannte, welche antike und moderne, helleniſche und romantiſche, oder, wie man auch wohl ſagt, heidniſche und chriſtliche Kunſt im ſchaͤrfſten Ge- genſatze denkt, eine laͤngere Zeit hindurch uͤberall mit beſonde- rer Gunſt aufgenommen. Dieſer Gegenſatz betrifft indeß, in ſo fern er begruͤndet iſt, nur etwa die Wendung und Bezie- hung, nimmer das ganze Weſen der Kunſt, welches uͤberall nur Eines iſt. Und, wenn es Niemand befremdet, Niemand neu iſt, daß die geſchichtlichen Urkunden, die geheime, wie die practiſche Weisheit der neuen Weltreligion in den Begriffen und Redeformen der claſſiſchen Sprachen niedergelegt worden, ſo wird es keinen Anſtoß geben koͤnnen, wenn ich behaupte, daß nicht minder auch die fruͤheſten Verſuche einer bildneriſch- maleriſchen Darſtellung chriſtlicher Ideen nicht in eigenen und durchaus neuen, vielmehr eine laͤngere Zeit hindurch eben nur in den uͤberlieferten Kunſtformen des Alterthumes ſich beweg- ten, im Style nemlich und in der Technik des Alterthumes; die darſtellenden Formen veraͤndern ſich vorausſetzlich nach den Forderungen des Gegenſtandes. Dieſe allgemeineren Kunſtformen waren allerdings den griechiſchen, wie den roͤmiſchen Kuͤnſtlern ſchon laͤngſt minder gelaͤufig worden, als Umſtaͤnde zuerſt geſtatteten, ſie mit ei- nigem Aufwand an Koſten und Arbeit auf chriſtliche Gegen- ſtaͤnde zu verwenden. Unſere aͤlteſten Denkmale chriſtlicher Kunſt gehoͤren, wenn wir Zweifelhaftes an die Seite ſtellen, dem vierten Jahrhundert nach Chriſtus *). Schon gegen *) Cicognara (storia x. T. 1. c. VI), welcher dieſen Gegen- ſtand, duͤrftig genug, nach Collectaneen, ohne eigene, oder doch ohne deutliche Anſchauung, abhandelt, nimmt etwas zu rund an,

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/176>, abgerufen am 16.04.2024.