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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Bauart der in Italien angesiedelten Ost-
gothen.

In unseren Zeiten darf es wohl kaum noch in Frage
kommen, ob die Gothen in der Baukunst Erfinder gewesen,
oder nur genutzt haben, was sie an römischen Kunstfertigkei-
ten in Italien vorfanden. Denn es ist Niemand in Dingen
der Kunst und ihrer Geschichte so unerfahren, nicht zu wis-
sen, daß die germanischen, daß die nördlichen Völker über-
haupt, ehe sie mit den römischen Künsten bekannt geworden,
nirgend aus dauerhaften Stoffen gebaut haben, *) daß an-
dererseits die Denkmale **) der gothischen Herrschaft über

*) "Die aneinander gelehnten Steinsparren in den Höhlungen
alter Gräber (worüber Costenoble Abschn. 3. §. 14.), die seltsamen und
räthselhaften Erscheinungen zu Stonehenge in England, das sog. Lager
des Attila im Elsaß verrathen allerdings Tendenzen entgegengesetzter
Art, welche den ältesten griech. Constructionen sich entfernt anzunähern
scheinen. Doch wissen wir nicht, welchem Volke sie angehören, hin-
gegen, daß diese kunstlosen Versuche ohne Folgen geblieben sind."
**) S. bey den Topographen von Ravenna Theodorichs Grab-
mal, die arianische Taufkappelle und s. Vitale. Ueber die Zahl und
Erheblichkeit ähnlicher goth. Gebäude, Agnellus (bey Murat. scr. T. II.),
im Leben des heil. Agnellus. -- Den Palast Theodorichs aus einem
mus. Gemälde in S. Apollinare, auf dem Titelblatte der Urkunden-
sammlung des Fantuzzi (mon. Rav. T. I.). In Ermangelung d. W.
s. d'Agincourt. -- Von der Archit. d. Westgothen meldet La Borde,
Alex. voy. pitt. en Espagne, introduction, p. 44. "L'architecture des
premiers Goths ressembloit a celle des Romains; elle etoit seule-
ment d'un goaut moins pur et generalement plus massive
. -- Ueber
die Bauart der Westgothen in Frankreich s. oben Abth. V. die An-
merkungen.
Bauart der in Italien angeſiedelten Oſt-
gothen.

In unſeren Zeiten darf es wohl kaum noch in Frage
kommen, ob die Gothen in der Baukunſt Erfinder geweſen,
oder nur genutzt haben, was ſie an roͤmiſchen Kunſtfertigkei-
ten in Italien vorfanden. Denn es iſt Niemand in Dingen
der Kunſt und ihrer Geſchichte ſo unerfahren, nicht zu wiſ-
ſen, daß die germaniſchen, daß die noͤrdlichen Voͤlker uͤber-
haupt, ehe ſie mit den roͤmiſchen Kuͤnſten bekannt geworden,
nirgend aus dauerhaften Stoffen gebaut haben, *) daß an-
dererſeits die Denkmale **) der gothiſchen Herrſchaft uͤber

*) „Die aneinander gelehnten Steinſparren in den Höhlungen
alter Gräber (worüber Coſtenoble Abſchn. 3. §. 14.), die ſeltſamen und
räthſelhaften Erſcheinungen zu Stonehenge in England, das ſog. Lager
des Attila im Elſaß verrathen allerdings Tendenzen entgegengeſetzter
Art, welche den älteſten griech. Conſtructionen ſich entfernt anzunähern
ſcheinen. Doch wiſſen wir nicht, welchem Volke ſie angehören, hin-
gegen, daß dieſe kunſtloſen Verſuche ohne Folgen geblieben ſind.“
**) S. bey den Topographen von Ravenna Theodorichs Grab-
mal, die arianiſche Taufkappelle und ſ. Vitale. Ueber die Zahl und
Erheblichkeit ähnlicher goth. Gebäude, Agnellus (bey Murat. scr. T. II.),
im Leben des heil. Agnellus. — Den Palaſt Theodorichs aus einem
muſ. Gemälde in S. Apollinare, auf dem Titelblatte der Urkunden-
ſammlung des Fantuzzi (mon. Rav. T. I.). In Ermangelung d. W.
ſ. d’Agincourt. — Von der Archit. d. Weſtgothen meldet La Borde,
Alex. voy. pitt. en Espagne, introduction, p. 44. „L’architecture des
premiers Goths ressembloit à celle des Romains; elle étoit seule-
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[165/0187] Bauart der in Italien angeſiedelten Oſt- gothen. In unſeren Zeiten darf es wohl kaum noch in Frage kommen, ob die Gothen in der Baukunſt Erfinder geweſen, oder nur genutzt haben, was ſie an roͤmiſchen Kunſtfertigkei- ten in Italien vorfanden. Denn es iſt Niemand in Dingen der Kunſt und ihrer Geſchichte ſo unerfahren, nicht zu wiſ- ſen, daß die germaniſchen, daß die noͤrdlichen Voͤlker uͤber- haupt, ehe ſie mit den roͤmiſchen Kuͤnſten bekannt geworden, nirgend aus dauerhaften Stoffen gebaut haben, *) daß an- dererſeits die Denkmale **) der gothiſchen Herrſchaft uͤber *) „Die aneinander gelehnten Steinſparren in den Höhlungen alter Gräber (worüber Coſtenoble Abſchn. 3. §. 14.), die ſeltſamen und räthſelhaften Erſcheinungen zu Stonehenge in England, das ſog. Lager des Attila im Elſaß verrathen allerdings Tendenzen entgegengeſetzter Art, welche den älteſten griech. Conſtructionen ſich entfernt anzunähern ſcheinen. Doch wiſſen wir nicht, welchem Volke ſie angehören, hin- gegen, daß dieſe kunſtloſen Verſuche ohne Folgen geblieben ſind.“ **) S. bey den Topographen von Ravenna Theodorichs Grab- mal, die arianiſche Taufkappelle und ſ. Vitale. Ueber die Zahl und Erheblichkeit ähnlicher goth. Gebäude, Agnellus (bey Murat. scr. T. II.), im Leben des heil. Agnellus. — Den Palaſt Theodorichs aus einem muſ. Gemälde in S. Apollinare, auf dem Titelblatte der Urkunden- ſammlung des Fantuzzi (mon. Rav. T. I.). In Ermangelung d. W. ſ. d’Agincourt. — Von der Archit. d. Weſtgothen meldet La Borde, Alex. voy. pitt. en Espagne, introduction, p. 44. „L’architecture des premiers Goths ressembloit à celle des Romains; elle étoit seule- ment d’un goût moins pur et généralement plus massive. — Ueber die Bauart der Weſtgothen in Frankreich ſ. oben Abth. V. die An- merkungen.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/187>, abgerufen am 29.03.2024.