Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

chus, deren Titel die heutigen Griechen noch festhalten, ob-
gleich sie, indem die Türken ihrer sich bemächtigt haben, längst
aufgehört eine christliche Kirche zu seyn. Sie ist ins Runde
gebaut; ihre Kuppel von Backsteinen ruht auf acht Pfeilern
(ob ein Octogon?). Im Innern (schließe ich aus dem Fol-
genden) sind an den Pfeilern zwey Reihen ionischer Säulen
vertheilt; die untere besteht aus sechzehn Säulen, welche auf
dem Fußboden ruhen (etwa, keinen Sockel, kein Basament
haben?); die obere Reihe besteht aus zweyundzwanzig Säu-
len." Hierauf beschreibt er die Kapitäle beider, der unteren
wie der oberen Ordnung; doch verstehe ich aus seinen An-
gaben nur so viel, daß die obere Reihe von der unteren ver-
schieden und nicht, wie Gyllius sagt, von ionischer, sondern
von frey componirter Ordnung war. *) So ungenügend die
Beschreibung ist, so läßt sie immer doch so viel errathen, daß
jenes Gebäude den römischen und ravennatischen des fünften
Jahrhunderts der Anlage nach gleicht.

Bis dahin also war im östlichen Reiche, wie mit Sicher-
heit sich behaupten läßt, die Bauart derjenigen ähnlich, welche
aus den römischen und ravennatischen Denkmalen des vierten

*) Ders. das. -- "capitula inferiorum (columnarum) echinos ha-
bent circumdantes imam partem; reliqua pars est tota vestita fo-
liis
. Superiorum volutae ex quatuor angulis capitulorum eminent,
echini vero ex latere prominent; reliqua pars folia egregie expressa
continet."
-- Die Urkunde des Baues, eine Inschrift im umlaufenden
Friese der unteren Säulenstellung, findet sich bei Du Cange, Constan-
tinopolis Christiana lib. IV.
-- Bey Ritter, Erdbeschreibung, Thl. I.
der zweyten Ausg. S. 873. hält ein Reisender einige Trümmer unweit
Abussyr in Unterägypten für Ueberreste der Bauwerke, durch welche
Justinian (nach Procop) die Stadt Taphosiris geschmückt hat; was mir
indeß gewagt scheint, wenn sie wirklich "dorische Säulenreste" enthalten
sollten, wie gesagt wird.

chus, deren Titel die heutigen Griechen noch feſthalten, ob-
gleich ſie, indem die Tuͤrken ihrer ſich bemaͤchtigt haben, laͤngſt
aufgehoͤrt eine chriſtliche Kirche zu ſeyn. Sie iſt ins Runde
gebaut; ihre Kuppel von Backſteinen ruht auf acht Pfeilern
(ob ein Octogon?). Im Innern (ſchließe ich aus dem Fol-
genden) ſind an den Pfeilern zwey Reihen ioniſcher Saͤulen
vertheilt; die untere beſteht aus ſechzehn Saͤulen, welche auf
dem Fußboden ruhen (etwa, keinen Sockel, kein Baſament
haben?); die obere Reihe beſteht aus zweyundzwanzig Saͤu-
len.“ Hierauf beſchreibt er die Kapitaͤle beider, der unteren
wie der oberen Ordnung; doch verſtehe ich aus ſeinen An-
gaben nur ſo viel, daß die obere Reihe von der unteren ver-
ſchieden und nicht, wie Gyllius ſagt, von ioniſcher, ſondern
von frey componirter Ordnung war. *) So ungenuͤgend die
Beſchreibung iſt, ſo laͤßt ſie immer doch ſo viel errathen, daß
jenes Gebaͤude den roͤmiſchen und ravennatiſchen des fuͤnften
Jahrhunderts der Anlage nach gleicht.

Bis dahin alſo war im oͤſtlichen Reiche, wie mit Sicher-
heit ſich behaupten laͤßt, die Bauart derjenigen aͤhnlich, welche
aus den roͤmiſchen und ravennatiſchen Denkmalen des vierten

*) Derſ. daſ. — „capitula inferiorum (columnarum) echinos ha-
bent circumdantes imam partem; reliqua pars est tota vestita fo-
liis
. Superiorum volutae ex quatuor angulis capitulorum eminent,
echini vero ex latere prominent; reliqua pars folia egregie expressa
continet.“
— Die Urkunde des Baues, eine Inſchrift im umlaufenden
Frieſe der unteren Säulenſtellung, findet ſich bei Du Cange, Constan-
tinopolis Christiana lib. IV.
— Bey Ritter, Erdbeſchreibung, Thl. I.
der zweyten Ausg. S. 873. hält ein Reiſender einige Trümmer unweit
Abuſſyr in Unterägypten für Ueberreſte der Bauwerke, durch welche
Juſtinian (nach Procop) die Stadt Taphoſiris geſchmückt hat; was mir
indeß gewagt ſcheint, wenn ſie wirklich „doriſche Säulenreſte“ enthalten
ſollten, wie geſagt wird.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0212" n="190"/>
chus, deren Titel die heutigen Griechen noch fe&#x017F;thalten, ob-<lb/>
gleich &#x017F;ie, indem die Tu&#x0364;rken ihrer &#x017F;ich bema&#x0364;chtigt haben, la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
aufgeho&#x0364;rt eine chri&#x017F;tliche Kirche zu &#x017F;eyn. Sie i&#x017F;t ins Runde<lb/>
gebaut; ihre Kuppel von Back&#x017F;teinen ruht auf acht Pfeilern<lb/>
(ob ein Octogon?). Im Innern (&#x017F;chließe ich aus dem Fol-<lb/>
genden) &#x017F;ind an den Pfeilern zwey Reihen ioni&#x017F;cher Sa&#x0364;ulen<lb/>
vertheilt; die untere be&#x017F;teht aus &#x017F;echzehn Sa&#x0364;ulen, welche auf<lb/>
dem Fußboden ruhen (etwa, keinen Sockel, kein Ba&#x017F;ament<lb/>
haben?); die obere Reihe be&#x017F;teht aus zweyundzwanzig Sa&#x0364;u-<lb/>
len.&#x201C; Hierauf be&#x017F;chreibt er die Kapita&#x0364;le beider, der unteren<lb/>
wie der oberen Ordnung; doch ver&#x017F;tehe ich aus &#x017F;einen An-<lb/>
gaben nur &#x017F;o viel, daß die obere Reihe von der unteren ver-<lb/>
&#x017F;chieden und nicht, wie <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100967310">Gyllius</persName> &#x017F;agt, von ioni&#x017F;cher, &#x017F;ondern<lb/>
von frey componirter Ordnung war. <note place="foot" n="*)">Der&#x017F;. da&#x017F;. &#x2014; <hi rendition="#aq">&#x201E;capitula inferiorum (columnarum) echinos ha-<lb/>
bent circumdantes imam partem; reliqua pars est <hi rendition="#g">tota vestita fo-<lb/>
liis</hi>. Superiorum volutae ex quatuor angulis capitulorum eminent,<lb/>
echini vero ex latere prominent; reliqua pars folia egregie expressa<lb/>
continet.&#x201C;</hi> &#x2014; Die Urkunde des Baues, eine In&#x017F;chrift im umlaufenden<lb/>
Frie&#x017F;e der unteren Säulen&#x017F;tellung, findet &#x017F;ich bei <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116231882">Du Cange</persName>, Constan-<lb/>
tinopolis Christiana lib. IV.</hi> &#x2014; Bey <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11860130X">Ritter</persName>, Erdbe&#x017F;chreibung, Thl. <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
der zweyten Ausg. S. 873. hält ein Rei&#x017F;ender einige Trümmer unweit<lb/><placeName>Abu&#x017F;&#x017F;yr</placeName> in <placeName>Unterägypten</placeName> für Ueberre&#x017F;te der Bauwerke, durch welche<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11855896X">Ju&#x017F;tinian</persName> (nach <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118741985">Procop</persName>) die Stadt <placeName>Tapho&#x017F;iris</placeName> ge&#x017F;chmückt hat; was mir<lb/>
indeß gewagt &#x017F;cheint, wenn &#x017F;ie wirklich &#x201E;dori&#x017F;che Säulenre&#x017F;te&#x201C; enthalten<lb/>
&#x017F;ollten, wie ge&#x017F;agt wird.</note> So ungenu&#x0364;gend die<lb/>
Be&#x017F;chreibung i&#x017F;t, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ie immer doch &#x017F;o viel errathen, daß<lb/>
jenes Geba&#x0364;ude den ro&#x0364;mi&#x017F;chen und ravennati&#x017F;chen des fu&#x0364;nften<lb/>
Jahrhunderts der Anlage nach gleicht.</p><lb/>
          <p>Bis dahin al&#x017F;o war im o&#x0364;&#x017F;tlichen Reiche, wie mit Sicher-<lb/>
heit &#x017F;ich behaupten la&#x0364;ßt, die Bauart derjenigen a&#x0364;hnlich, welche<lb/>
aus den ro&#x0364;mi&#x017F;chen und ravennati&#x017F;chen Denkmalen des vierten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0212] chus, deren Titel die heutigen Griechen noch feſthalten, ob- gleich ſie, indem die Tuͤrken ihrer ſich bemaͤchtigt haben, laͤngſt aufgehoͤrt eine chriſtliche Kirche zu ſeyn. Sie iſt ins Runde gebaut; ihre Kuppel von Backſteinen ruht auf acht Pfeilern (ob ein Octogon?). Im Innern (ſchließe ich aus dem Fol- genden) ſind an den Pfeilern zwey Reihen ioniſcher Saͤulen vertheilt; die untere beſteht aus ſechzehn Saͤulen, welche auf dem Fußboden ruhen (etwa, keinen Sockel, kein Baſament haben?); die obere Reihe beſteht aus zweyundzwanzig Saͤu- len.“ Hierauf beſchreibt er die Kapitaͤle beider, der unteren wie der oberen Ordnung; doch verſtehe ich aus ſeinen An- gaben nur ſo viel, daß die obere Reihe von der unteren ver- ſchieden und nicht, wie Gyllius ſagt, von ioniſcher, ſondern von frey componirter Ordnung war. *) So ungenuͤgend die Beſchreibung iſt, ſo laͤßt ſie immer doch ſo viel errathen, daß jenes Gebaͤude den roͤmiſchen und ravennatiſchen des fuͤnften Jahrhunderts der Anlage nach gleicht. Bis dahin alſo war im oͤſtlichen Reiche, wie mit Sicher- heit ſich behaupten laͤßt, die Bauart derjenigen aͤhnlich, welche aus den roͤmiſchen und ravennatiſchen Denkmalen des vierten *) Derſ. daſ. — „capitula inferiorum (columnarum) echinos ha- bent circumdantes imam partem; reliqua pars est tota vestita fo- liis. Superiorum volutae ex quatuor angulis capitulorum eminent, echini vero ex latere prominent; reliqua pars folia egregie expressa continet.“ — Die Urkunde des Baues, eine Inſchrift im umlaufenden Frieſe der unteren Säulenſtellung, findet ſich bei Du Cange, Constan- tinopolis Christiana lib. IV. — Bey Ritter, Erdbeſchreibung, Thl. I. der zweyten Ausg. S. 873. hält ein Reiſender einige Trümmer unweit Abuſſyr in Unterägypten für Ueberreſte der Bauwerke, durch welche Juſtinian (nach Procop) die Stadt Taphoſiris geſchmückt hat; was mir indeß gewagt ſcheint, wenn ſie wirklich „doriſche Säulenreſte“ enthalten ſollten, wie geſagt wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/212
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/212>, abgerufen am 25.04.2024.