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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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folge bleiben mußte; eine bedingtere Nachahmung zeigt sich
indeß an mehr als einer Stelle; zu Monreale in Sicilien; *)
sogar, außerhalb Spoleto an dem Wege nach Rom, an der
Vorseite der Kirche S. Pietro, deren arabische Einzelnheiten
eine besondere Veranlassung haben müssen, welche ich nicht
anzugeben weiß. Indeß berechtigen solche Anomalien auf
keine Weise zu der Behauptung, welche einige Geschichtschrei-
ber der Künste aufgestellt haben: daß in die Bauart, welche
ich die germanische nenne, arabische Elemente eingeflossen seyen,
was auf keine Weise einzuräumen ist.

In den Bauwerken des eilften und folgenden Jahrhun-
derts finden sich allerdings nicht selten Verzierungen, welche
als bloße Aggregate antiker und moderner, fremder und hei-
mischer Formen erscheinen, denen der organische Zusammen-
hang ganz fehlt. Die germanische Bauart aber entwickelte
sich organisch, bildete, was in ihr bloß verzierend ist, syste-
matisch aus ihren Grundformen hervor, was selbst ihre Geg-
ner nicht in Abrede stellen. Eine Bauart von entschiedener
Eigenthümlichkeit wird überhaupt nie aus einer mechanischen
Mischung ungleichartiger, am wenigsten aus einer Mischung
bloß verzierender Theile entstehen können. Wie daher jene
Behauptung schon dem allgemeinen Gedanken nach ganz falsch
ist, so beruht sie historisch auf einer gröblichen Flüchtigkeit,
aus einem nachlässigen Blättern in den zahlreichen Bilderwer-
ken, welche zu Ende des vorigen, zu Anfang des jetzigen Jahr-
hunderts so viel Licht verbreitet, so viele Data einander angenä-
hert, doch auch ein leeres historisch-ästhetisches Geschwätz nur zu

*) S. von der Hagen, Briefe etc., wo die italienischen Topogra-
phieen und Bilderwerke nachgewiesen und benutzt sind.

folge bleiben mußte; eine bedingtere Nachahmung zeigt ſich
indeß an mehr als einer Stelle; zu Monreale in Sicilien; *)
ſogar, außerhalb Spoleto an dem Wege nach Rom, an der
Vorſeite der Kirche S. Pietro, deren arabiſche Einzelnheiten
eine beſondere Veranlaſſung haben muͤſſen, welche ich nicht
anzugeben weiß. Indeß berechtigen ſolche Anomalien auf
keine Weiſe zu der Behauptung, welche einige Geſchichtſchrei-
ber der Kuͤnſte aufgeſtellt haben: daß in die Bauart, welche
ich die germaniſche nenne, arabiſche Elemente eingefloſſen ſeyen,
was auf keine Weiſe einzuraͤumen iſt.

In den Bauwerken des eilften und folgenden Jahrhun-
derts finden ſich allerdings nicht ſelten Verzierungen, welche
als bloße Aggregate antiker und moderner, fremder und hei-
miſcher Formen erſcheinen, denen der organiſche Zuſammen-
hang ganz fehlt. Die germaniſche Bauart aber entwickelte
ſich organiſch, bildete, was in ihr bloß verzierend iſt, ſyſte-
matiſch aus ihren Grundformen hervor, was ſelbſt ihre Geg-
ner nicht in Abrede ſtellen. Eine Bauart von entſchiedener
Eigenthuͤmlichkeit wird uͤberhaupt nie aus einer mechaniſchen
Miſchung ungleichartiger, am wenigſten aus einer Miſchung
bloß verzierender Theile entſtehen koͤnnen. Wie daher jene
Behauptung ſchon dem allgemeinen Gedanken nach ganz falſch
iſt, ſo beruht ſie hiſtoriſch auf einer groͤblichen Fluͤchtigkeit,
aus einem nachlaͤſſigen Blaͤttern in den zahlreichen Bilderwer-
ken, welche zu Ende des vorigen, zu Anfang des jetzigen Jahr-
hunderts ſo viel Licht verbreitet, ſo viele Data einander angenaͤ-
hert, doch auch ein leeres hiſtoriſch-aͤſthetiſches Geſchwaͤtz nur zu

*) S. von der Hagen, Briefe etc., wo die italieniſchen Topogra-
phieen und Bilderwerke nachgewieſen und benutzt ſind.
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[219/0241] folge bleiben mußte; eine bedingtere Nachahmung zeigt ſich indeß an mehr als einer Stelle; zu Monreale in Sicilien; *) ſogar, außerhalb Spoleto an dem Wege nach Rom, an der Vorſeite der Kirche S. Pietro, deren arabiſche Einzelnheiten eine beſondere Veranlaſſung haben muͤſſen, welche ich nicht anzugeben weiß. Indeß berechtigen ſolche Anomalien auf keine Weiſe zu der Behauptung, welche einige Geſchichtſchrei- ber der Kuͤnſte aufgeſtellt haben: daß in die Bauart, welche ich die germaniſche nenne, arabiſche Elemente eingefloſſen ſeyen, was auf keine Weiſe einzuraͤumen iſt. In den Bauwerken des eilften und folgenden Jahrhun- derts finden ſich allerdings nicht ſelten Verzierungen, welche als bloße Aggregate antiker und moderner, fremder und hei- miſcher Formen erſcheinen, denen der organiſche Zuſammen- hang ganz fehlt. Die germaniſche Bauart aber entwickelte ſich organiſch, bildete, was in ihr bloß verzierend iſt, ſyſte- matiſch aus ihren Grundformen hervor, was ſelbſt ihre Geg- ner nicht in Abrede ſtellen. Eine Bauart von entſchiedener Eigenthuͤmlichkeit wird uͤberhaupt nie aus einer mechaniſchen Miſchung ungleichartiger, am wenigſten aus einer Miſchung bloß verzierender Theile entſtehen koͤnnen. Wie daher jene Behauptung ſchon dem allgemeinen Gedanken nach ganz falſch iſt, ſo beruht ſie hiſtoriſch auf einer groͤblichen Fluͤchtigkeit, aus einem nachlaͤſſigen Blaͤttern in den zahlreichen Bilderwer- ken, welche zu Ende des vorigen, zu Anfang des jetzigen Jahr- hunderts ſo viel Licht verbreitet, ſo viele Data einander angenaͤ- hert, doch auch ein leeres hiſtoriſch-aͤſthetiſches Geſchwaͤtz nur zu *) S. von der Hagen, Briefe etc., wo die italieniſchen Topogra- phieen und Bilderwerke nachgewieſen und benutzt ſind.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/241>, abgerufen am 23.04.2024.