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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Unter den übrigen Tafeln, denen im Hause Melzi, hat
man das größere Mittelbild zur Ausgleichung verkleinert, auch
sonst mit Barbarey besudelt. In diesem Stücke verehrt die
Jungfrau das Kind, welches ein herangewachsener Engel ihr
darreicht; wie oben, in dem älteren Bilde eine Vorstellung
des Perugino, doch sichtlich mit Lust ergriffen und seelenvoller
entwickelt. In der Luft schweben drey Engel, der Größe nach
entfernt, doch hart gezeichnet, bunt colorirt, weßhalb der Re-
staurator versucht hat, sie durch Beschmutzungen zurückzusetzen,
was jedoch den Zweck verfehlt. Das Kind und der Engel
sind ebenfalls retouchirt; hingegen ist der schöne Kopf der
Madonna ganz wohl erhalten.

Auf dem Seitenbilde zur Linken der Erzengel Michael,
zwar in der Stellung jenes anderen in dem Altarbilde aus
Vallombrosa, doch die Beine weniger gespreizt und ausgebo-
gen, nach einem besseren Modell; die Hand auf dem Schilde
sehr glücklich nach dem Leben, nicht in der angenommenen
Manier des Perugino, sondern wahr und zierlich; auch sind
hier die Gesichtszüge weniger kindisch, als des Georg in
jenem offenbar älteren Gemälde des Jahres 1500. Auf dem
anderen Seitenbilde zur Rechten führt der Schutzengel den
jungen Tobias, beyde Figuren trefflich aus dem Typus des
Pietro zu höherer Lebendigkeit hervorgebildet. In der Fär-
bung ist das Ganze, so weit es bey gegenwärtigem Zustande
noch zu beurtheilen ist, jenem älteren Bilde der florentinischen
Akademie noch immer nahe verwandt.

Schon ungleich entschiedener scheint mir Raphael in
einem anderen, kleineren Bilde sich auszusprechen, welches
neuerlich aus einem Hause Baglioni zu Perugia in den Be-
sitz des mehrgedachten Herrn Metzger gelangt, und, wenn ich

Unter den uͤbrigen Tafeln, denen im Hauſe Melzi, hat
man das groͤßere Mittelbild zur Ausgleichung verkleinert, auch
ſonſt mit Barbarey beſudelt. In dieſem Stuͤcke verehrt die
Jungfrau das Kind, welches ein herangewachſener Engel ihr
darreicht; wie oben, in dem aͤlteren Bilde eine Vorſtellung
des Perugino, doch ſichtlich mit Luſt ergriffen und ſeelenvoller
entwickelt. In der Luft ſchweben drey Engel, der Groͤße nach
entfernt, doch hart gezeichnet, bunt colorirt, weßhalb der Re-
ſtaurator verſucht hat, ſie durch Beſchmutzungen zuruͤckzuſetzen,
was jedoch den Zweck verfehlt. Das Kind und der Engel
ſind ebenfalls retouchirt; hingegen iſt der ſchoͤne Kopf der
Madonna ganz wohl erhalten.

Auf dem Seitenbilde zur Linken der Erzengel Michael,
zwar in der Stellung jenes anderen in dem Altarbilde aus
Vallombroſa, doch die Beine weniger geſpreizt und ausgebo-
gen, nach einem beſſeren Modell; die Hand auf dem Schilde
ſehr gluͤcklich nach dem Leben, nicht in der angenommenen
Manier des Perugino, ſondern wahr und zierlich; auch ſind
hier die Geſichtszuͤge weniger kindiſch, als des Georg in
jenem offenbar aͤlteren Gemaͤlde des Jahres 1500. Auf dem
anderen Seitenbilde zur Rechten fuͤhrt der Schutzengel den
jungen Tobias, beyde Figuren trefflich aus dem Typus des
Pietro zu hoͤherer Lebendigkeit hervorgebildet. In der Faͤr-
bung iſt das Ganze, ſo weit es bey gegenwaͤrtigem Zuſtande
noch zu beurtheilen iſt, jenem aͤlteren Bilde der florentiniſchen
Akademie noch immer nahe verwandt.

Schon ungleich entſchiedener ſcheint mir Raphael in
einem anderen, kleineren Bilde ſich auszuſprechen, welches
neuerlich aus einem Hauſe Baglioni zu Perugia in den Be-
ſitz des mehrgedachten Herrn Metzger gelangt, und, wenn ich

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[28/0050] Unter den uͤbrigen Tafeln, denen im Hauſe Melzi, hat man das groͤßere Mittelbild zur Ausgleichung verkleinert, auch ſonſt mit Barbarey beſudelt. In dieſem Stuͤcke verehrt die Jungfrau das Kind, welches ein herangewachſener Engel ihr darreicht; wie oben, in dem aͤlteren Bilde eine Vorſtellung des Perugino, doch ſichtlich mit Luſt ergriffen und ſeelenvoller entwickelt. In der Luft ſchweben drey Engel, der Groͤße nach entfernt, doch hart gezeichnet, bunt colorirt, weßhalb der Re- ſtaurator verſucht hat, ſie durch Beſchmutzungen zuruͤckzuſetzen, was jedoch den Zweck verfehlt. Das Kind und der Engel ſind ebenfalls retouchirt; hingegen iſt der ſchoͤne Kopf der Madonna ganz wohl erhalten. Auf dem Seitenbilde zur Linken der Erzengel Michael, zwar in der Stellung jenes anderen in dem Altarbilde aus Vallombroſa, doch die Beine weniger geſpreizt und ausgebo- gen, nach einem beſſeren Modell; die Hand auf dem Schilde ſehr gluͤcklich nach dem Leben, nicht in der angenommenen Manier des Perugino, ſondern wahr und zierlich; auch ſind hier die Geſichtszuͤge weniger kindiſch, als des Georg in jenem offenbar aͤlteren Gemaͤlde des Jahres 1500. Auf dem anderen Seitenbilde zur Rechten fuͤhrt der Schutzengel den jungen Tobias, beyde Figuren trefflich aus dem Typus des Pietro zu hoͤherer Lebendigkeit hervorgebildet. In der Faͤr- bung iſt das Ganze, ſo weit es bey gegenwaͤrtigem Zuſtande noch zu beurtheilen iſt, jenem aͤlteren Bilde der florentiniſchen Akademie noch immer nahe verwandt. Schon ungleich entſchiedener ſcheint mir Raphael in einem anderen, kleineren Bilde ſich auszuſprechen, welches neuerlich aus einem Hauſe Baglioni zu Perugia in den Be- ſitz des mehrgedachten Herrn Metzger gelangt, und, wenn ich

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/50>, abgerufen am 28.03.2024.