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Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Dienstleute sprechen von diesen Sachen, man wächst auf, es kommt einem der Bart beinah, und man weiß nicht, warum einem das Herz schlägt, wenn man so ein Weib sieht. So ein Tölpel! sag' ich Ihnen.

Da meinte ich, ich hätte Amerika entdeckt, oder wenigstens einen neuen Planeten, wie ich endlich wußte -- Gut! Da verliebte ich mich auf einmal. Ich weiß selbst nicht, wie -- aber ich langweile Sie gewiß?

Nein, ich bitte --

Gut! Ich verliebte mich. Da hatte mein seliger Vater, da hatte er so eine Idee, uns tanzen zu lassen, nämlich meine Schwester und mich. Da kam so ein kleiner Franzose mit seiner Geige, und dann kamen die Gutsbesitzer aus der Nähe mit ihren Söhnen und Töchtern. Es war eine lustige Gesellschaft von Nachbarn. Jeder kannte den Andern und war guter Dinge, nur ich zitterte am ganzen Leibe. Mein kleiner Franzose aber besinnt sich nicht, stellt seine Paare auf, wie's ihm einfällt, erwischt mich beim Aermel, erwischt auch ein Fräulein von unsern Nachbarn, ein Kind, sag' ich Ihnen. Sie stolperte noch über ihr Kleid und hatte blonde Zöpfe bis zum Rücken hinab.

Da standen wir nun, und sie hielt meine Hand -- denn ich -- ich war Ihnen todt; so tanzen wir, aber ich sehe sie gar nicht an, nur unsere Hände brennen so ineinander! Bis zuletzt, da heißt es: Messieurs! Man tritt vor seine Dame, klappt die Absätze zusammen, läßt den Kopf auf die Brust fallen, wie wenn er ab-

Dienstleute sprechen von diesen Sachen, man wächst auf, es kommt einem der Bart beinah, und man weiß nicht, warum einem das Herz schlägt, wenn man so ein Weib sieht. So ein Tölpel! sag' ich Ihnen.

Da meinte ich, ich hätte Amerika entdeckt, oder wenigstens einen neuen Planeten, wie ich endlich wußte — Gut! Da verliebte ich mich auf einmal. Ich weiß selbst nicht, wie — aber ich langweile Sie gewiß?

Nein, ich bitte —

Gut! Ich verliebte mich. Da hatte mein seliger Vater, da hatte er so eine Idee, uns tanzen zu lassen, nämlich meine Schwester und mich. Da kam so ein kleiner Franzose mit seiner Geige, und dann kamen die Gutsbesitzer aus der Nähe mit ihren Söhnen und Töchtern. Es war eine lustige Gesellschaft von Nachbarn. Jeder kannte den Andern und war guter Dinge, nur ich zitterte am ganzen Leibe. Mein kleiner Franzose aber besinnt sich nicht, stellt seine Paare auf, wie's ihm einfällt, erwischt mich beim Aermel, erwischt auch ein Fräulein von unsern Nachbarn, ein Kind, sag' ich Ihnen. Sie stolperte noch über ihr Kleid und hatte blonde Zöpfe bis zum Rücken hinab.

Da standen wir nun, und sie hielt meine Hand — denn ich — ich war Ihnen todt; so tanzen wir, aber ich sehe sie gar nicht an, nur unsere Hände brennen so ineinander! Bis zuletzt, da heißt es: Messieurs! Man tritt vor seine Dame, klappt die Absätze zusammen, läßt den Kopf auf die Brust fallen, wie wenn er ab-

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[0029] Dienstleute sprechen von diesen Sachen, man wächst auf, es kommt einem der Bart beinah, und man weiß nicht, warum einem das Herz schlägt, wenn man so ein Weib sieht. So ein Tölpel! sag' ich Ihnen. Da meinte ich, ich hätte Amerika entdeckt, oder wenigstens einen neuen Planeten, wie ich endlich wußte — Gut! Da verliebte ich mich auf einmal. Ich weiß selbst nicht, wie — aber ich langweile Sie gewiß? Nein, ich bitte — Gut! Ich verliebte mich. Da hatte mein seliger Vater, da hatte er so eine Idee, uns tanzen zu lassen, nämlich meine Schwester und mich. Da kam so ein kleiner Franzose mit seiner Geige, und dann kamen die Gutsbesitzer aus der Nähe mit ihren Söhnen und Töchtern. Es war eine lustige Gesellschaft von Nachbarn. Jeder kannte den Andern und war guter Dinge, nur ich zitterte am ganzen Leibe. Mein kleiner Franzose aber besinnt sich nicht, stellt seine Paare auf, wie's ihm einfällt, erwischt mich beim Aermel, erwischt auch ein Fräulein von unsern Nachbarn, ein Kind, sag' ich Ihnen. Sie stolperte noch über ihr Kleid und hatte blonde Zöpfe bis zum Rücken hinab. Da standen wir nun, und sie hielt meine Hand — denn ich — ich war Ihnen todt; so tanzen wir, aber ich sehe sie gar nicht an, nur unsere Hände brennen so ineinander! Bis zuletzt, da heißt es: Messieurs! Man tritt vor seine Dame, klappt die Absätze zusammen, läßt den Kopf auf die Brust fallen, wie wenn er ab-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/29>, abgerufen am 28.03.2024.