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Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Dann waren die Tanzstunden zu Ende, und ich sah sie lange nicht.

Da wachte ich Nachts auf und hatte geweint, und wußte nicht warum; da lernte ich verliebte Gedichte auswendig und sagte sie tüchtig her, Alles meinem Kleiderstock; da hatte ich Muth und phantasirte, nahm die Guitarre und sang, daß unser alter Jagdhund unter dem Ofen hervorkroch, die Nase zum Himmel hob und heulte.

Dann kam mir im Frühjahr die Idee, auf die Jagd zu gehen. Streife so im Gebirge, lege mich über eine Schlucht, und wie ich so liege, da brechen die Zweige und kommt das Dickicht herab ein großer Bär, langsam, ganz langsam. -- Ich bin ganz stille, und im Walde ist es stille -- und ein Rabe fliegt über mir und schreit. -- Da faßt mich eine namenlose Angst, ich mache das Kreuz und athme nicht einmal, und wie er hinab ist -- laufe ich, was ich laufen kann.

Da war dann der Jahrmarkt -- verzeihen Sie, ich erzähle Ihnen wohl Alles erbärmlich durcheinander -- da fahr' ich denn auf den Jahrmarkt, und wie ich so gehe, ist sie auch da. -- Richtig! Ich vergesse zu sagen, wie sie heißt: -- Nikolaja Senkow also. Einen Gang hatte sie jetzt, wie eine Fürstin, und auch die Zöpfe hingen ihr nicht mehr herab, sondern lagen auf ihrem Haupte wie ein goldener Reif, und ihr Gang war so frei, sie wiegte sich, und die Falten ihres Kleides rauschten so anmuthig -- man konnte sich in dieses

Dann waren die Tanzstunden zu Ende, und ich sah sie lange nicht.

Da wachte ich Nachts auf und hatte geweint, und wußte nicht warum; da lernte ich verliebte Gedichte auswendig und sagte sie tüchtig her, Alles meinem Kleiderstock; da hatte ich Muth und phantasirte, nahm die Guitarre und sang, daß unser alter Jagdhund unter dem Ofen hervorkroch, die Nase zum Himmel hob und heulte.

Dann kam mir im Frühjahr die Idee, auf die Jagd zu gehen. Streife so im Gebirge, lege mich über eine Schlucht, und wie ich so liege, da brechen die Zweige und kommt das Dickicht herab ein großer Bär, langsam, ganz langsam. — Ich bin ganz stille, und im Walde ist es stille — und ein Rabe fliegt über mir und schreit. — Da faßt mich eine namenlose Angst, ich mache das Kreuz und athme nicht einmal, und wie er hinab ist — laufe ich, was ich laufen kann.

Da war dann der Jahrmarkt — verzeihen Sie, ich erzähle Ihnen wohl Alles erbärmlich durcheinander — da fahr' ich denn auf den Jahrmarkt, und wie ich so gehe, ist sie auch da. — Richtig! Ich vergesse zu sagen, wie sie heißt: — Nikolaja Senkow also. Einen Gang hatte sie jetzt, wie eine Fürstin, und auch die Zöpfe hingen ihr nicht mehr herab, sondern lagen auf ihrem Haupte wie ein goldener Reif, und ihr Gang war so frei, sie wiegte sich, und die Falten ihres Kleides rauschten so anmuthig — man konnte sich in dieses

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[0031] Dann waren die Tanzstunden zu Ende, und ich sah sie lange nicht. Da wachte ich Nachts auf und hatte geweint, und wußte nicht warum; da lernte ich verliebte Gedichte auswendig und sagte sie tüchtig her, Alles meinem Kleiderstock; da hatte ich Muth und phantasirte, nahm die Guitarre und sang, daß unser alter Jagdhund unter dem Ofen hervorkroch, die Nase zum Himmel hob und heulte. Dann kam mir im Frühjahr die Idee, auf die Jagd zu gehen. Streife so im Gebirge, lege mich über eine Schlucht, und wie ich so liege, da brechen die Zweige und kommt das Dickicht herab ein großer Bär, langsam, ganz langsam. — Ich bin ganz stille, und im Walde ist es stille — und ein Rabe fliegt über mir und schreit. — Da faßt mich eine namenlose Angst, ich mache das Kreuz und athme nicht einmal, und wie er hinab ist — laufe ich, was ich laufen kann. Da war dann der Jahrmarkt — verzeihen Sie, ich erzähle Ihnen wohl Alles erbärmlich durcheinander — da fahr' ich denn auf den Jahrmarkt, und wie ich so gehe, ist sie auch da. — Richtig! Ich vergesse zu sagen, wie sie heißt: — Nikolaja Senkow also. Einen Gang hatte sie jetzt, wie eine Fürstin, und auch die Zöpfe hingen ihr nicht mehr herab, sondern lagen auf ihrem Haupte wie ein goldener Reif, und ihr Gang war so frei, sie wiegte sich, und die Falten ihres Kleides rauschten so anmuthig — man konnte sich in dieses

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/31>, abgerufen am 28.03.2024.