Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

die Füße und biß oft nur so hinein, daß sie schrie und mich ins Gesicht trat.

Jetzt verstand ich, warum man niederkniet und anbetet das Weib mit dem Kinde, aber sie haben auch aus ihr eine Jungfrau gemacht, die Hausthiere unseres Herrgottes.

Sehen Sie, das Mädchen ist eine Sclavin ihres Hauses. Mancher Vater rechnet sie zu seinen Gütern. Aber die Frau! -- Jeden Augenblick kann sie mich verlassen. Hab' ich Recht? Sie wählt, wie ich wähle. Dann sagen sie: Du holdes Kind! Also ein so buttergelbes Entchen da ist meines Gleichen. Thun Sie mir den Gefallen und bedenken Sie das.

Die Liebe von Mann und Weib ist die Ehe. Ich meine die Ehe, wie die Natur sie schließt.

Ueberhaupt, was hat man?

Belieben Sie nur, dieses Leben etwas zu betrachten. Ein seltsamer Text --

Er horchte einen Augenblick auf das Lied der Bauernwache.

Und da die Melodie dazu.

Da haben die Deutschen ihren Faust, und auch die Engländer haben so ein Buch. -- Bei uns weiß das jeder Bauer. Es ist wie eine Ahnung, die über ihn kommt, was das Leben ist.

Was macht unser Volk so melancholisch?

Die Ebene.

Sie gießt sich aus wie das Meer, und wogt im

die Füße und biß oft nur so hinein, daß sie schrie und mich ins Gesicht trat.

Jetzt verstand ich, warum man niederkniet und anbetet das Weib mit dem Kinde, aber sie haben auch aus ihr eine Jungfrau gemacht, die Hausthiere unseres Herrgottes.

Sehen Sie, das Mädchen ist eine Sclavin ihres Hauses. Mancher Vater rechnet sie zu seinen Gütern. Aber die Frau! — Jeden Augenblick kann sie mich verlassen. Hab' ich Recht? Sie wählt, wie ich wähle. Dann sagen sie: Du holdes Kind! Also ein so buttergelbes Entchen da ist meines Gleichen. Thun Sie mir den Gefallen und bedenken Sie das.

Die Liebe von Mann und Weib ist die Ehe. Ich meine die Ehe, wie die Natur sie schließt.

Ueberhaupt, was hat man?

Belieben Sie nur, dieses Leben etwas zu betrachten. Ein seltsamer Text —

Er horchte einen Augenblick auf das Lied der Bauernwache.

Und da die Melodie dazu.

Da haben die Deutschen ihren Faust, und auch die Engländer haben so ein Buch. — Bei uns weiß das jeder Bauer. Es ist wie eine Ahnung, die über ihn kommt, was das Leben ist.

Was macht unser Volk so melancholisch?

Die Ebene.

Sie gießt sich aus wie das Meer, und wogt im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0044"/>
die Füße und biß oft nur so hinein, daß sie      schrie und mich ins Gesicht trat.</p><lb/>
        <p>Jetzt verstand ich, warum man niederkniet und anbetet das Weib mit dem Kinde, aber sie haben      auch aus ihr eine Jungfrau gemacht, die Hausthiere unseres Herrgottes.</p><lb/>
        <p>Sehen Sie, das Mädchen ist eine Sclavin ihres Hauses. Mancher Vater rechnet sie zu seinen      Gütern. Aber die Frau! &#x2014; Jeden Augenblick kann sie mich verlassen. Hab' ich Recht? Sie wählt,      wie ich wähle. Dann sagen sie: Du holdes Kind! Also ein so buttergelbes Entchen da ist meines      Gleichen. Thun Sie mir den Gefallen und bedenken Sie das.</p><lb/>
        <p>Die Liebe von Mann und Weib ist die Ehe. Ich meine die Ehe, wie die Natur sie schließt.</p><lb/>
        <p>Ueberhaupt, was hat man?</p><lb/>
        <p>Belieben Sie nur, dieses Leben etwas zu betrachten. Ein seltsamer Text &#x2014;</p><lb/>
        <p>Er horchte einen Augenblick auf das Lied der Bauernwache.</p><lb/>
        <p>Und da die Melodie dazu.</p><lb/>
        <p>Da haben die Deutschen ihren Faust, und auch die Engländer haben so ein Buch. &#x2014; Bei uns weiß      das jeder Bauer. Es ist wie eine Ahnung, die über ihn kommt, was das Leben ist.</p><lb/>
        <p>Was macht unser Volk so melancholisch?</p><lb/>
        <p>Die Ebene.</p><lb/>
        <p>Sie gießt sich aus wie das Meer, und wogt im<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] die Füße und biß oft nur so hinein, daß sie schrie und mich ins Gesicht trat. Jetzt verstand ich, warum man niederkniet und anbetet das Weib mit dem Kinde, aber sie haben auch aus ihr eine Jungfrau gemacht, die Hausthiere unseres Herrgottes. Sehen Sie, das Mädchen ist eine Sclavin ihres Hauses. Mancher Vater rechnet sie zu seinen Gütern. Aber die Frau! — Jeden Augenblick kann sie mich verlassen. Hab' ich Recht? Sie wählt, wie ich wähle. Dann sagen sie: Du holdes Kind! Also ein so buttergelbes Entchen da ist meines Gleichen. Thun Sie mir den Gefallen und bedenken Sie das. Die Liebe von Mann und Weib ist die Ehe. Ich meine die Ehe, wie die Natur sie schließt. Ueberhaupt, was hat man? Belieben Sie nur, dieses Leben etwas zu betrachten. Ein seltsamer Text — Er horchte einen Augenblick auf das Lied der Bauernwache. Und da die Melodie dazu. Da haben die Deutschen ihren Faust, und auch die Engländer haben so ein Buch. — Bei uns weiß das jeder Bauer. Es ist wie eine Ahnung, die über ihn kommt, was das Leben ist. Was macht unser Volk so melancholisch? Die Ebene. Sie gießt sich aus wie das Meer, und wogt im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/44
Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/44>, abgerufen am 19.04.2024.