Drittes Capitel. Untersuchung des fertigen Zellhautgerüstes der Pflanzen. 1800-1840.
Eine scharfe Grenze zwischen dem vorigen und diesem Zeit- raum findet sich nicht; die Beobachtungen der jetzt auftretenden Phytotomen sind anfangs kaum besser als die Hedwig's und Wolff's; sorgfältige Kritik des Selbstgesehenen und der Literatur sind in den ersten Jahren noch vielfach zu vermissen und vorge- faßte Meinungen verdarben den Beobachtern oft das Urtheil über das Gesehene.
In Einer Beziehung aber tritt mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts plötzlich eine auffallende Besserung ein; die Zahl der gleichzeitig arbeitenden, einander kontrolirenden und kriti- sirenden Phytotomen ist plötzlich eine größere geworden. Im vorigen Jahrhundert lag zwischen je zwei phytotomischen Arbeiten ein Decennium oder gar eine Reihe von solchen: mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts dagegen treten verschiedene Phytotomen gleichzeitig auf. Im Lauf der ersten zwölf Jahre sehen wir fast ein Dutzend phytotomischer Werke auf einander folgen, ein wissenschaftlicher Wettstreit belebt die Forschung. Zum ersten Mal ist es ein Franzose, dem wir auf dem Felde der Phytotomie begegnen, Brisseau Mirbel, der 1802 mit seinem Traite d'anatomie et de physiologie vegetale hervortritt und eine Reihe von phytotomischen Fragen eröffnet, an deren Bearbeitung und Widerlegung sich unmittelbar darauf mehrere deutsche Bo- taniker betheiligen: Kurt Sprengel 1802, Bernhardi 1805, Treviranus 1806, Link und Rudolphi 1807. Auch
Unterſuchung des fertigen
Drittes Capitel. Unterſuchung des fertigen Zellhautgerüſtes der Pflanzen. 1800-1840.
Eine ſcharfe Grenze zwiſchen dem vorigen und dieſem Zeit- raum findet ſich nicht; die Beobachtungen der jetzt auftretenden Phytotomen ſind anfangs kaum beſſer als die Hedwig's und Wolff's; ſorgfältige Kritik des Selbſtgeſehenen und der Literatur ſind in den erſten Jahren noch vielfach zu vermiſſen und vorge- faßte Meinungen verdarben den Beobachtern oft das Urtheil über das Geſehene.
In Einer Beziehung aber tritt mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts plötzlich eine auffallende Beſſerung ein; die Zahl der gleichzeitig arbeitenden, einander kontrolirenden und kriti- ſirenden Phytotomen iſt plötzlich eine größere geworden. Im vorigen Jahrhundert lag zwiſchen je zwei phytotomiſchen Arbeiten ein Decennium oder gar eine Reihe von ſolchen: mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts dagegen treten verſchiedene Phytotomen gleichzeitig auf. Im Lauf der erſten zwölf Jahre ſehen wir faſt ein Dutzend phytotomiſcher Werke auf einander folgen, ein wiſſenſchaftlicher Wettſtreit belebt die Forſchung. Zum erſten Mal iſt es ein Franzoſe, dem wir auf dem Felde der Phytotomie begegnen, Briſſeau Mirbel, der 1802 mit ſeinem Traité d'anatomie et de physiologie végétale hervortritt und eine Reihe von phytotomiſchen Fragen eröffnet, an deren Bearbeitung und Widerlegung ſich unmittelbar darauf mehrere deutſche Bo- taniker betheiligen: Kurt Sprengel 1802, Bernhardi 1805, Treviranus 1806, Link und Rudolphi 1807. Auch
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Unterſuchung des fertigen
Drittes Capitel.
Unterſuchung des fertigen Zellhautgerüſtes der Pflanzen.
1800-1840.
Eine ſcharfe Grenze zwiſchen dem vorigen und dieſem Zeit-
raum findet ſich nicht; die Beobachtungen der jetzt auftretenden
Phytotomen ſind anfangs kaum beſſer als die Hedwig's und
Wolff's; ſorgfältige Kritik des Selbſtgeſehenen und der Literatur
ſind in den erſten Jahren noch vielfach zu vermiſſen und vorge-
faßte Meinungen verdarben den Beobachtern oft das Urtheil über
das Geſehene.
In Einer Beziehung aber tritt mit dem Beginn des neuen
Jahrhunderts plötzlich eine auffallende Beſſerung ein; die Zahl
der gleichzeitig arbeitenden, einander kontrolirenden und kriti-
ſirenden Phytotomen iſt plötzlich eine größere geworden. Im
vorigen Jahrhundert lag zwiſchen je zwei phytotomiſchen Arbeiten
ein Decennium oder gar eine Reihe von ſolchen: mit dem Beginn
des 19. Jahrhunderts dagegen treten verſchiedene Phytotomen
gleichzeitig auf. Im Lauf der erſten zwölf Jahre ſehen wir
faſt ein Dutzend phytotomiſcher Werke auf einander folgen, ein
wiſſenſchaftlicher Wettſtreit belebt die Forſchung. Zum erſten
Mal iſt es ein Franzoſe, dem wir auf dem Felde der Phytotomie
begegnen, Briſſeau Mirbel, der 1802 mit ſeinem Traité
d'anatomie et de physiologie végétale hervortritt und eine
Reihe von phytotomiſchen Fragen eröffnet, an deren Bearbeitung
und Widerlegung ſich unmittelbar darauf mehrere deutſche Bo-
taniker betheiligen: Kurt Sprengel 1802, Bernhardi 1805,
Treviranus 1806, Link und Rudolphi 1807. Auch
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/288>, abgerufen am 29.03.2024.
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