Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Geschichte der Sexualtheorie
2.
Begründung der Lehre von der Sexualität der Pflanzen durch Rudolph
Jacob Camerarius

1691-1694.

Was man bis zum Jahre 1691 über die Sexualität der
Pflanzen wußte, waren also die schon von Theophrast er-
zählten Thatsachen betreffs der Dattelpalme, der Terebinthe und
des medischen Apfels, ferner die Vermuthungen Millington's
Grew's und Ray's, denen jedoch die Ansicht Malpighi's
als ebenso berechtigt entgegenstand. Zu einer wissenschaftlich
festgestellten Thatsache konnte die Sexualität der Pflanzen nur
auf einem einzigen Weg, dem des Experiments, erhoben werden;
es mußte gezeigt werden, daß ohne die Mitwirkung des Blüthen-
staubes keimfähige Samen nicht entstehen. Nach allen vorliegenden
historischen Documenten war R. J. Camerarius der Erste,
welcher einen derartigen Versuch zur Lösung der Frage machte
und demselben zahlreiche andere Experimente folgen ließ. Eine
ganz andere Frage ist es, wie der Befruchtungsstoff zu den be-
fruchtungsfähigen Samenanlagen gelangt und diese konnte erst
dann einen Sinn haben, wenn durch Experimente festgestellt war,
daß der Pollen überhaupt zur Befruchtung des Samens unent-
behrlich ist.

J. Ch. Mikan, Professor der Botanik in Prag, hat sich
das Verdienst erworben, die sehr zerstreuten, daher wenig bekannt
gewordenen Schriften des Rudolph Jakob Camerarius 1)

1) Rudolph Jacob Camerarius geboren zu Tübingen 1665
starb daselbst 1721. Nachdem er Philosophie und Medicin studirt, durch-
reiste er von 1685 bis 1687 Deutschland, Holland, England, Frankreich und
Italien; 1688 wurde er Prof. extraord. und Director des botan. Gartens
in Tübingen, 1689 Professor der Physik bis 1695 und zuletzt, als Nach-
folger seines Vaters Elias Rudolph Camerarius, erster Professor der
Universität; sein Sohn Alexander, eines seiner zehn Kinder, wurde später
sein Nachfolger in dieser Stellung. (Nach einem Artikel der Biographie
universelle von Du Petit-Thouars). Auch die anderen, nicht das Ge-
Geſchichte der Sexualtheorie
2.
Begründung der Lehre von der Sexualität der Pflanzen durch Rudolph
Jacob Camerarius

1691-1694.

Was man bis zum Jahre 1691 über die Sexualität der
Pflanzen wußte, waren alſo die ſchon von Théophraſt er-
zählten Thatſachen betreffs der Dattelpalme, der Terebinthe und
des mediſchen Apfels, ferner die Vermuthungen Millington's
Grew's und Ray's, denen jedoch die Anſicht Malpighi's
als ebenſo berechtigt entgegenſtand. Zu einer wiſſenſchaftlich
feſtgeſtellten Thatſache konnte die Sexualität der Pflanzen nur
auf einem einzigen Weg, dem des Experiments, erhoben werden;
es mußte gezeigt werden, daß ohne die Mitwirkung des Blüthen-
ſtaubes keimfähige Samen nicht entſtehen. Nach allen vorliegenden
hiſtoriſchen Documenten war R. J. Camerarius der Erſte,
welcher einen derartigen Verſuch zur Löſung der Frage machte
und demſelben zahlreiche andere Experimente folgen ließ. Eine
ganz andere Frage iſt es, wie der Befruchtungsſtoff zu den be-
fruchtungsfähigen Samenanlagen gelangt und dieſe konnte erſt
dann einen Sinn haben, wenn durch Experimente feſtgeſtellt war,
daß der Pollen überhaupt zur Befruchtung des Samens unent-
behrlich iſt.

J. Ch. Mikan, Profeſſor der Botanik in Prag, hat ſich
das Verdienſt erworben, die ſehr zerſtreuten, daher wenig bekannt
gewordenen Schriften des Rudolph Jakob Camerarius 1)

1) Rudolph Jacob Camerarius geboren zu Tübingen 1665
ſtarb daſelbſt 1721. Nachdem er Philoſophie und Medicin ſtudirt, durch-
reiſte er von 1685 bis 1687 Deutſchland, Holland, England, Frankreich und
Italien; 1688 wurde er Prof. extraord. und Director des botan. Gartens
in Tübingen, 1689 Profeſſor der Phyſik bis 1695 und zuletzt, als Nach-
folger ſeines Vaters Elias Rudolph Camerarius, erſter Profeſſor der
Univerſität; ſein Sohn Alexander, eines ſeiner zehn Kinder, wurde ſpäter
ſein Nachfolger in dieſer Stellung. (Nach einem Artikel der Biographie
univerſelle von Du Petit-Thouars). Auch die anderen, nicht das Ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0428" n="416"/>
          <fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Sexualtheorie</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#c">2.<lb/><hi rendition="#b">Begründung der Lehre von der Sexualität der Pflanzen durch Rudolph<lb/>
Jacob Camerarius</hi><lb/>
1691-1694.</hi> </head><lb/>
            <p>Was man bis zum Jahre 1691 über die Sexualität der<lb/>
Pflanzen wußte, waren al&#x017F;o die &#x017F;chon von <hi rendition="#g">Th<hi rendition="#aq">é</hi>ophra&#x017F;t</hi> er-<lb/>
zählten That&#x017F;achen betreffs der Dattelpalme, der Terebinthe und<lb/>
des medi&#x017F;chen Apfels, ferner die Vermuthungen <hi rendition="#g">Millington</hi>'s<lb/><hi rendition="#g">Grew</hi>'s und <hi rendition="#g">Ray</hi>'s, denen jedoch die An&#x017F;icht <hi rendition="#g">Malpighi</hi>'s<lb/>
als eben&#x017F;o berechtigt entgegen&#x017F;tand. Zu einer wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlich<lb/>
fe&#x017F;tge&#x017F;tellten That&#x017F;ache konnte die Sexualität der Pflanzen nur<lb/>
auf einem einzigen Weg, dem des Experiments, erhoben werden;<lb/>
es mußte gezeigt werden, daß ohne die Mitwirkung des Blüthen-<lb/>
&#x017F;taubes keimfähige Samen nicht ent&#x017F;tehen. Nach allen vorliegenden<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;chen Documenten war R. J. <hi rendition="#g">Camerarius</hi> der Er&#x017F;te,<lb/>
welcher einen derartigen Ver&#x017F;uch zur Lö&#x017F;ung der Frage machte<lb/>
und dem&#x017F;elben zahlreiche andere Experimente folgen ließ. Eine<lb/>
ganz andere Frage i&#x017F;t es, wie der Befruchtungs&#x017F;toff zu den be-<lb/>
fruchtungsfähigen Samenanlagen gelangt und die&#x017F;e konnte er&#x017F;t<lb/>
dann einen Sinn haben, wenn durch Experimente fe&#x017F;tge&#x017F;tellt war,<lb/>
daß der Pollen überhaupt zur Befruchtung des Samens unent-<lb/>
behrlich i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>J. Ch. <hi rendition="#g">Mikan</hi>, Profe&#x017F;&#x017F;or der Botanik in Prag, hat &#x017F;ich<lb/>
das Verdien&#x017F;t erworben, die &#x017F;ehr zer&#x017F;treuten, daher wenig bekannt<lb/>
gewordenen Schriften des <hi rendition="#g">Rudolph Jakob Camerarius</hi> <note xml:id="seg2pn_9_1" next="#seg2pn_9_2" place="foot" n="1)"><lb/><hi rendition="#g">Rudolph Jacob Camerarius</hi> geboren zu Tübingen 1665<lb/>
&#x017F;tarb da&#x017F;elb&#x017F;t 1721. Nachdem er Philo&#x017F;ophie und Medicin &#x017F;tudirt, durch-<lb/>
rei&#x017F;te er von 1685 bis 1687 Deut&#x017F;chland, Holland, England, Frankreich und<lb/>
Italien; 1688 wurde er Prof. extraord. und Director des botan. Gartens<lb/>
in Tübingen, 1689 Profe&#x017F;&#x017F;or der Phy&#x017F;ik bis 1695 und zuletzt, als Nach-<lb/>
folger &#x017F;eines Vaters Elias Rudolph Camerarius, er&#x017F;ter Profe&#x017F;&#x017F;or der<lb/>
Univer&#x017F;ität; &#x017F;ein Sohn Alexander, eines &#x017F;einer zehn Kinder, wurde &#x017F;päter<lb/>
&#x017F;ein Nachfolger in die&#x017F;er Stellung. (Nach einem Artikel der Biographie<lb/>
univer&#x017F;elle von <hi rendition="#g">Du Petit</hi>-<hi rendition="#g">Thouars</hi>). Auch die anderen, nicht das Ge-</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0428] Geſchichte der Sexualtheorie 2. Begründung der Lehre von der Sexualität der Pflanzen durch Rudolph Jacob Camerarius 1691-1694. Was man bis zum Jahre 1691 über die Sexualität der Pflanzen wußte, waren alſo die ſchon von Théophraſt er- zählten Thatſachen betreffs der Dattelpalme, der Terebinthe und des mediſchen Apfels, ferner die Vermuthungen Millington's Grew's und Ray's, denen jedoch die Anſicht Malpighi's als ebenſo berechtigt entgegenſtand. Zu einer wiſſenſchaftlich feſtgeſtellten Thatſache konnte die Sexualität der Pflanzen nur auf einem einzigen Weg, dem des Experiments, erhoben werden; es mußte gezeigt werden, daß ohne die Mitwirkung des Blüthen- ſtaubes keimfähige Samen nicht entſtehen. Nach allen vorliegenden hiſtoriſchen Documenten war R. J. Camerarius der Erſte, welcher einen derartigen Verſuch zur Löſung der Frage machte und demſelben zahlreiche andere Experimente folgen ließ. Eine ganz andere Frage iſt es, wie der Befruchtungsſtoff zu den be- fruchtungsfähigen Samenanlagen gelangt und dieſe konnte erſt dann einen Sinn haben, wenn durch Experimente feſtgeſtellt war, daß der Pollen überhaupt zur Befruchtung des Samens unent- behrlich iſt. J. Ch. Mikan, Profeſſor der Botanik in Prag, hat ſich das Verdienſt erworben, die ſehr zerſtreuten, daher wenig bekannt gewordenen Schriften des Rudolph Jakob Camerarius 1) 1) Rudolph Jacob Camerarius geboren zu Tübingen 1665 ſtarb daſelbſt 1721. Nachdem er Philoſophie und Medicin ſtudirt, durch- reiſte er von 1685 bis 1687 Deutſchland, Holland, England, Frankreich und Italien; 1688 wurde er Prof. extraord. und Director des botan. Gartens in Tübingen, 1689 Profeſſor der Phyſik bis 1695 und zuletzt, als Nach- folger ſeines Vaters Elias Rudolph Camerarius, erſter Profeſſor der Univerſität; ſein Sohn Alexander, eines ſeiner zehn Kinder, wurde ſpäter ſein Nachfolger in dieſer Stellung. (Nach einem Artikel der Biographie univerſelle von Du Petit-Thouars). Auch die anderen, nicht das Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/428
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/428>, abgerufen am 20.04.2024.