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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Caesalpin.
1.
Caesalpin.

Aristoteles hatte sich darüber Rechenschaft zu geben gesucht,
von welcher Art die Substanzen sind, welche die Pflanzen als
Nahrung aufnehmen und den Satz aufgestellt, daß die Nahrung
aller Organismen nicht einfach, sondern aus Verschiedenem zu-
sammengesetzt sei. Neben dieser ganz richtigen Ansicht hegte er
jedoch den Irrthum, daß die Pflanzennahrung schon in der Erde,
wie in einem Magen, zum Wachthum vollständig vorbereitet
werde, so daß auch die Abscheidung von Exkrementen in den
Pflanzen überflüßig erscheine; ein Irrthum, der zwar, wie wir
bald sehen werden, schon von Jungius widerlegt wurde, der sich
aber trotzdem selbst bis ins 18. Jahrhundert hinein vererbte
und schließlich noch Du Hamel's Ernährungstheorie vollständig
verdarb.

Caesalpin, in dem wir schon früher einen ebenso geistreichen
als treuen Schüler des Aristoteles kennen gelernt haben, wandte
seine Speculationen weniger der chemischen, als der mechanischen
Seite der Ernährungsfrage zu, indem er sich vorwiegend über
die Bewegung des Nahrungssaftes in den Pflanzen klar zu
werden suchte. Ihm stand bereits ein reicheres Erfahrungs-
material als seinem Meister zur Verfügung und gerade deßhalb
ist es lehrreich, uns mit seinen Ansichten näher bekannt zu
machen, weil sich hier zeigen mußte, in wieweit die alte Philo-
sophie im Stande war, auch besser begründeten Erfahrungen,
als denen des Aristoteles, zu genügen. Es wird sich sogleich
zeigen, daß schon der erste Anlauf Caesalpin zu Ansichten führte,
die eigentlich nicht mehr als streng aristotelisch gelten konnten.

Im zweiten Capitel des ersten Buches seines uns schon be-
kannten Werkes: De plantis libri XVI. 1583 wirft er die
Frage auf, in welcher Weise die Anziehung der Nahrung und
die Ernährung der Pflanzen geschehe. Bei den Thieren sehen
wir die Nahrung von den Venen zum Herzen hingeführt werden,

Caeſalpin.
1.
Caeſalpin.

Ariſtoteles hatte ſich darüber Rechenſchaft zu geben geſucht,
von welcher Art die Subſtanzen ſind, welche die Pflanzen als
Nahrung aufnehmen und den Satz aufgeſtellt, daß die Nahrung
aller Organismen nicht einfach, ſondern aus Verſchiedenem zu-
ſammengeſetzt ſei. Neben dieſer ganz richtigen Anſicht hegte er
jedoch den Irrthum, daß die Pflanzennahrung ſchon in der Erde,
wie in einem Magen, zum Wachthum vollſtändig vorbereitet
werde, ſo daß auch die Abſcheidung von Exkrementen in den
Pflanzen überflüßig erſcheine; ein Irrthum, der zwar, wie wir
bald ſehen werden, ſchon von Jungius widerlegt wurde, der ſich
aber trotzdem ſelbſt bis ins 18. Jahrhundert hinein vererbte
und ſchließlich noch Du Hamel's Ernährungstheorie vollſtändig
verdarb.

Caeſalpin, in dem wir ſchon früher einen ebenſo geiſtreichen
als treuen Schüler des Ariſtoteles kennen gelernt haben, wandte
ſeine Speculationen weniger der chemiſchen, als der mechaniſchen
Seite der Ernährungsfrage zu, indem er ſich vorwiegend über
die Bewegung des Nahrungsſaftes in den Pflanzen klar zu
werden ſuchte. Ihm ſtand bereits ein reicheres Erfahrungs-
material als ſeinem Meiſter zur Verfügung und gerade deßhalb
iſt es lehrreich, uns mit ſeinen Anſichten näher bekannt zu
machen, weil ſich hier zeigen mußte, in wieweit die alte Philo-
ſophie im Stande war, auch beſſer begründeten Erfahrungen,
als denen des Ariſtoteles, zu genügen. Es wird ſich ſogleich
zeigen, daß ſchon der erſte Anlauf Caeſalpin zu Anſichten führte,
die eigentlich nicht mehr als ſtreng ariſtoteliſch gelten konnten.

Im zweiten Capitel des erſten Buches ſeines uns ſchon be-
kannten Werkes: De plantis libri XVI. 1583 wirft er die
Frage auf, in welcher Weiſe die Anziehung der Nahrung und
die Ernährung der Pflanzen geſchehe. Bei den Thieren ſehen
wir die Nahrung von den Venen zum Herzen hingeführt werden,

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[487/0499] Caeſalpin. 1. Caeſalpin. Ariſtoteles hatte ſich darüber Rechenſchaft zu geben geſucht, von welcher Art die Subſtanzen ſind, welche die Pflanzen als Nahrung aufnehmen und den Satz aufgeſtellt, daß die Nahrung aller Organismen nicht einfach, ſondern aus Verſchiedenem zu- ſammengeſetzt ſei. Neben dieſer ganz richtigen Anſicht hegte er jedoch den Irrthum, daß die Pflanzennahrung ſchon in der Erde, wie in einem Magen, zum Wachthum vollſtändig vorbereitet werde, ſo daß auch die Abſcheidung von Exkrementen in den Pflanzen überflüßig erſcheine; ein Irrthum, der zwar, wie wir bald ſehen werden, ſchon von Jungius widerlegt wurde, der ſich aber trotzdem ſelbſt bis ins 18. Jahrhundert hinein vererbte und ſchließlich noch Du Hamel's Ernährungstheorie vollſtändig verdarb. Caeſalpin, in dem wir ſchon früher einen ebenſo geiſtreichen als treuen Schüler des Ariſtoteles kennen gelernt haben, wandte ſeine Speculationen weniger der chemiſchen, als der mechaniſchen Seite der Ernährungsfrage zu, indem er ſich vorwiegend über die Bewegung des Nahrungsſaftes in den Pflanzen klar zu werden ſuchte. Ihm ſtand bereits ein reicheres Erfahrungs- material als ſeinem Meiſter zur Verfügung und gerade deßhalb iſt es lehrreich, uns mit ſeinen Anſichten näher bekannt zu machen, weil ſich hier zeigen mußte, in wieweit die alte Philo- ſophie im Stande war, auch beſſer begründeten Erfahrungen, als denen des Ariſtoteles, zu genügen. Es wird ſich ſogleich zeigen, daß ſchon der erſte Anlauf Caeſalpin zu Anſichten führte, die eigentlich nicht mehr als ſtreng ariſtoteliſch gelten konnten. Im zweiten Capitel des erſten Buches ſeines uns ſchon be- kannten Werkes: De plantis libri XVI. 1583 wirft er die Frage auf, in welcher Weiſe die Anziehung der Nahrung und die Ernährung der Pflanzen geſchehe. Bei den Thieren ſehen wir die Nahrung von den Venen zum Herzen hingeführt werden,

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/499>, abgerufen am 16.04.2024.