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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
Ursachen, durch welche Saft in die Pflanzen eingesogen werden
könnte. Ziehen nicht, sagt er, manche trockene Dinge ihrer Natur
entsprechend die Flüssigkeit an, wie z. B. die Leinwand, der
Schwamm und das Pulver, wogegen andere die Flüssigkeit ab-
stoßen, wie manche Vogelfedern und das Kraut Adiantum,
welche auch beim Eintauchen in Wasser nicht benetzt werden;
jene aber saugen viel ein, weil sie mit dem Wasser mehr, als
mit der Luft übereinstimmen; von dieser Art müssen nun nach
Caesalpin diejenigen Theile der Pflanze sein, deren die ernährende
Seele zur Anziehung der Nahrung sich bedient. Daher seien
diese Organe auch nicht wie die Venen der Thiere von einem
continuirlichen Kanal durchsetzt, sondern eher wie die Nerven aus
einer fädigen Substanz gebildet; so führe nun die saugende Kraft
(bibula natura) die Feuchtigkeit beständig nach dem Orte, wo
das Princip der Eigenwärme sitzt, wie auch an der Flamme
einer Laterne zu sehen sei, wo der Docht beständig Oel zuführt.
Auch werde durch die äußere Wärme die Anziehung der Feuch-
tigkeit vermehrt, weßhalb die Pflanzen im Frühjahr und Sommer
kräftiger wachsen.

Daß Caesalpin aber nicht die entfernteste Ahnung von der Be-
deutung der Blätter für die Ernährung der Pflanzen hatte, geht
unzweifelhaft aus seiner Wiederholung des aristotelischen Satzes
hervor, daß die Blätter nur zum Schutz der jungen Sprosse und
Früchte gegen Luft und Sonnenlicht zu betrachten sind, ein Satz,
der offenbar nicht durch Speculation gewonnen war, sondern
direct aus den Weingärten eines von heißem Sonnenschein ge-
troffenen Landes stammte.

2.
Erste inductive Versuche und Eröffnung neuer Gesichtspuncte für die
Theorie der Pflanzenernährung.

Was Aristoteles und seine Schule, auch Caesalpin nicht
ausgenommen, über die Lebensäußerungen der Pflanzen zu sagen
wußten, stützte sich auf die alltäglichen Wahrnehmungen, deren

Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
Urſachen, durch welche Saft in die Pflanzen eingeſogen werden
könnte. Ziehen nicht, ſagt er, manche trockene Dinge ihrer Natur
entſprechend die Flüſſigkeit an, wie z. B. die Leinwand, der
Schwamm und das Pulver, wogegen andere die Flüſſigkeit ab-
ſtoßen, wie manche Vogelfedern und das Kraut Adiantum,
welche auch beim Eintauchen in Waſſer nicht benetzt werden;
jene aber ſaugen viel ein, weil ſie mit dem Waſſer mehr, als
mit der Luft übereinſtimmen; von dieſer Art müſſen nun nach
Caeſalpin diejenigen Theile der Pflanze ſein, deren die ernährende
Seele zur Anziehung der Nahrung ſich bedient. Daher ſeien
dieſe Organe auch nicht wie die Venen der Thiere von einem
continuirlichen Kanal durchſetzt, ſondern eher wie die Nerven aus
einer fädigen Subſtanz gebildet; ſo führe nun die ſaugende Kraft
(bibula natura) die Feuchtigkeit beſtändig nach dem Orte, wo
das Princip der Eigenwärme ſitzt, wie auch an der Flamme
einer Laterne zu ſehen ſei, wo der Docht beſtändig Oel zuführt.
Auch werde durch die äußere Wärme die Anziehung der Feuch-
tigkeit vermehrt, weßhalb die Pflanzen im Frühjahr und Sommer
kräftiger wachſen.

Daß Caeſalpin aber nicht die entfernteſte Ahnung von der Be-
deutung der Blätter für die Ernährung der Pflanzen hatte, geht
unzweifelhaft aus ſeiner Wiederholung des ariſtoteliſchen Satzes
hervor, daß die Blätter nur zum Schutz der jungen Sproſſe und
Früchte gegen Luft und Sonnenlicht zu betrachten ſind, ein Satz,
der offenbar nicht durch Speculation gewonnen war, ſondern
direct aus den Weingärten eines von heißem Sonnenſchein ge-
troffenen Landes ſtammte.

2.
Erſte inductive Verſuche und Eröffnung neuer Geſichtspuncte für die
Theorie der Pflanzenernährung.

Was Ariſtoteles und ſeine Schule, auch Caeſalpin nicht
ausgenommen, über die Lebensäußerungen der Pflanzen zu ſagen
wußten, ſtützte ſich auf die alltäglichen Wahrnehmungen, deren

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[490/0502] Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. Urſachen, durch welche Saft in die Pflanzen eingeſogen werden könnte. Ziehen nicht, ſagt er, manche trockene Dinge ihrer Natur entſprechend die Flüſſigkeit an, wie z. B. die Leinwand, der Schwamm und das Pulver, wogegen andere die Flüſſigkeit ab- ſtoßen, wie manche Vogelfedern und das Kraut Adiantum, welche auch beim Eintauchen in Waſſer nicht benetzt werden; jene aber ſaugen viel ein, weil ſie mit dem Waſſer mehr, als mit der Luft übereinſtimmen; von dieſer Art müſſen nun nach Caeſalpin diejenigen Theile der Pflanze ſein, deren die ernährende Seele zur Anziehung der Nahrung ſich bedient. Daher ſeien dieſe Organe auch nicht wie die Venen der Thiere von einem continuirlichen Kanal durchſetzt, ſondern eher wie die Nerven aus einer fädigen Subſtanz gebildet; ſo führe nun die ſaugende Kraft (bibula natura) die Feuchtigkeit beſtändig nach dem Orte, wo das Princip der Eigenwärme ſitzt, wie auch an der Flamme einer Laterne zu ſehen ſei, wo der Docht beſtändig Oel zuführt. Auch werde durch die äußere Wärme die Anziehung der Feuch- tigkeit vermehrt, weßhalb die Pflanzen im Frühjahr und Sommer kräftiger wachſen. Daß Caeſalpin aber nicht die entfernteſte Ahnung von der Be- deutung der Blätter für die Ernährung der Pflanzen hatte, geht unzweifelhaft aus ſeiner Wiederholung des ariſtoteliſchen Satzes hervor, daß die Blätter nur zum Schutz der jungen Sproſſe und Früchte gegen Luft und Sonnenlicht zu betrachten ſind, ein Satz, der offenbar nicht durch Speculation gewonnen war, ſondern direct aus den Weingärten eines von heißem Sonnenſchein ge- troffenen Landes ſtammte. 2. Erſte inductive Verſuche und Eröffnung neuer Geſichtspuncte für die Theorie der Pflanzenernährung. Was Ariſtoteles und ſeine Schule, auch Caeſalpin nicht ausgenommen, über die Lebensäußerungen der Pflanzen zu ſagen wußten, ſtützte ſich auf die alltäglichen Wahrnehmungen, deren

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/502>, abgerufen am 28.03.2024.