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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Geschichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
tationsboden durch die Pflanzen nicht ärmer, sondern reicher an
Humus wird, leugnete Meyen ausdrücklich. Es versteht sich
nun von selbst, daß alles, was Treviranus und Meyen
über die chemische Seite der Pflanzenernährung etwa sonst noch
im Einzelnen richtig zu sagen wußten, doch für eine Gesammt-
auffassung der Ernährungsvorgänge völlig werthlos blieb, da die
Cardinalpuncte der gesammten Ernährungstheorie der Pflanzen:
die Herkunft des Kohlenstoffs derselben, die Mitwirkung des Lichts
und der Atmosphäre durchaus verkannt waren. Das Beste, was
Ingen-Houß, Senebier und Saussure geleistet hatten,
war so für die deutschen Pflanzenphysiologen völlig abhanden
gekommen.

6.
Feststellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen.
1840-1860.

Im vorigen Abschnitt zeigte sich bereitts, wie schon im Lauf
der dreißiger Jahre Ansichten hervortraten, welche geeignet waren,
die Annahme der Lebenskraft wenigstens bei der Erklärung ein-
zelner wichtiger Vegetationserscheinungen als überflüssig erscheinen
zu lassen: so die Erklärung der Eigenwärme durch chemische
Vorgänge, die der Saftbewegung durch Diosmose; auch auf dem
Gebiet der Chemie, wo noch 1827 Berzelius die organischen
Stoffe als die unter dem Einfluß der Lebenskraft gebildeten von
den unorganischen unterschieden hatte, brach sich schon im Lauf
der dreißiger Jahre die Ansicht Bahn, daß ein derartiges Ein-
greifen der Lebenskraft zurückzuweisen sei, da es wiederholt ge-
lang, organische Verbindungen auf künstlichem Wege aus unor-
ganischem Material, also ohne die Hilfe der Lebenskraft zu er-
zeugen. Ueberhaupt lag es in der nunmehr zur Geltung kommen-
den, gegen die frühere Naturphilosophie sich kehrenden Richtung,
die mit dem Begriff der Lebenskraft verknüpfte Unklarheit abzuweisen
und dem Gedanken Geltung zu verschaffen, daß die chemischen und
physikalischen Gesetze außerhalb wie innerhalb der Organismen in
gleicher Weise giltig sind und von den hervorragenderen Vertretern

Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen.
tationsboden durch die Pflanzen nicht ärmer, ſondern reicher an
Humus wird, leugnete Meyen ausdrücklich. Es verſteht ſich
nun von ſelbſt, daß alles, was Treviranus und Meyen
über die chemiſche Seite der Pflanzenernährung etwa ſonſt noch
im Einzelnen richtig zu ſagen wußten, doch für eine Geſammt-
auffaſſung der Ernährungsvorgänge völlig werthlos blieb, da die
Cardinalpuncte der geſammten Ernährungstheorie der Pflanzen:
die Herkunft des Kohlenſtoffs derſelben, die Mitwirkung des Lichts
und der Atmoſphäre durchaus verkannt waren. Das Beſte, was
Ingen-Houß, Senebier und Sauſſure geleiſtet hatten,
war ſo für die deutſchen Pflanzenphyſiologen völlig abhanden
gekommen.

6.
Feſtſtellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen.
1840-1860.

Im vorigen Abſchnitt zeigte ſich bereitts, wie ſchon im Lauf
der dreißiger Jahre Anſichten hervortraten, welche geeignet waren,
die Annahme der Lebenskraft wenigſtens bei der Erklärung ein-
zelner wichtiger Vegetationserſcheinungen als überflüſſig erſcheinen
zu laſſen: ſo die Erklärung der Eigenwärme durch chemiſche
Vorgänge, die der Saftbewegung durch Diosmoſe; auch auf dem
Gebiet der Chemie, wo noch 1827 Berzelius die organiſchen
Stoffe als die unter dem Einfluß der Lebenskraft gebildeten von
den unorganiſchen unterſchieden hatte, brach ſich ſchon im Lauf
der dreißiger Jahre die Anſicht Bahn, daß ein derartiges Ein-
greifen der Lebenskraft zurückzuweiſen ſei, da es wiederholt ge-
lang, organiſche Verbindungen auf künſtlichem Wege aus unor-
ganiſchem Material, alſo ohne die Hilfe der Lebenskraft zu er-
zeugen. Ueberhaupt lag es in der nunmehr zur Geltung kommen-
den, gegen die frühere Naturphiloſophie ſich kehrenden Richtung,
die mit dem Begriff der Lebenskraft verknüpfte Unklarheit abzuweiſen
und dem Gedanken Geltung zu verſchaffen, daß die chemiſchen und
phyſikaliſchen Geſetze außerhalb wie innerhalb der Organismen in
gleicher Weiſe giltig ſind und von den hervorragenderen Vertretern

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[566/0578] Geſchichte der Ernährungstheorie der Pflanzen. tationsboden durch die Pflanzen nicht ärmer, ſondern reicher an Humus wird, leugnete Meyen ausdrücklich. Es verſteht ſich nun von ſelbſt, daß alles, was Treviranus und Meyen über die chemiſche Seite der Pflanzenernährung etwa ſonſt noch im Einzelnen richtig zu ſagen wußten, doch für eine Geſammt- auffaſſung der Ernährungsvorgänge völlig werthlos blieb, da die Cardinalpuncte der geſammten Ernährungstheorie der Pflanzen: die Herkunft des Kohlenſtoffs derſelben, die Mitwirkung des Lichts und der Atmoſphäre durchaus verkannt waren. Das Beſte, was Ingen-Houß, Senebier und Sauſſure geleiſtet hatten, war ſo für die deutſchen Pflanzenphyſiologen völlig abhanden gekommen. 6. Feſtſtellung des Nahrungsmaterials der Pflanzen. 1840-1860. Im vorigen Abſchnitt zeigte ſich bereitts, wie ſchon im Lauf der dreißiger Jahre Anſichten hervortraten, welche geeignet waren, die Annahme der Lebenskraft wenigſtens bei der Erklärung ein- zelner wichtiger Vegetationserſcheinungen als überflüſſig erſcheinen zu laſſen: ſo die Erklärung der Eigenwärme durch chemiſche Vorgänge, die der Saftbewegung durch Diosmoſe; auch auf dem Gebiet der Chemie, wo noch 1827 Berzelius die organiſchen Stoffe als die unter dem Einfluß der Lebenskraft gebildeten von den unorganiſchen unterſchieden hatte, brach ſich ſchon im Lauf der dreißiger Jahre die Anſicht Bahn, daß ein derartiges Ein- greifen der Lebenskraft zurückzuweiſen ſei, da es wiederholt ge- lang, organiſche Verbindungen auf künſtlichem Wege aus unor- ganiſchem Material, alſo ohne die Hilfe der Lebenskraft zu er- zeugen. Ueberhaupt lag es in der nunmehr zur Geltung kommen- den, gegen die frühere Naturphiloſophie ſich kehrenden Richtung, die mit dem Begriff der Lebenskraft verknüpfte Unklarheit abzuweiſen und dem Gedanken Geltung zu verſchaffen, daß die chemiſchen und phyſikaliſchen Geſetze außerhalb wie innerhalb der Organismen in gleicher Weiſe giltig ſind und von den hervorragenderen Vertretern

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/578>, abgerufen am 25.04.2024.