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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Entwicklungsgeschichte der Zelle, Entstehung der
Sorgfalt mußte fortan auch auf die Präparate selbst verwendet
werden: es genügte nicht mehr, gut zu schneiden oder zu zerfasern
und die Form der festen Theile des Pflanzenbaues kennen zu
lernen; vielmehr wurden Vorsichtsmaßregeln und Hülfsmittel der
verschiedensten Art nöthig, um auch die weichen Inhaltsmassen
der Zellen zu klarer Anschauung zu bringen, das Protroplasma
wo möglich im lebenden Zustand und geschützt gegen schädliche
Einflüsse zu beobachten; die verschiedensten chemischen Reagentien
fanden Anwendung, theils um die Objecte durchsichtiger zu machen,
theils um ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften zu er-
kennen; besondere Erwähnung verdient außerdem die von Franz
Schultze
schon vor 1851 entdeckte Methode, die Zellen durch Kochen
in einem Gemenge von Salpetersäure und chlorsaurem Kali binnen
wenigen Minuten zu isoliren und so das von Moldenhawer an-
gewendete Macerationsverfahren (durch Fäulniß) abzukürzen, wenn
auch nicht ganz zu ersetzen. Mit Einem Wort, die mikroskopische
Technik wurde von Schleiden, Mohl, Nägeli, Unger, Schacht,
Hofmeister, Pringsheim, De Bary, Sanio u. A. nach
den verschiedensten Seiten hin ausgebildet, zu einer Kunst erhoben,
welche wie jede andere gelernt und geübt sein will. Den jüngeren
Mikroskopikern war seit den fünfziger Jahren Gelegenheit geboten,
diese Kunst in den Laboratorien der Aelteren sich anzueignen und so
die technische Erfahrung und den wissenschaftlichen Rath derselben
sich zu Nutze zu machen; es entstanden phytotomische Schulen,
wenigstens an deutschen Universitäten; anderwärts blieb es frei-
lich noch bei den früheren Zuständen, wo jeder versuchen mußte,
auf eigene Hand ganz von vorn anzufangen.

Die allgemeine Verbreitung guter Mikroskope brachte es mit
sich, daß man, zumal seit Mohl den richtigen Weg betreten
hatte, nunmehr auch höhere Anforderungen an die Ausführung
mikroskopischer Bilder stellte; und in dieser Beziehung kam dem
wissenschaftlichen Bedürfniß die Erfindung des Steindruckes eben-
sosehr, wie das Wiederaufleben des Holzschnittes zu statten, wo-
durch die kostspielige Herstellung von Kupfertafeln vermieden
wurde. Die Zahl und Schönheit der mikroskopischen Bilder

Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der
Sorgfalt mußte fortan auch auf die Präparate ſelbſt verwendet
werden: es genügte nicht mehr, gut zu ſchneiden oder zu zerfaſern
und die Form der feſten Theile des Pflanzenbaues kennen zu
lernen; vielmehr wurden Vorſichtsmaßregeln und Hülfsmittel der
verſchiedenſten Art nöthig, um auch die weichen Inhaltsmaſſen
der Zellen zu klarer Anſchauung zu bringen, das Protroplasma
wo möglich im lebenden Zuſtand und geſchützt gegen ſchädliche
Einflüſſe zu beobachten; die verſchiedenſten chemiſchen Reagentien
fanden Anwendung, theils um die Objecte durchſichtiger zu machen,
theils um ihre phyſikaliſchen und chemiſchen Eigenſchaften zu er-
kennen; beſondere Erwähnung verdient außerdem die von Franz
Schultze
ſchon vor 1851 entdeckte Methode, die Zellen durch Kochen
in einem Gemenge von Salpeterſäure und chlorſaurem Kali binnen
wenigen Minuten zu iſoliren und ſo das von Moldenhawer an-
gewendete Macerationsverfahren (durch Fäulniß) abzukürzen, wenn
auch nicht ganz zu erſetzen. Mit Einem Wort, die mikroſkopiſche
Technik wurde von Schleiden, Mohl, Nägeli, Unger, Schacht,
Hofmeiſter, Pringsheim, De Bary, Sanio u. A. nach
den verſchiedenſten Seiten hin ausgebildet, zu einer Kunſt erhoben,
welche wie jede andere gelernt und geübt ſein will. Den jüngeren
Mikroſkopikern war ſeit den fünfziger Jahren Gelegenheit geboten,
dieſe Kunſt in den Laboratorien der Aelteren ſich anzueignen und ſo
die techniſche Erfahrung und den wiſſenſchaftlichen Rath derſelben
ſich zu Nutze zu machen; es entſtanden phytotomiſche Schulen,
wenigſtens an deutſchen Univerſitäten; anderwärts blieb es frei-
lich noch bei den früheren Zuſtänden, wo jeder verſuchen mußte,
auf eigene Hand ganz von vorn anzufangen.

Die allgemeine Verbreitung guter Mikroſkope brachte es mit
ſich, daß man, zumal ſeit Mohl den richtigen Weg betreten
hatte, nunmehr auch höhere Anforderungen an die Ausführung
mikroſkopiſcher Bilder ſtellte; und in dieſer Beziehung kam dem
wiſſenſchaftlichen Bedürfniß die Erfindung des Steindruckes eben-
ſoſehr, wie das Wiederaufleben des Holzſchnittes zu ſtatten, wo-
durch die koſtſpielige Herſtellung von Kupfertafeln vermieden
wurde. Die Zahl und Schönheit der mikroſkopiſchen Bilder

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[344/0356] Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der Sorgfalt mußte fortan auch auf die Präparate ſelbſt verwendet werden: es genügte nicht mehr, gut zu ſchneiden oder zu zerfaſern und die Form der feſten Theile des Pflanzenbaues kennen zu lernen; vielmehr wurden Vorſichtsmaßregeln und Hülfsmittel der verſchiedenſten Art nöthig, um auch die weichen Inhaltsmaſſen der Zellen zu klarer Anſchauung zu bringen, das Protroplasma wo möglich im lebenden Zuſtand und geſchützt gegen ſchädliche Einflüſſe zu beobachten; die verſchiedenſten chemiſchen Reagentien fanden Anwendung, theils um die Objecte durchſichtiger zu machen, theils um ihre phyſikaliſchen und chemiſchen Eigenſchaften zu er- kennen; beſondere Erwähnung verdient außerdem die von Franz Schultze ſchon vor 1851 entdeckte Methode, die Zellen durch Kochen in einem Gemenge von Salpeterſäure und chlorſaurem Kali binnen wenigen Minuten zu iſoliren und ſo das von Moldenhawer an- gewendete Macerationsverfahren (durch Fäulniß) abzukürzen, wenn auch nicht ganz zu erſetzen. Mit Einem Wort, die mikroſkopiſche Technik wurde von Schleiden, Mohl, Nägeli, Unger, Schacht, Hofmeiſter, Pringsheim, De Bary, Sanio u. A. nach den verſchiedenſten Seiten hin ausgebildet, zu einer Kunſt erhoben, welche wie jede andere gelernt und geübt ſein will. Den jüngeren Mikroſkopikern war ſeit den fünfziger Jahren Gelegenheit geboten, dieſe Kunſt in den Laboratorien der Aelteren ſich anzueignen und ſo die techniſche Erfahrung und den wiſſenſchaftlichen Rath derſelben ſich zu Nutze zu machen; es entſtanden phytotomiſche Schulen, wenigſtens an deutſchen Univerſitäten; anderwärts blieb es frei- lich noch bei den früheren Zuſtänden, wo jeder verſuchen mußte, auf eigene Hand ganz von vorn anzufangen. Die allgemeine Verbreitung guter Mikroſkope brachte es mit ſich, daß man, zumal ſeit Mohl den richtigen Weg betreten hatte, nunmehr auch höhere Anforderungen an die Ausführung mikroſkopiſcher Bilder ſtellte; und in dieſer Beziehung kam dem wiſſenſchaftlichen Bedürfniß die Erfindung des Steindruckes eben- ſoſehr, wie das Wiederaufleben des Holzſchnittes zu ſtatten, wo- durch die koſtſpielige Herſtellung von Kupfertafeln vermieden wurde. Die Zahl und Schönheit der mikroſkopiſchen Bilder

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/356>, abgerufen am 25.04.2024.