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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc.
Sprengel's Entdeckungen unverstanden und unbeachtet liegen, bis
Darwin am Ende der fünfziger Jahre ihre ganze große Be-
deutung erkannte, dem teleologischen Princip das der Descendenz
und Selection entgegenstellte und so in der Lage war, Sprengel's
Entdeckungen nicht nur in naturwissenschaftlicher Weise verständlich
erscheinen zu lassen, sondern dieselben als eine der wichtigsten
Stützen der Selectionstheorie zu benutzen. Jetzt konnte auch
erst gewürdigt werden, was bald nach Sprengel durch Knight
und später durch Herbert und C. F. Gärtner zum weiteren
Ausbau von Sprengel's Lehre geschah, denn auch das, was diese
zu Tage förderten, blieb einstweilen unbeachtet. Schon wenige
Jahre nach Sprengel's Werk hatte Andrew Knight1), auf
vergleichende Selbstbestäubungs- und Kreuzungsversuche an Pisum
gestützt, den Satz aufgestellt, daß keine Pflanze eine unbegrenzte
Zahl von Generationen hindurch sich selbst befruchte; 1837 faßte
Herbert das Ergebniß seiner zahlreichen Befruchtungsversuche in
dem Satz zusammen: "Er sei geneigt zu glauben, daß er ein
besseres Resultat erlangte, wenn er die Blüthe, von der er
Samen zu erlangen wünschte, mit Pollen von einem anderen
Individuum derselben Varietät oder wenigstens von einer anderen
Blüthe, als wenn er sie mit ihrem eigenen Pollen befruchtete;"
ein Ergebniß zu welchem auch C. F. Gärtner durch Befruch-
tungsversuche mit Passiflora, Lobelia und Fuchsia-Arten 1844
gelangte. In diesen Wahrnehmungen lag der erste Keim zu der
Beantwortung der von Sprengel offen gelassenen Frage, warum
die meisten Blüthen so eingerichtet sind, daß nur durch Kreuzung
verschiedener Blüthen oder Pflanzen derselben Art eine Befruch-
tung vollzogen werden kann; die künstlichen Kreuzungen dieser
Art, welche Knight, Herbert und Gärtner mit der Selbstbe-
stäubung einzelner Blüthen verglichen, zeigten, daß die Kreuzung
eine vollständigere und kräftigere Befruchtung erzielt, als die
Selbstbestäubung. Sie legten also den Gedanken nahe, daß die
von Sprengel entdeckten Blütheneinrichtungen sammt der In-

1) Diese Angaben nach Herrmann Müllers: Befruchtung der Blumen
durch Insekten (Leipzig 1873 p. 5).

Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc.
Sprengel's Entdeckungen unverſtanden und unbeachtet liegen, bis
Darwin am Ende der fünfziger Jahre ihre ganze große Be-
deutung erkannte, dem teleologiſchen Princip das der Deſcendenz
und Selection entgegenſtellte und ſo in der Lage war, Sprengel's
Entdeckungen nicht nur in naturwiſſenſchaftlicher Weiſe verſtändlich
erſcheinen zu laſſen, ſondern dieſelben als eine der wichtigſten
Stützen der Selectionstheorie zu benutzen. Jetzt konnte auch
erſt gewürdigt werden, was bald nach Sprengel durch Knight
und ſpäter durch Herbert und C. F. Gärtner zum weiteren
Ausbau von Sprengel's Lehre geſchah, denn auch das, was dieſe
zu Tage förderten, blieb einſtweilen unbeachtet. Schon wenige
Jahre nach Sprengel's Werk hatte Andrew Knight1), auf
vergleichende Selbſtbeſtäubungs- und Kreuzungsverſuche an Pisum
geſtützt, den Satz aufgeſtellt, daß keine Pflanze eine unbegrenzte
Zahl von Generationen hindurch ſich ſelbſt befruchte; 1837 faßte
Herbert das Ergebniß ſeiner zahlreichen Befruchtungsverſuche in
dem Satz zuſammen: „Er ſei geneigt zu glauben, daß er ein
beſſeres Reſultat erlangte, wenn er die Blüthe, von der er
Samen zu erlangen wünſchte, mit Pollen von einem anderen
Individuum derſelben Varietät oder wenigſtens von einer anderen
Blüthe, als wenn er ſie mit ihrem eigenen Pollen befruchtete;“
ein Ergebniß zu welchem auch C. F. Gärtner durch Befruch-
tungsverſuche mit Passiflora, Lobelia und Fuchsia-Arten 1844
gelangte. In dieſen Wahrnehmungen lag der erſte Keim zu der
Beantwortung der von Sprengel offen gelaſſenen Frage, warum
die meiſten Blüthen ſo eingerichtet ſind, daß nur durch Kreuzung
verſchiedener Blüthen oder Pflanzen derſelben Art eine Befruch-
tung vollzogen werden kann; die künſtlichen Kreuzungen dieſer
Art, welche Knight, Herbert und Gärtner mit der Selbſtbe-
ſtäubung einzelner Blüthen verglichen, zeigten, daß die Kreuzung
eine vollſtändigere und kräftigere Befruchtung erzielt, als die
Selbſtbeſtäubung. Sie legten alſo den Gedanken nahe, daß die
von Sprengel entdeckten Blütheneinrichtungen ſammt der In-

1) Dieſe Angaben nach Herrmann Müllers: Befruchtung der Blumen
durch Inſekten (Leipzig 1873 p. 5).
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[455/0467] Weiterer Ausbau der Sexualtheorie etc. etc. Sprengel's Entdeckungen unverſtanden und unbeachtet liegen, bis Darwin am Ende der fünfziger Jahre ihre ganze große Be- deutung erkannte, dem teleologiſchen Princip das der Deſcendenz und Selection entgegenſtellte und ſo in der Lage war, Sprengel's Entdeckungen nicht nur in naturwiſſenſchaftlicher Weiſe verſtändlich erſcheinen zu laſſen, ſondern dieſelben als eine der wichtigſten Stützen der Selectionstheorie zu benutzen. Jetzt konnte auch erſt gewürdigt werden, was bald nach Sprengel durch Knight und ſpäter durch Herbert und C. F. Gärtner zum weiteren Ausbau von Sprengel's Lehre geſchah, denn auch das, was dieſe zu Tage förderten, blieb einſtweilen unbeachtet. Schon wenige Jahre nach Sprengel's Werk hatte Andrew Knight 1), auf vergleichende Selbſtbeſtäubungs- und Kreuzungsverſuche an Pisum geſtützt, den Satz aufgeſtellt, daß keine Pflanze eine unbegrenzte Zahl von Generationen hindurch ſich ſelbſt befruchte; 1837 faßte Herbert das Ergebniß ſeiner zahlreichen Befruchtungsverſuche in dem Satz zuſammen: „Er ſei geneigt zu glauben, daß er ein beſſeres Reſultat erlangte, wenn er die Blüthe, von der er Samen zu erlangen wünſchte, mit Pollen von einem anderen Individuum derſelben Varietät oder wenigſtens von einer anderen Blüthe, als wenn er ſie mit ihrem eigenen Pollen befruchtete;“ ein Ergebniß zu welchem auch C. F. Gärtner durch Befruch- tungsverſuche mit Passiflora, Lobelia und Fuchsia-Arten 1844 gelangte. In dieſen Wahrnehmungen lag der erſte Keim zu der Beantwortung der von Sprengel offen gelaſſenen Frage, warum die meiſten Blüthen ſo eingerichtet ſind, daß nur durch Kreuzung verſchiedener Blüthen oder Pflanzen derſelben Art eine Befruch- tung vollzogen werden kann; die künſtlichen Kreuzungen dieſer Art, welche Knight, Herbert und Gärtner mit der Selbſtbe- ſtäubung einzelner Blüthen verglichen, zeigten, daß die Kreuzung eine vollſtändigere und kräftigere Befruchtung erzielt, als die Selbſtbeſtäubung. Sie legten alſo den Gedanken nahe, daß die von Sprengel entdeckten Blütheneinrichtungen ſammt der In- 1) Dieſe Angaben nach Herrmann Müllers: Befruchtung der Blumen durch Inſekten (Leipzig 1873 p. 5).

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/467>, abgerufen am 29.03.2024.