Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.
welche zuerst einen tieferen Blick in das innere Getriebe des
Pflanzenlebens thaten und uns nicht nur vereinzelte Thatsachen
desselben, sondern auch ihre wichtigsten Beziehungen über-
lieferten. Vergleicht man, was vor Malpighi bekannt war
mit dem, was die statical essays des Hales enthalten, so staunt
man über den raschen in kaum 60 Jahren gemachten Fortschritt,
nachdem von Aristoteles bis auf Malpighi fast nichts ge-
leistet worden war.

3.
Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.
1730-1780.

Hätten diejenigen, die sich nach Hales und vor Ingen-
Houß mit der Ernährung und vorwiegend der Saftbewegung
der Pflanzen beschäftigten, Malpighi's Ansicht, daß in den
Blättern die Nährstoffe zum Wachsthum vorbereitet werden,
festgehalten und sie mit Hales Gedanken, daß die Pflanzen
einen großen Theil ihrer Substanz aus der Luft entnehmen, in
Verbindung gebracht, so hätten sie für die Untersuchung der
Saftbewegung ein leitendes Princip gehabt, und durch Experi-
mente an der lebenden Pflanze diesen Ideen selbst einen be-
stimmteren Ausdruck geben können, auch ohne, daß die Chemie
und Physik einstweilen noch neue Anhaltspuncte darboten. Wie
bereits erwähnt, geschah dieß jedoch nicht; man hielt sich an das
Handgreifliche der Vegetationserscheinungen und glaubte so einen
sicheren Boden zu haben, auf dem man jedoch über die gewöhn-
lichste, gedankenlose Empirie nicht hinauskam, da es der Beob-
achtung an einem Ziel, dem Urtheil an einem Princip fehlte.
Man gerieth, wie immer in solchen Fällen, wo nicht eine wohl-
durchdachte Hypothese die Beobachtung leitet, auf Abwege, die
gerade in diesem Falle zu großer Unklarheit führten, weil man
einen der wichtigsten Factoren zum Verständniß der Saftbewegung
nicht hinreichend kannte: die feinere Struktur der Pflanzen, deren
Kenntniß seit Malpighi und Grew nicht mehr weiter gefördert

Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.
welche zuerſt einen tieferen Blick in das innere Getriebe des
Pflanzenlebens thaten und uns nicht nur vereinzelte Thatſachen
deſſelben, ſondern auch ihre wichtigſten Beziehungen über-
lieferten. Vergleicht man, was vor Malpighi bekannt war
mit dem, was die statical essays des Hales enthalten, ſo ſtaunt
man über den raſchen in kaum 60 Jahren gemachten Fortſchritt,
nachdem von Ariſtoteles bis auf Malpighi faſt nichts ge-
leiſtet worden war.

3.
Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.
1730-1780.

Hätten diejenigen, die ſich nach Hales und vor Ingen-
Houß mit der Ernährung und vorwiegend der Saftbewegung
der Pflanzen beſchäftigten, Malpighi's Anſicht, daß in den
Blättern die Nährſtoffe zum Wachsthum vorbereitet werden,
feſtgehalten und ſie mit Hales Gedanken, daß die Pflanzen
einen großen Theil ihrer Subſtanz aus der Luft entnehmen, in
Verbindung gebracht, ſo hätten ſie für die Unterſuchung der
Saftbewegung ein leitendes Princip gehabt, und durch Experi-
mente an der lebenden Pflanze dieſen Ideen ſelbſt einen be-
ſtimmteren Ausdruck geben können, auch ohne, daß die Chemie
und Phyſik einſtweilen noch neue Anhaltspuncte darboten. Wie
bereits erwähnt, geſchah dieß jedoch nicht; man hielt ſich an das
Handgreifliche der Vegetationserſcheinungen und glaubte ſo einen
ſicheren Boden zu haben, auf dem man jedoch über die gewöhn-
lichſte, gedankenloſe Empirie nicht hinauskam, da es der Beob-
achtung an einem Ziel, dem Urtheil an einem Princip fehlte.
Man gerieth, wie immer in ſolchen Fällen, wo nicht eine wohl-
durchdachte Hypotheſe die Beobachtung leitet, auf Abwege, die
gerade in dieſem Falle zu großer Unklarheit führten, weil man
einen der wichtigſten Factoren zum Verſtändniß der Saftbewegung
nicht hinreichend kannte: die feinere Struktur der Pflanzen, deren
Kenntniß ſeit Malpighi und Grew nicht mehr weiter gefördert

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0533" n="521"/><fw place="top" type="header">Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.</fw><lb/>
welche zuer&#x017F;t einen tieferen Blick in das innere Getriebe des<lb/>
Pflanzenlebens thaten und uns nicht nur vereinzelte That&#x017F;achen<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben, &#x017F;ondern auch ihre wichtig&#x017F;ten Beziehungen über-<lb/>
lieferten. Vergleicht man, was vor <hi rendition="#g">Malpighi</hi> bekannt war<lb/>
mit dem, was die <hi rendition="#aq">statical essays</hi> des Hales enthalten, &#x017F;o &#x017F;taunt<lb/>
man über den ra&#x017F;chen in kaum 60 Jahren gemachten Fort&#x017F;chritt,<lb/>
nachdem von <hi rendition="#g">Ari&#x017F;toteles</hi> bis auf <hi rendition="#g">Malpighi</hi> fa&#x017F;t nichts ge-<lb/>
lei&#x017F;tet worden war.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#c">3.<lb/><hi rendition="#b">Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen.</hi><lb/>
1730-1780.</hi> </head><lb/>
            <p>Hätten diejenigen, die &#x017F;ich nach <hi rendition="#g">Hales</hi> und vor <hi rendition="#g">Ingen</hi>-<lb/><hi rendition="#g">Houß</hi> mit der Ernährung und vorwiegend der Saftbewegung<lb/>
der Pflanzen be&#x017F;chäftigten, <hi rendition="#g">Malpighi</hi>'s An&#x017F;icht, daß in den<lb/>
Blättern die Nähr&#x017F;toffe zum Wachsthum vorbereitet werden,<lb/>
fe&#x017F;tgehalten und &#x017F;ie mit <hi rendition="#g">Hales</hi> Gedanken, daß die Pflanzen<lb/>
einen großen Theil ihrer Sub&#x017F;tanz aus der Luft entnehmen, in<lb/>
Verbindung gebracht, &#x017F;o hätten &#x017F;ie für die Unter&#x017F;uchung der<lb/>
Saftbewegung ein leitendes Princip gehabt, und durch Experi-<lb/>
mente an der lebenden Pflanze die&#x017F;en Ideen &#x017F;elb&#x017F;t einen be-<lb/>
&#x017F;timmteren Ausdruck geben können, auch ohne, daß die Chemie<lb/>
und Phy&#x017F;ik ein&#x017F;tweilen noch neue Anhaltspuncte darboten. Wie<lb/>
bereits erwähnt, ge&#x017F;chah dieß jedoch nicht; man hielt &#x017F;ich an das<lb/>
Handgreifliche der Vegetationser&#x017F;cheinungen und glaubte &#x017F;o einen<lb/>
&#x017F;icheren Boden zu haben, auf dem man jedoch über die gewöhn-<lb/>
lich&#x017F;te, gedankenlo&#x017F;e Empirie nicht hinauskam, da es der Beob-<lb/>
achtung an einem Ziel, dem Urtheil an einem Princip fehlte.<lb/>
Man gerieth, wie immer in &#x017F;olchen Fällen, wo nicht eine wohl-<lb/>
durchdachte Hypothe&#x017F;e die Beobachtung leitet, auf Abwege, die<lb/>
gerade in die&#x017F;em Falle zu großer Unklarheit führten, weil man<lb/>
einen der wichtig&#x017F;ten Factoren zum Ver&#x017F;tändniß der Saftbewegung<lb/>
nicht hinreichend kannte: die feinere Struktur der Pflanzen, deren<lb/>
Kenntniß &#x017F;eit <hi rendition="#g">Malpighi</hi> und <hi rendition="#g">Grew</hi> nicht mehr weiter gefördert<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[521/0533] Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen. welche zuerſt einen tieferen Blick in das innere Getriebe des Pflanzenlebens thaten und uns nicht nur vereinzelte Thatſachen deſſelben, ſondern auch ihre wichtigſten Beziehungen über- lieferten. Vergleicht man, was vor Malpighi bekannt war mit dem, was die statical essays des Hales enthalten, ſo ſtaunt man über den raſchen in kaum 60 Jahren gemachten Fortſchritt, nachdem von Ariſtoteles bis auf Malpighi faſt nichts ge- leiſtet worden war. 3. Unfruchtbare Bemühungen um die Saftbewegung der Pflanzen. 1730-1780. Hätten diejenigen, die ſich nach Hales und vor Ingen- Houß mit der Ernährung und vorwiegend der Saftbewegung der Pflanzen beſchäftigten, Malpighi's Anſicht, daß in den Blättern die Nährſtoffe zum Wachsthum vorbereitet werden, feſtgehalten und ſie mit Hales Gedanken, daß die Pflanzen einen großen Theil ihrer Subſtanz aus der Luft entnehmen, in Verbindung gebracht, ſo hätten ſie für die Unterſuchung der Saftbewegung ein leitendes Princip gehabt, und durch Experi- mente an der lebenden Pflanze dieſen Ideen ſelbſt einen be- ſtimmteren Ausdruck geben können, auch ohne, daß die Chemie und Phyſik einſtweilen noch neue Anhaltspuncte darboten. Wie bereits erwähnt, geſchah dieß jedoch nicht; man hielt ſich an das Handgreifliche der Vegetationserſcheinungen und glaubte ſo einen ſicheren Boden zu haben, auf dem man jedoch über die gewöhn- lichſte, gedankenloſe Empirie nicht hinauskam, da es der Beob- achtung an einem Ziel, dem Urtheil an einem Princip fehlte. Man gerieth, wie immer in ſolchen Fällen, wo nicht eine wohl- durchdachte Hypotheſe die Beobachtung leitet, auf Abwege, die gerade in dieſem Falle zu großer Unklarheit führten, weil man einen der wichtigſten Factoren zum Verſtändniß der Saftbewegung nicht hinreichend kannte: die feinere Struktur der Pflanzen, deren Kenntniß ſeit Malpighi und Grew nicht mehr weiter gefördert

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/533
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/533>, abgerufen am 16.04.2024.