Es ist gegenwärtig kaum zweifelhaft, daß die Mechanik des Wachsthums, die der geotropischen und heliotropischen Krüm- mungen, der verschiedenen Arten periodischer Bewegungen, des Schlingens der Ranken und Schlingpflanzen, sowie der Reizbe- wegungen auf ein gemeinsames Princip sich wird zurückführen lassen, und daß bei allen diesen Bewegungen außer der Elasticität der Zellwände die noch unbekannten Eigenschaften des Protoplasmas die wichtigste Rolle spielen; und insofern das Letztere der Fall ist, werden auch die sogenannten Protoplasmaströmungen und das Schwimmen der Schwärmsporen und ähnliche Vorgänge jenen phytodynamischen Erscheinungen anzureihen sein. Unter diesem Gesichtspunct erscheint die Phytodynamik als eine der wichtigsten Grundlagen der gesammten Pflanzenphysiologie. Die Erkenntniß dieses Sachverhaltes ist jedoch neuesten Datums und es hieße der Vergangenheit etwas ihr ganz Fremdes andichten, wenn man annehmen wollte, daß den früheren Pflanzenphysio- logen eine derartige Auffassung der Bewegungen im Pflanzen- reich vorgeschwebt habe. Vielmehr wurden diese in früheren Jahrhunderten kaum als Curiositäten beachtet und einiges Nach- denken begann man ihnen erst am Ende des 17. Jahrhunderts
1) Zur Vermeidung des weitschweifigen Ausdruckes: "Lehre von den Bewegungen im Pflanzenreich" sei es erlaubt, den kürzeren: Phytody- namik zu benutzen.
Geſchichte der Phytodynamik.
Drittes Capitel. Geſchichte der Phytodynamik.1)
Es iſt gegenwärtig kaum zweifelhaft, daß die Mechanik des Wachsthums, die der geotropiſchen und heliotropiſchen Krüm- mungen, der verſchiedenen Arten periodiſcher Bewegungen, des Schlingens der Ranken und Schlingpflanzen, ſowie der Reizbe- wegungen auf ein gemeinſames Princip ſich wird zurückführen laſſen, und daß bei allen dieſen Bewegungen außer der Elaſticität der Zellwände die noch unbekannten Eigenſchaften des Protoplasmas die wichtigſte Rolle ſpielen; und inſofern das Letztere der Fall iſt, werden auch die ſogenannten Protoplasmaſtrömungen und das Schwimmen der Schwärmſporen und ähnliche Vorgänge jenen phytodynamiſchen Erſcheinungen anzureihen ſein. Unter dieſem Geſichtspunct erſcheint die Phytodynamik als eine der wichtigſten Grundlagen der geſammten Pflanzenphyſiologie. Die Erkenntniß dieſes Sachverhaltes iſt jedoch neueſten Datums und es hieße der Vergangenheit etwas ihr ganz Fremdes andichten, wenn man annehmen wollte, daß den früheren Pflanzenphyſio- logen eine derartige Auffaſſung der Bewegungen im Pflanzen- reich vorgeſchwebt habe. Vielmehr wurden dieſe in früheren Jahrhunderten kaum als Curioſitäten beachtet und einiges Nach- denken begann man ihnen erſt am Ende des 17. Jahrhunderts
1) Zur Vermeidung des weitſchweifigen Ausdruckes: „Lehre von den Bewegungen im Pflanzenreich“ ſei es erlaubt, den kürzeren: Phytody- namik zu benutzen.
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Geſchichte der Phytodynamik.
Drittes Capitel.
Geſchichte der Phytodynamik. 1)
Es iſt gegenwärtig kaum zweifelhaft, daß die Mechanik des
Wachsthums, die der geotropiſchen und heliotropiſchen Krüm-
mungen, der verſchiedenen Arten periodiſcher Bewegungen, des
Schlingens der Ranken und Schlingpflanzen, ſowie der Reizbe-
wegungen auf ein gemeinſames Princip ſich wird zurückführen
laſſen, und daß bei allen dieſen Bewegungen außer der Elaſticität
der Zellwände die noch unbekannten Eigenſchaften des Protoplasmas
die wichtigſte Rolle ſpielen; und inſofern das Letztere der Fall
iſt, werden auch die ſogenannten Protoplasmaſtrömungen und
das Schwimmen der Schwärmſporen und ähnliche Vorgänge
jenen phytodynamiſchen Erſcheinungen anzureihen ſein. Unter
dieſem Geſichtspunct erſcheint die Phytodynamik als eine der
wichtigſten Grundlagen der geſammten Pflanzenphyſiologie. Die
Erkenntniß dieſes Sachverhaltes iſt jedoch neueſten Datums und
es hieße der Vergangenheit etwas ihr ganz Fremdes andichten,
wenn man annehmen wollte, daß den früheren Pflanzenphyſio-
logen eine derartige Auffaſſung der Bewegungen im Pflanzen-
reich vorgeſchwebt habe. Vielmehr wurden dieſe in früheren
Jahrhunderten kaum als Curioſitäten beachtet und einiges Nach-
denken begann man ihnen erſt am Ende des 17. Jahrhunderts
1) Zur Vermeidung des weitſchweifigen Ausdruckes: „Lehre von den
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namik zu benutzen.
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/590>, abgerufen am 25.04.2024.
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