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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.

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Scheingründe für den Selbstmord.
mehr ist, Sie, die Vernunft kann keinen
einzigen Vermuthungsgrund für die Unsterb-
lichkeit ausfindig machen, wenn sie die Zu-
kunft nicht als eine Auflösung des in der
Gegenwart verwickelten Knotens -- und hie-
mit die Unsterblichkeit als Folge der Sterb-
lichkeit ansehen darf.

Also keine Unsterblichkeit, oder eine
solche, wie sie die Vernunft vermuthet, und
die höhere Offenbarung verheißt. -- Um
also in einer neuen Verwandlung mit ver-
klärter Schönheit hervorzugehen, müssen wir
uns in der sterblichen Hülle, dieser Ver-
wandlung fähig machen. Um zu herrschen
im Reiche der Unsterblichen müssen wir hier,
im Lande der Sterblichen, dulden, und
kämpfen, bis der Körper (welcher dem
Christen, der an eine Auferstehung glaubt,
und auch dem Kenner der Menschennatur
etwas mehr ist als ein verdrüßlicher Balg)
bis der Körper selbst zerfällt.

12. "Man
sterblichkeit der Seele, für ein Gewicht
zu legen sey.
J 2

Scheingruͤnde fuͤr den Selbſtmord.
mehr iſt, Sie, die Vernunft kann keinen
einzigen Vermuthungsgrund fuͤr die Unſterb-
lichkeit ausfindig machen, wenn ſie die Zu-
kunft nicht als eine Aufloͤſung des in der
Gegenwart verwickelten Knotens — und hie-
mit die Unſterblichkeit als Folge der Sterb-
lichkeit anſehen darf.

Alſo keine Unſterblichkeit, oder eine
ſolche, wie ſie die Vernunft vermuthet, und
die hoͤhere Offenbarung verheißt. — Um
alſo in einer neuen Verwandlung mit ver-
klaͤrter Schoͤnheit hervorzugehen, muͤſſen wir
uns in der ſterblichen Huͤlle, dieſer Ver-
wandlung faͤhig machen. Um zu herrſchen
im Reiche der Unſterblichen muͤſſen wir hier,
im Lande der Sterblichen, dulden, und
kaͤmpfen, bis der Koͤrper (welcher dem
Chriſten, der an eine Auferſtehung glaubt,
und auch dem Kenner der Menſchennatur
etwas mehr iſt als ein verdruͤßlicher Balg)
bis der Koͤrper ſelbſt zerfaͤllt.

12. „Man
ſterblichkeit der Seele, fuͤr ein Gewicht
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[131/0143] Scheingruͤnde fuͤr den Selbſtmord. mehr iſt, Sie, die Vernunft kann keinen einzigen Vermuthungsgrund fuͤr die Unſterb- lichkeit ausfindig machen, wenn ſie die Zu- kunft nicht als eine Aufloͤſung des in der Gegenwart verwickelten Knotens — und hie- mit die Unſterblichkeit als Folge der Sterb- lichkeit anſehen darf. Alſo keine Unſterblichkeit, oder eine ſolche, wie ſie die Vernunft vermuthet, und die hoͤhere Offenbarung verheißt. — Um alſo in einer neuen Verwandlung mit ver- klaͤrter Schoͤnheit hervorzugehen, muͤſſen wir uns in der ſterblichen Huͤlle, dieſer Ver- wandlung faͤhig machen. Um zu herrſchen im Reiche der Unſterblichen muͤſſen wir hier, im Lande der Sterblichen, dulden, und kaͤmpfen, bis der Koͤrper (welcher dem Chriſten, der an eine Auferſtehung glaubt, und auch dem Kenner der Menſchennatur etwas mehr iſt als ein verdruͤßlicher Balg) bis der Koͤrper ſelbſt zerfaͤllt. 12. „Man (y) (y) ſterblichkeit der Seele, fuͤr ein Gewicht zu legen ſey. J 2

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/143>, abgerufen am 24.04.2024.