Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
Gründe wider den Selbstmord.
Zum Schlusse
des ersten Abschnittes.
Noch ein paar Etwas wider
den Selbstmord.

1. Der Schöpfer hat dem Menschen die
Unmäßigkeit in Speise und Trank
verboten, hauptsächlich auch deßwegen, weil
sie am Lebensfaden naget: soll er das eigen-
mächtige,
stürmische Abreissen des Lebens-
fadens erlauben?

2. Dieses Leben ist für den Menschen eine
Prüfungsklasse: darf der Schüler ohne den
Wink des Schulherrn abzuwarten, der Prü-
fungszeit gewaltsam, und eigenmächtig ein
Ende machen, besonders da die fortdaurende
Lebenskraft ein Pfand vom Schöpfer ist, daß
sein Wille das Ausdauern in der Prüfungs-
klasse dem Schüler zur Pflicht macht?

3. Es ist keine geltende Entschuldigung
eines Mörders, wenn er sagt, und es allen-
falls auch beweisen könnte: Ich habe des-
wegen den Cajus erstochen, weil er es von
mir so dringend begehrt hat.
Wie darf

also
Gruͤnde wider den Selbſtmord.
Zum Schluſſe
des erſten Abſchnittes.
Noch ein paar Etwas wider
den Selbſtmord.

1. Der Schoͤpfer hat dem Menſchen die
Unmaͤßigkeit in Speiſe und Trank
verboten, hauptſaͤchlich auch deßwegen, weil
ſie am Lebensfaden naget: ſoll er das eigen-
maͤchtige,
ſtuͤrmiſche Abreiſſen des Lebens-
fadens erlauben?

2. Dieſes Leben iſt fuͤr den Menſchen eine
Pruͤfungsklaſſe: darf der Schuͤler ohne den
Wink des Schulherrn abzuwarten, der Pruͤ-
fungszeit gewaltſam, und eigenmaͤchtig ein
Ende machen, beſonders da die fortdaurende
Lebenskraft ein Pfand vom Schoͤpfer iſt, daß
ſein Wille das Ausdauern in der Pruͤfungs-
klaſſe dem Schuͤler zur Pflicht macht?

3. Es iſt keine geltende Entſchuldigung
eines Moͤrders, wenn er ſagt, und es allen-
falls auch beweiſen koͤnnte: Ich habe des-
wegen den Cajus erſtochen, weil er es von
mir ſo dringend begehrt hat.
Wie darf

alſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0089" n="77"/>
        <fw place="top" type="header">Gru&#x0364;nde wider den Selb&#x017F;tmord.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Zum Schlu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
des er&#x017F;ten Ab&#x017F;chnittes.<lb/>
Noch ein paar Etwas wider<lb/>
den Selb&#x017F;tmord.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>1. <hi rendition="#in">D</hi>er Scho&#x0364;pfer hat dem Men&#x017F;chen die<lb/><hi rendition="#fr">Unma&#x0364;ßigkeit</hi> in Spei&#x017F;e und Trank<lb/><hi rendition="#fr">verboten,</hi> haupt&#x017F;a&#x0364;chlich auch deßwegen, weil<lb/>
&#x017F;ie am Lebensfaden <hi rendition="#fr">naget:</hi> &#x017F;oll er das <hi rendition="#fr">eigen-<lb/>
ma&#x0364;chtige,</hi> &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;che <hi rendition="#fr">Abrei&#x017F;&#x017F;en</hi> des Lebens-<lb/>
fadens erlauben?</p><lb/>
          <p>2. Die&#x017F;es Leben i&#x017F;t fu&#x0364;r den Men&#x017F;chen eine<lb/><hi rendition="#fr">Pru&#x0364;fungskla&#x017F;&#x017F;e:</hi> darf der Schu&#x0364;ler ohne den<lb/>
Wink des Schulherrn abzuwarten, der Pru&#x0364;-<lb/>
fungszeit gewalt&#x017F;am, und eigenma&#x0364;chtig ein<lb/>
Ende machen, be&#x017F;onders da die fortdaurende<lb/>
Lebenskraft ein Pfand vom Scho&#x0364;pfer i&#x017F;t, daß<lb/>
&#x017F;ein Wille das Ausdauern in der Pru&#x0364;fungs-<lb/>
kla&#x017F;&#x017F;e dem Schu&#x0364;ler zur Pflicht macht?</p><lb/>
          <p>3. Es i&#x017F;t keine geltende Ent&#x017F;chuldigung<lb/>
eines Mo&#x0364;rders, wenn er &#x017F;agt, und es allen-<lb/>
falls auch bewei&#x017F;en ko&#x0364;nnte: <hi rendition="#fr">Ich habe des-<lb/>
wegen den Cajus er&#x017F;tochen, weil er es von<lb/>
mir &#x017F;o dringend begehrt hat.</hi> Wie darf<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">al&#x017F;o</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0089] Gruͤnde wider den Selbſtmord. Zum Schluſſe des erſten Abſchnittes. Noch ein paar Etwas wider den Selbſtmord. 1. Der Schoͤpfer hat dem Menſchen die Unmaͤßigkeit in Speiſe und Trank verboten, hauptſaͤchlich auch deßwegen, weil ſie am Lebensfaden naget: ſoll er das eigen- maͤchtige, ſtuͤrmiſche Abreiſſen des Lebens- fadens erlauben? 2. Dieſes Leben iſt fuͤr den Menſchen eine Pruͤfungsklaſſe: darf der Schuͤler ohne den Wink des Schulherrn abzuwarten, der Pruͤ- fungszeit gewaltſam, und eigenmaͤchtig ein Ende machen, beſonders da die fortdaurende Lebenskraft ein Pfand vom Schoͤpfer iſt, daß ſein Wille das Ausdauern in der Pruͤfungs- klaſſe dem Schuͤler zur Pflicht macht? 3. Es iſt keine geltende Entſchuldigung eines Moͤrders, wenn er ſagt, und es allen- falls auch beweiſen koͤnnte: Ich habe des- wegen den Cajus erſtochen, weil er es von mir ſo dringend begehrt hat. Wie darf alſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/89
Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/89>, abgerufen am 29.03.2024.