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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die elektrischen Erfindungen.
gemacht; für weitere Seereisen wird man sich einstweilen mit Dampfern
bescheiden.

Eine eigentümliche, mit den eben beschriebenen Gefährten nicht
vergleichbare Erfindung ist das Sims-Edisonsche lenkbare Torpedo.
Sims hat die äußeren Einrichtungen dieses furchtbaren Geschosses,
Edison den elektrischen Apparat konstruiert. Dieser letztere ist ein
doppelter: der eine Teil soll das Fahrzeug vorwärts bewegen, es ist
also ein Motor, der seine Bewegung der Schraube mitteilt, der andere
wirkt auf das Steuerruder. Man hat es in der Gewalt, von der
Stelle aus, von der das Torpedo abgeschickt ist, fortwährend seine Richtung
und Geschwindigkeit zu ändern, und zwar durch eine Dynamomaschine
und eine einfache Batterie. Die Zuführung der beiden verschiedenen
Ströme geschieht durch ein Doppelkabel, welches mit Hanf umwickelt
und mit Theer getränkt wird, daß es gerade soviel als das Wasser
wiegt. Dieses Seil ist im Torpedo um eine Trommel geschlungen,
und wenn es während der Bewegung des Gefährtes sich von dieser
abwickelt, so dringt Seewasser ein, macht aber das Fahrzeug aus dem
angeführten Grunde weder schwerer noch leichter. Die Wirkungen
dieses Geschosses sollen ungeheure sein, und es ist zunächst in den
Dienst der nordamerikanischen Küstenverteidigung gestellt worden, wird
sich aber für denselben Zweck wohl auch in anderen Ländern einführen.

g) Die Erfindung des Phonographen und des Telephons.
Der Phonograph.

Die wichtigste Erfindung, welche der Mensch gemacht hat, zugleich
wahrscheinlich die älteste, ist die der Sprache, jener -- mit Wilhelm von
Humboldt zu reden -- "ewig sich wiederholenden Arbeit des Geistes,
den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedankens fähig zu machen."
Sie ist es, die ihn über die Stufe des Tieres hinaushob. Wie sie
entstand und sich entwickelte, darüber liegen die Ansichten noch in
heißem Kampfe. Das Kind, welches zuerst durch Geberden sich ver-
ständlich zu machen sucht und erst später den Gebrauch seiner Sprach-
organe lernt, es kann uns einen Anhalt geben, wie sich jene Ent-
wickelung vollzog. Den Gedanken in Gebärden auszudrücken war die
erste Kunst der Menschen, die Fähigkeit, mit verschiedenen Lauten,
welche die Sprachorgane hervorbringen, Begriffe zu verbinden, erst
die zweite. Woher die Mannigfaltigkeit der Laute und ihrer Ver-
bindungen sich her schreibt, dies genauer zu studieren, war unserem
Jahrhunderte vorbehalten, welches die Lautphysiologie erzeugte oder
doch der kaum vorhandenen glänzende Förderung brachte. Was
ist ein Laut? Soviel weiß jeder, daß es etwas ist, was die Sprach-
werkzeuge hervorbringen und das Ohr wahrnimmt. Aber welches sind

Die elektriſchen Erfindungen.
gemacht; für weitere Seereiſen wird man ſich einſtweilen mit Dampfern
beſcheiden.

Eine eigentümliche, mit den eben beſchriebenen Gefährten nicht
vergleichbare Erfindung iſt das Sims-Ediſonſche lenkbare Torpedo.
Sims hat die äußeren Einrichtungen dieſes furchtbaren Geſchoſſes,
Ediſon den elektriſchen Apparat konſtruiert. Dieſer letztere iſt ein
doppelter: der eine Teil ſoll das Fahrzeug vorwärts bewegen, es iſt
alſo ein Motor, der ſeine Bewegung der Schraube mitteilt, der andere
wirkt auf das Steuerruder. Man hat es in der Gewalt, von der
Stelle aus, von der das Torpedo abgeſchickt iſt, fortwährend ſeine Richtung
und Geſchwindigkeit zu ändern, und zwar durch eine Dynamomaſchine
und eine einfache Batterie. Die Zuführung der beiden verſchiedenen
Ströme geſchieht durch ein Doppelkabel, welches mit Hanf umwickelt
und mit Theer getränkt wird, daß es gerade ſoviel als das Waſſer
wiegt. Dieſes Seil iſt im Torpedo um eine Trommel geſchlungen,
und wenn es während der Bewegung des Gefährtes ſich von dieſer
abwickelt, ſo dringt Seewaſſer ein, macht aber das Fahrzeug aus dem
angeführten Grunde weder ſchwerer noch leichter. Die Wirkungen
dieſes Geſchoſſes ſollen ungeheure ſein, und es iſt zunächſt in den
Dienſt der nordamerikaniſchen Küſtenverteidigung geſtellt worden, wird
ſich aber für denſelben Zweck wohl auch in anderen Ländern einführen.

g) Die Erfindung des Phonographen und des Telephons.
Der Phonograph.

Die wichtigſte Erfindung, welche der Menſch gemacht hat, zugleich
wahrſcheinlich die älteſte, iſt die der Sprache, jener — mit Wilhelm von
Humboldt zu reden — „ewig ſich wiederholenden Arbeit des Geiſtes,
den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedankens fähig zu machen.“
Sie iſt es, die ihn über die Stufe des Tieres hinaushob. Wie ſie
entſtand und ſich entwickelte, darüber liegen die Anſichten noch in
heißem Kampfe. Das Kind, welches zuerſt durch Geberden ſich ver-
ſtändlich zu machen ſucht und erſt ſpäter den Gebrauch ſeiner Sprach-
organe lernt, es kann uns einen Anhalt geben, wie ſich jene Ent-
wickelung vollzog. Den Gedanken in Gebärden auszudrücken war die
erſte Kunſt der Menſchen, die Fähigkeit, mit verſchiedenen Lauten,
welche die Sprachorgane hervorbringen, Begriffe zu verbinden, erſt
die zweite. Woher die Mannigfaltigkeit der Laute und ihrer Ver-
bindungen ſich her ſchreibt, dies genauer zu ſtudieren, war unſerem
Jahrhunderte vorbehalten, welches die Lautphyſiologie erzeugte oder
doch der kaum vorhandenen glänzende Förderung brachte. Was
iſt ein Laut? Soviel weiß jeder, daß es etwas iſt, was die Sprach-
werkzeuge hervorbringen und das Ohr wahrnimmt. Aber welches ſind

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[226/0244] Die elektriſchen Erfindungen. gemacht; für weitere Seereiſen wird man ſich einſtweilen mit Dampfern beſcheiden. Eine eigentümliche, mit den eben beſchriebenen Gefährten nicht vergleichbare Erfindung iſt das Sims-Ediſonſche lenkbare Torpedo. Sims hat die äußeren Einrichtungen dieſes furchtbaren Geſchoſſes, Ediſon den elektriſchen Apparat konſtruiert. Dieſer letztere iſt ein doppelter: der eine Teil ſoll das Fahrzeug vorwärts bewegen, es iſt alſo ein Motor, der ſeine Bewegung der Schraube mitteilt, der andere wirkt auf das Steuerruder. Man hat es in der Gewalt, von der Stelle aus, von der das Torpedo abgeſchickt iſt, fortwährend ſeine Richtung und Geſchwindigkeit zu ändern, und zwar durch eine Dynamomaſchine und eine einfache Batterie. Die Zuführung der beiden verſchiedenen Ströme geſchieht durch ein Doppelkabel, welches mit Hanf umwickelt und mit Theer getränkt wird, daß es gerade ſoviel als das Waſſer wiegt. Dieſes Seil iſt im Torpedo um eine Trommel geſchlungen, und wenn es während der Bewegung des Gefährtes ſich von dieſer abwickelt, ſo dringt Seewaſſer ein, macht aber das Fahrzeug aus dem angeführten Grunde weder ſchwerer noch leichter. Die Wirkungen dieſes Geſchoſſes ſollen ungeheure ſein, und es iſt zunächſt in den Dienſt der nordamerikaniſchen Küſtenverteidigung geſtellt worden, wird ſich aber für denſelben Zweck wohl auch in anderen Ländern einführen. g) Die Erfindung des Phonographen und des Telephons. Der Phonograph. Die wichtigſte Erfindung, welche der Menſch gemacht hat, zugleich wahrſcheinlich die älteſte, iſt die der Sprache, jener — mit Wilhelm von Humboldt zu reden — „ewig ſich wiederholenden Arbeit des Geiſtes, den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedankens fähig zu machen.“ Sie iſt es, die ihn über die Stufe des Tieres hinaushob. Wie ſie entſtand und ſich entwickelte, darüber liegen die Anſichten noch in heißem Kampfe. Das Kind, welches zuerſt durch Geberden ſich ver- ſtändlich zu machen ſucht und erſt ſpäter den Gebrauch ſeiner Sprach- organe lernt, es kann uns einen Anhalt geben, wie ſich jene Ent- wickelung vollzog. Den Gedanken in Gebärden auszudrücken war die erſte Kunſt der Menſchen, die Fähigkeit, mit verſchiedenen Lauten, welche die Sprachorgane hervorbringen, Begriffe zu verbinden, erſt die zweite. Woher die Mannigfaltigkeit der Laute und ihrer Ver- bindungen ſich her ſchreibt, dies genauer zu ſtudieren, war unſerem Jahrhunderte vorbehalten, welches die Lautphyſiologie erzeugte oder doch der kaum vorhandenen glänzende Förderung brachte. Was iſt ein Laut? Soviel weiß jeder, daß es etwas iſt, was die Sprach- werkzeuge hervorbringen und das Ohr wahrnimmt. Aber welches ſind

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/244>, abgerufen am 20.04.2024.