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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Das Hohlglas. -- Das Hartglas.

Das reinste weiße Glas ist das besonders zu Schleifwaren be-
stimmte Crownglas, welches in Böhmen in vorzüglicher Güte ge-
fertigt wird und daher auch böhmisches Glas heißt. Man gebraucht
es aber auch, als das feinste bleifreie Glas, zu optischen Zwecken;

[Abbildung] Fig. 459.
[Abbildung] Fig. 460.
[Abbildung] Fig. 461.

Glasröhrenziehen.

man schleift aus ihm die für die achromatischen Fernrohrobjektive
nötigen Crownglaslinsen. Die Materialien des Satzes müssen für
dieses Glas auf das Sorgfältigste ausgewählt werden; auch ist auf
Güte der Häfen und große Vollkommenheit des Läuterungsprozesses
zu sehen. Man fertigt die Crownglaswaren meist durch Einblasen in
Formen und nachfolgendes Feinschleifen genau so, wie bei dem später
zu erwähnenden Krystallglas, bei welchem auch diese Operationen
beschrieben werden.

b) Das Hartglas.

Wie oben erwähnt, ist es selbst durch das vollkommenste Kühlen
nicht möglich, die unangenehmste Eigenschaft des Glases, seine Sprödig-
keit und Zerbrechlichkeit, ganz zu beseitigen. Trotzdem hat es nicht an
Versuchen gefehlt, durch besondere Verfahren das Glas zu härten, d. h.
ihm eine bedeutende Elastizität, Härte und Widerstandsfähigkeit gegen
Temperaturwechsel mitzuteilen.

Das Härten erfolgt gewöhnlich durch Eintauchen des aus ge-
wöhnlichem Glas gefertigten noch glühenden Stückes in ein "Temper-
bad" von hoher Temperatur. Zu dem letzteren gebraucht man ver-
schiedene Stoffe von hohem Siedepunkt, z. B. Margarine. In dem
Bade läßt man das Glas dann sehr langsam erkalten. Die so ge-
härteten Waren erfahren also zuerst eine verhältnismäßig rasche, dann
erst eine langsamer fortschreitende Kühlung. Sie zeigen dies auch in
ihren Eigenschaften deutlich. Obgleich sie nämlich in der That härter
sind wie gewöhnliches Glas, so werden sie doch bei gewaltsamer Ver-
letzung vollständig, fast explosionsartig, zertrümmert -- ein Anzeichen,
daß das anfängliche Kühlen einen bedeutenden Spannungszustand
zurückgelassen hat.

Eine andere Art gehärteten Glases, das Preßhartglas, wird beim
Formen durch Pressen zwischen heißen Metallplatten gedichtet und
dann langsam gekühlt. Trotz mancher Vorzüge des Hartglases hat

Das Hohlglas. — Das Hartglas.

Das reinſte weiße Glas iſt das beſonders zu Schleifwaren be-
ſtimmte Crownglas, welches in Böhmen in vorzüglicher Güte ge-
fertigt wird und daher auch böhmiſches Glas heißt. Man gebraucht
es aber auch, als das feinſte bleifreie Glas, zu optiſchen Zwecken;

[Abbildung] Fig. 459.
[Abbildung] Fig. 460.
[Abbildung] Fig. 461.

Glasröhrenziehen.

man ſchleift aus ihm die für die achromatiſchen Fernrohrobjektive
nötigen Crownglaslinſen. Die Materialien des Satzes müſſen für
dieſes Glas auf das Sorgfältigſte ausgewählt werden; auch iſt auf
Güte der Häfen und große Vollkommenheit des Läuterungsprozeſſes
zu ſehen. Man fertigt die Crownglaswaren meiſt durch Einblaſen in
Formen und nachfolgendes Feinſchleifen genau ſo, wie bei dem ſpäter
zu erwähnenden Kryſtallglas, bei welchem auch dieſe Operationen
beſchrieben werden.

b) Das Hartglas.

Wie oben erwähnt, iſt es ſelbſt durch das vollkommenſte Kühlen
nicht möglich, die unangenehmſte Eigenſchaft des Glaſes, ſeine Sprödig-
keit und Zerbrechlichkeit, ganz zu beſeitigen. Trotzdem hat es nicht an
Verſuchen gefehlt, durch beſondere Verfahren das Glas zu härten, d. h.
ihm eine bedeutende Elaſtizität, Härte und Widerſtandsfähigkeit gegen
Temperaturwechſel mitzuteilen.

Das Härten erfolgt gewöhnlich durch Eintauchen des aus ge-
wöhnlichem Glas gefertigten noch glühenden Stückes in ein „Temper-
bad“ von hoher Temperatur. Zu dem letzteren gebraucht man ver-
ſchiedene Stoffe von hohem Siedepunkt, z. B. Margarine. In dem
Bade läßt man das Glas dann ſehr langſam erkalten. Die ſo ge-
härteten Waren erfahren alſo zuerſt eine verhältnismäßig raſche, dann
erſt eine langſamer fortſchreitende Kühlung. Sie zeigen dies auch in
ihren Eigenſchaften deutlich. Obgleich ſie nämlich in der That härter
ſind wie gewöhnliches Glas, ſo werden ſie doch bei gewaltſamer Ver-
letzung vollſtändig, faſt exploſionsartig, zertrümmert — ein Anzeichen,
daß das anfängliche Kühlen einen bedeutenden Spannungszuſtand
zurückgelaſſen hat.

Eine andere Art gehärteten Glaſes, das Preßhartglas, wird beim
Formen durch Preſſen zwiſchen heißen Metallplatten gedichtet und
dann langſam gekühlt. Trotz mancher Vorzüge des Hartglaſes hat

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[857/0875] Das Hohlglas. — Das Hartglas. Das reinſte weiße Glas iſt das beſonders zu Schleifwaren be- ſtimmte Crownglas, welches in Böhmen in vorzüglicher Güte ge- fertigt wird und daher auch böhmiſches Glas heißt. Man gebraucht es aber auch, als das feinſte bleifreie Glas, zu optiſchen Zwecken; [Abbildung Fig. 459.] [Abbildung Fig. 460.] [Abbildung Fig. 461. Glasröhrenziehen.] man ſchleift aus ihm die für die achromatiſchen Fernrohrobjektive nötigen Crownglaslinſen. Die Materialien des Satzes müſſen für dieſes Glas auf das Sorgfältigſte ausgewählt werden; auch iſt auf Güte der Häfen und große Vollkommenheit des Läuterungsprozeſſes zu ſehen. Man fertigt die Crownglaswaren meiſt durch Einblaſen in Formen und nachfolgendes Feinſchleifen genau ſo, wie bei dem ſpäter zu erwähnenden Kryſtallglas, bei welchem auch dieſe Operationen beſchrieben werden. b) Das Hartglas. Wie oben erwähnt, iſt es ſelbſt durch das vollkommenſte Kühlen nicht möglich, die unangenehmſte Eigenſchaft des Glaſes, ſeine Sprödig- keit und Zerbrechlichkeit, ganz zu beſeitigen. Trotzdem hat es nicht an Verſuchen gefehlt, durch beſondere Verfahren das Glas zu härten, d. h. ihm eine bedeutende Elaſtizität, Härte und Widerſtandsfähigkeit gegen Temperaturwechſel mitzuteilen. Das Härten erfolgt gewöhnlich durch Eintauchen des aus ge- wöhnlichem Glas gefertigten noch glühenden Stückes in ein „Temper- bad“ von hoher Temperatur. Zu dem letzteren gebraucht man ver- ſchiedene Stoffe von hohem Siedepunkt, z. B. Margarine. In dem Bade läßt man das Glas dann ſehr langſam erkalten. Die ſo ge- härteten Waren erfahren alſo zuerſt eine verhältnismäßig raſche, dann erſt eine langſamer fortſchreitende Kühlung. Sie zeigen dies auch in ihren Eigenſchaften deutlich. Obgleich ſie nämlich in der That härter ſind wie gewöhnliches Glas, ſo werden ſie doch bei gewaltſamer Ver- letzung vollſtändig, faſt exploſionsartig, zertrümmert — ein Anzeichen, daß das anfängliche Kühlen einen bedeutenden Spannungszuſtand zurückgelaſſen hat. Eine andere Art gehärteten Glaſes, das Preßhartglas, wird beim Formen durch Preſſen zwiſchen heißen Metallplatten gedichtet und dann langſam gekühlt. Trotz mancher Vorzüge des Hartglaſes hat

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 857. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/875>, abgerufen am 29.03.2024.