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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Stenographie. -- Das Schreibmaterial.
Wir haben oben die Zeichen für m und l kennen gelernt; die enge
Verbindung derselben auf der Linie z. B. ohne Druck, also [Abbildung] giebt
das Wort Mehl, mit Druck, also [Abbildung] das Wort Mal, die weite Ver-
bindung auf der Linie, also [Abbildung] Meile, eng, unter der Linie, ohne
Druck [Abbildung] Mole, weit, unter der Linie, mit Druck [Abbildung] Mühle, u. s. w
Vor- und Nachsilben werden gekürzt, ebenso häufig vorkommende
Wörter, wie: sein, haben, können, mein, ich, du, aber und ähnliche.
1872 trat eine Vereinfachung des Systems nach mehreren Richtungen
ein, die besonders der leichteren Erlernbarkeit des Systems zugute
kommen sollte, aber zunächst allerdings eine Trennung in Alt- und
Neu-Stolzeaner zur Folge hatte. Eine weitere Umformung des Systems
für die gewöhnlichen Zwecke des Lebens fand im Jahre 1888 statt,
während die weitere Ausbildung des Systems nach der Seite der
Parlamentsschrift hin in dem Buche von Dr. Simmerlein: "Das
Kürzungswesen in der stenographischen Praxis nach dem Stolzeschen
System" (1880) erfolgte, in dem den angehenden Parlamentssteno-
graphen Anleitungen, Ratschläge, nebst Regeln zu weiteren, über die
Schulschrift hinausgehenden Kürzungen gegeben wurden.

Von den neueren Systemen, von denen keines das Gabelbergers
oder Stolzes, die beide auch vielfach in fremde Sprachen übertragen
wurden, zu verdrängen vermochte, sei nur noch als bedeutendstes das
von Leopold Arends aus dem Jahre 1850 erwähnt, das auch durch-
aus originell und in seiner Art vortrefflich ist, an Leichtigkeit der Er-
lernbarkeit aber den beiden älteren wohl nachstehen dürfte.

Das Schreibmaterial.

Schon früher haben wir gesehen, daß für die Entwickelung der
Schrift das vorhandene Schreibmaterial von ungeheurem Einfluß ge-
wesen ist. Es liegt daher nahe, auch auf diese Seite der Schrift-
entwicklung einzugehen. Über den wesentlichsten Stoff, der dabei in
Betracht kommt, das Papier, ist vorher ausführlich berichtet worden.
Während den alten Ägyptern die Natur schönes Schreibmaterial
in den Sandstein- und Kalkfelsen darbot, das für künstlerische Bear-
beitung außerordentlich geeignet war, mußten sich die Babylonier mit
gebrannten Ziegeln begnügen, deren geringe Härte beim Gebrauch zur

[Abbildung] Fig. 504.

Unglück für Assyrien (in Keilschrift).

Anwendung von Buchstaben aus lauter
spitzen, keilförmigen Strichen führte,
zur Keilschrift (siehe Fig. 504). Bei den
alten Chinesen waren Bambustafeln,
die mit Firnis überzogen waren, in Gebrauch. Man ritzte mit
einem spitzen Griffel in dieselben die Buchstaben ein. Ähnlich ver-
fuhren die Römer mit ihren Wachstafeln. Alle diese und ähnliche
Materialien konnten aber keinen Vergleich aushalten mit dem schon
in alten Zeiten, meist aber nur in Asien, besonders in Indien be-

Die Stenographie. — Das Schreibmaterial.
Wir haben oben die Zeichen für m und l kennen gelernt; die enge
Verbindung derſelben auf der Linie z. B. ohne Druck, alſo [Abbildung] giebt
das Wort Mehl, mit Druck, alſo [Abbildung] das Wort Mal, die weite Ver-
bindung auf der Linie, alſo [Abbildung] Meile, eng, unter der Linie, ohne
Druck [Abbildung] Mole, weit, unter der Linie, mit Druck [Abbildung] Mühle, u. ſ. w
Vor- und Nachſilben werden gekürzt, ebenſo häufig vorkommende
Wörter, wie: ſein, haben, können, mein, ich, du, aber und ähnliche.
1872 trat eine Vereinfachung des Syſtems nach mehreren Richtungen
ein, die beſonders der leichteren Erlernbarkeit des Syſtems zugute
kommen ſollte, aber zunächſt allerdings eine Trennung in Alt- und
Neu-Stolzeaner zur Folge hatte. Eine weitere Umformung des Syſtems
für die gewöhnlichen Zwecke des Lebens fand im Jahre 1888 ſtatt,
während die weitere Ausbildung des Syſtems nach der Seite der
Parlamentsſchrift hin in dem Buche von Dr. Simmerlein: „Das
Kürzungsweſen in der ſtenographiſchen Praxis nach dem Stolzeſchen
Syſtem“ (1880) erfolgte, in dem den angehenden Parlamentsſteno-
graphen Anleitungen, Ratſchläge, nebſt Regeln zu weiteren, über die
Schulſchrift hinausgehenden Kürzungen gegeben wurden.

Von den neueren Syſtemen, von denen keines das Gabelbergers
oder Stolzes, die beide auch vielfach in fremde Sprachen übertragen
wurden, zu verdrängen vermochte, ſei nur noch als bedeutendſtes das
von Leopold Arends aus dem Jahre 1850 erwähnt, das auch durch-
aus originell und in ſeiner Art vortrefflich iſt, an Leichtigkeit der Er-
lernbarkeit aber den beiden älteren wohl nachſtehen dürfte.

Das Schreibmaterial.

Schon früher haben wir geſehen, daß für die Entwickelung der
Schrift das vorhandene Schreibmaterial von ungeheurem Einfluß ge-
weſen iſt. Es liegt daher nahe, auch auf dieſe Seite der Schrift-
entwicklung einzugehen. Über den weſentlichſten Stoff, der dabei in
Betracht kommt, das Papier, iſt vorher ausführlich berichtet worden.
Während den alten Ägyptern die Natur ſchönes Schreibmaterial
in den Sandſtein- und Kalkfelſen darbot, das für künſtleriſche Bear-
beitung außerordentlich geeignet war, mußten ſich die Babylonier mit
gebrannten Ziegeln begnügen, deren geringe Härte beim Gebrauch zur

[Abbildung] Fig. 504.

Unglück für Aſſyrien (in Keilſchrift).

Anwendung von Buchſtaben aus lauter
ſpitzen, keilförmigen Strichen führte,
zur Keilſchrift (ſiehe Fig. 504). Bei den
alten Chineſen waren Bambustafeln,
die mit Firnis überzogen waren, in Gebrauch. Man ritzte mit
einem ſpitzen Griffel in dieſelben die Buchſtaben ein. Ähnlich ver-
fuhren die Römer mit ihren Wachstafeln. Alle dieſe und ähnliche
Materialien konnten aber keinen Vergleich aushalten mit dem ſchon
in alten Zeiten, meiſt aber nur in Aſien, beſonders in Indien be-

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[943/0961] Die Stenographie. — Das Schreibmaterial. Wir haben oben die Zeichen für m und l kennen gelernt; die enge Verbindung derſelben auf der Linie z. B. ohne Druck, alſo [Abbildung] giebt das Wort Mehl, mit Druck, alſo [Abbildung] das Wort Mal, die weite Ver- bindung auf der Linie, alſo [Abbildung] Meile, eng, unter der Linie, ohne Druck [Abbildung] Mole, weit, unter der Linie, mit Druck [Abbildung] Mühle, u. ſ. w Vor- und Nachſilben werden gekürzt, ebenſo häufig vorkommende Wörter, wie: ſein, haben, können, mein, ich, du, aber und ähnliche. 1872 trat eine Vereinfachung des Syſtems nach mehreren Richtungen ein, die beſonders der leichteren Erlernbarkeit des Syſtems zugute kommen ſollte, aber zunächſt allerdings eine Trennung in Alt- und Neu-Stolzeaner zur Folge hatte. Eine weitere Umformung des Syſtems für die gewöhnlichen Zwecke des Lebens fand im Jahre 1888 ſtatt, während die weitere Ausbildung des Syſtems nach der Seite der Parlamentsſchrift hin in dem Buche von Dr. Simmerlein: „Das Kürzungsweſen in der ſtenographiſchen Praxis nach dem Stolzeſchen Syſtem“ (1880) erfolgte, in dem den angehenden Parlamentsſteno- graphen Anleitungen, Ratſchläge, nebſt Regeln zu weiteren, über die Schulſchrift hinausgehenden Kürzungen gegeben wurden. Von den neueren Syſtemen, von denen keines das Gabelbergers oder Stolzes, die beide auch vielfach in fremde Sprachen übertragen wurden, zu verdrängen vermochte, ſei nur noch als bedeutendſtes das von Leopold Arends aus dem Jahre 1850 erwähnt, das auch durch- aus originell und in ſeiner Art vortrefflich iſt, an Leichtigkeit der Er- lernbarkeit aber den beiden älteren wohl nachſtehen dürfte. Das Schreibmaterial. Schon früher haben wir geſehen, daß für die Entwickelung der Schrift das vorhandene Schreibmaterial von ungeheurem Einfluß ge- weſen iſt. Es liegt daher nahe, auch auf dieſe Seite der Schrift- entwicklung einzugehen. Über den weſentlichſten Stoff, der dabei in Betracht kommt, das Papier, iſt vorher ausführlich berichtet worden. Während den alten Ägyptern die Natur ſchönes Schreibmaterial in den Sandſtein- und Kalkfelſen darbot, das für künſtleriſche Bear- beitung außerordentlich geeignet war, mußten ſich die Babylonier mit gebrannten Ziegeln begnügen, deren geringe Härte beim Gebrauch zur [Abbildung Fig. 504. Unglück für Aſſyrien (in Keilſchrift).] Anwendung von Buchſtaben aus lauter ſpitzen, keilförmigen Strichen führte, zur Keilſchrift (ſiehe Fig. 504). Bei den alten Chineſen waren Bambustafeln, die mit Firnis überzogen waren, in Gebrauch. Man ritzte mit einem ſpitzen Griffel in dieſelben die Buchſtaben ein. Ähnlich ver- fuhren die Römer mit ihren Wachstafeln. Alle dieſe und ähnliche Materialien konnten aber keinen Vergleich aushalten mit dem ſchon in alten Zeiten, meiſt aber nur in Aſien, beſonders in Indien be-

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 943. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/961>, abgerufen am 28.03.2024.