Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Heut sah ich auch einen Abbe', der auf dem Hin-
terkopf, auf der Sutura cranii, 2. grosse aufrechtstehen-
de Locken hatte, wie an den Seiten. -- Eine bizarre
Figur! Aber so weit geht die Putzthorheit, und die Sucht,
was neues zu haben, selbst unter den Mannspersonen die-
ser Nation! --

Noch bemerkte ich heute eine bequeme Einrichtung
eines Schreibtisches bei dem Kaufmanne, Hrn. La-
vabre, wo ich neulich zu Abend speißte. Damit der
Sand nicht auf dem Tische liegen bleibt, hatte er gar kei-
ne Sandbüchse, sondern unter dem Tischblatt eine Schub-
lade mit Fächern, da war sein Sand, -- nämlich Sä-
genspäne von Buxbaumholz -- darin; das Geschrie-
bene hält er in die Schublade und bestreut es. So kam
kein Körnchen Sand auf den Tisch; ca use les habits,
sagte der Franzos.

Viele Franzosen bewunderten meine Schreibtafel
von Pergament. Sie fanden sie sehr bequem, und auf
Reisen gar gut, daß man sie mit Oehl wieder auslöschen
kan. Ihre Tabletten stecken voll Kartenblätter, Korkzie-
her, Fläschchen, kleine Kämmchen etc. denn Spielzeug
müssen ja die grossen Kinder beständig haben, wenn sie
zufrieden seyn sollen. --

Zu den Lieblingsgesprächen der Nation gehörts
mit, vor die Karte von Paris hintreten und streiten,
welches Quartier das schönste sei. Stundenlang können
sie darüber ein Geschrei machen, daß man unwillig wer-
den möchte. Und lobt ein Fremder etlichemahl Ver-
sailles, so verliert er ganz gewis bei den Parisern allen
seinen Kredit. Da heißts: Il est bien ennuyant, il

n'y

Heut ſah ich auch einen Abbe’, der auf dem Hin-
terkopf, auf der Sutura cranii, 2. groſſe aufrechtſtehen-
de Locken hatte, wie an den Seiten. — Eine bizarre
Figur! Aber ſo weit geht die Putzthorheit, und die Sucht,
was neues zu haben, ſelbſt unter den Mannsperſonen die-
ſer Nation! —

Noch bemerkte ich heute eine bequeme Einrichtung
eines Schreibtiſches bei dem Kaufmanne, Hrn. La-
vabre, wo ich neulich zu Abend ſpeißte. Damit der
Sand nicht auf dem Tiſche liegen bleibt, hatte er gar kei-
ne Sandbuͤchſe, ſondern unter dem Tiſchblatt eine Schub-
lade mit Faͤchern, da war ſein Sand, — naͤmlich Saͤ-
genſpaͤne von Buxbaumholz — darin; das Geſchrie-
bene haͤlt er in die Schublade und beſtreut es. So kam
kein Koͤrnchen Sand auf den Tiſch; ça uſe les habits,
ſagte der Franzos.

Viele Franzoſen bewunderten meine Schreibtafel
von Pergament. Sie fanden ſie ſehr bequem, und auf
Reiſen gar gut, daß man ſie mit Oehl wieder ausloͤſchen
kan. Ihre Tabletten ſtecken voll Kartenblaͤtter, Korkzie-
her, Flaͤſchchen, kleine Kaͤmmchen ꝛc. denn Spielzeug
muͤſſen ja die groſſen Kinder beſtaͤndig haben, wenn ſie
zufrieden ſeyn ſollen. —

Zu den Lieblingsgeſpraͤchen der Nation gehoͤrts
mit, vor die Karte von Paris hintreten und ſtreiten,
welches Quartier das ſchoͤnſte ſei. Stundenlang koͤnnen
ſie daruͤber ein Geſchrei machen, daß man unwillig wer-
den moͤchte. Und lobt ein Fremder etlichemahl Ver-
ſailles, ſo verliert er ganz gewis bei den Pariſern allen
ſeinen Kredit. Da heißts: Il eſt bien ennuyant, il

n’y
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0364" n="340"/>
            <p>Heut &#x017F;ah ich auch einen <hi rendition="#fr">Abbe&#x2019;,</hi> der auf dem Hin-<lb/>
terkopf, auf der <hi rendition="#aq">Sutura cranii,</hi> 2. gro&#x017F;&#x017F;e aufrecht&#x017F;tehen-<lb/>
de Locken hatte, wie an den Seiten. &#x2014; Eine bizarre<lb/>
Figur! Aber &#x017F;o weit geht die Putzthorheit, und die Sucht,<lb/>
was neues zu haben, &#x017F;elb&#x017F;t unter den Mannsper&#x017F;onen die-<lb/>
&#x017F;er Nation! &#x2014;</p><lb/>
            <p>Noch bemerkte ich heute eine bequeme Einrichtung<lb/>
eines <hi rendition="#fr">Schreibti&#x017F;ches</hi> bei dem Kaufmanne, Hrn. <hi rendition="#fr">La-<lb/>
vabre,</hi> wo ich neulich zu Abend &#x017F;peißte. Damit der<lb/>
Sand nicht auf dem Ti&#x017F;che liegen bleibt, hatte er gar kei-<lb/>
ne Sandbu&#x0364;ch&#x017F;e, &#x017F;ondern unter dem Ti&#x017F;chblatt eine Schub-<lb/>
lade mit Fa&#x0364;chern, da war &#x017F;ein <hi rendition="#fr">Sand,</hi> &#x2014; na&#x0364;mlich Sa&#x0364;-<lb/>
gen&#x017F;pa&#x0364;ne von Buxbaumholz &#x2014; darin; das Ge&#x017F;chrie-<lb/>
bene ha&#x0364;lt er in die Schublade und be&#x017F;treut es. So kam<lb/>
kein Ko&#x0364;rnchen Sand auf den Ti&#x017F;ch; <hi rendition="#aq">ça u&#x017F;e les habits,</hi><lb/>
&#x017F;agte der Franzos.</p><lb/>
            <p>Viele Franzo&#x017F;en bewunderten meine <hi rendition="#fr">Schreibtafel</hi><lb/>
von Pergament. Sie fanden &#x017F;ie &#x017F;ehr bequem, und auf<lb/>
Rei&#x017F;en gar gut, daß man &#x017F;ie mit Oehl wieder auslo&#x0364;&#x017F;chen<lb/>
kan. Ihre Tabletten &#x017F;tecken voll Kartenbla&#x0364;tter, Korkzie-<lb/>
her, Fla&#x0364;&#x017F;chchen, kleine Ka&#x0364;mmchen &#xA75B;c. denn Spielzeug<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ja die gro&#x017F;&#x017F;en Kinder be&#x017F;ta&#x0364;ndig haben, wenn &#x017F;ie<lb/>
zufrieden &#x017F;eyn &#x017F;ollen. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Zu den <hi rendition="#fr">Lieblingsge&#x017F;pra&#x0364;chen</hi> der Nation geho&#x0364;rts<lb/>
mit, vor die Karte von <hi rendition="#fr">Paris</hi> hintreten und &#x017F;treiten,<lb/>
welches Quartier das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te &#x017F;ei. Stundenlang ko&#x0364;nnen<lb/>
&#x017F;ie daru&#x0364;ber ein Ge&#x017F;chrei machen, daß man unwillig wer-<lb/>
den mo&#x0364;chte. Und lobt ein Fremder etlichemahl <hi rendition="#fr">Ver-<lb/>
&#x017F;ailles,</hi> &#x017F;o verliert er ganz gewis bei den <hi rendition="#fr">Pari&#x017F;</hi>ern allen<lb/>
&#x017F;einen Kredit. Da heißts: <hi rendition="#aq">Il e&#x017F;t bien ennuyant, il</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">n&#x2019;y</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0364] Heut ſah ich auch einen Abbe’, der auf dem Hin- terkopf, auf der Sutura cranii, 2. groſſe aufrechtſtehen- de Locken hatte, wie an den Seiten. — Eine bizarre Figur! Aber ſo weit geht die Putzthorheit, und die Sucht, was neues zu haben, ſelbſt unter den Mannsperſonen die- ſer Nation! — Noch bemerkte ich heute eine bequeme Einrichtung eines Schreibtiſches bei dem Kaufmanne, Hrn. La- vabre, wo ich neulich zu Abend ſpeißte. Damit der Sand nicht auf dem Tiſche liegen bleibt, hatte er gar kei- ne Sandbuͤchſe, ſondern unter dem Tiſchblatt eine Schub- lade mit Faͤchern, da war ſein Sand, — naͤmlich Saͤ- genſpaͤne von Buxbaumholz — darin; das Geſchrie- bene haͤlt er in die Schublade und beſtreut es. So kam kein Koͤrnchen Sand auf den Tiſch; ça uſe les habits, ſagte der Franzos. Viele Franzoſen bewunderten meine Schreibtafel von Pergament. Sie fanden ſie ſehr bequem, und auf Reiſen gar gut, daß man ſie mit Oehl wieder ausloͤſchen kan. Ihre Tabletten ſtecken voll Kartenblaͤtter, Korkzie- her, Flaͤſchchen, kleine Kaͤmmchen ꝛc. denn Spielzeug muͤſſen ja die groſſen Kinder beſtaͤndig haben, wenn ſie zufrieden ſeyn ſollen. — Zu den Lieblingsgeſpraͤchen der Nation gehoͤrts mit, vor die Karte von Paris hintreten und ſtreiten, welches Quartier das ſchoͤnſte ſei. Stundenlang koͤnnen ſie daruͤber ein Geſchrei machen, daß man unwillig wer- den moͤchte. Und lobt ein Fremder etlichemahl Ver- ſailles, ſo verliert er ganz gewis bei den Pariſern allen ſeinen Kredit. Da heißts: Il eſt bien ennuyant, il n’y

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/364
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/364>, abgerufen am 18.04.2024.