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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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nur 6. bezahlt. Der Weg ist von Paris bis Valen-
ciennes
in der Mitte gepflastert, und mit Bäumen be-
setzt.

Bis gegen Cambray zu ist überall die terre mar-
neuse
,
und der Baustein, der schon in Champagne an-
fängt. Daher sehen auch alle Häuser weis, und wenn
sie alt sind, schwarz aus. Man findet meist die herrlich-
sten Gegenden, die schönsten Fruchtfelder, unabsehliche
Ebenen zu beiden Seiten, hie und da kommen kleine Ber-
ge und Wälder vor.

Man passirt sehr viele Dörfer, sie sind aber klein,
schlecht und arm.

Die Posten sind gut bestellt. Sie fahren mit der
beladenen Diligence oft schneller, als die Extraposten in
Deutschland. Oft sind die Posthäuser bloße Häuser
an der Strasse. Sie bringen aber die Pferde schon, ehe
die andern abgespannt sind. Die Postillons tragen meist
blaue Röcke mit rothen Aufschlägen, aber kein einziger
hat ein Horn. In ihre grossen Stiefeln fahren sie mit
Schuh und Strümpfen.

Die Reisegesellschaft war nicht für mich. Ein
paar läppische Franzosen, davon der eine ein junger Of-
fizier, und der andre schon ein Mann von etlichen vierzig
Jahren war, trieben mit einer vornehmen französischen
Metze allen möglichen Muthwillen, und ihr war damit
gedient. Der Offizier erlaubte sich alles vor seinem Be-
dienten, der dabei saß; die Dame lies auch alles mit sich
machen, und dies in Gegenwart eines andern Frauenzim-
mers, das noch den Blick, welchen die Tugend und Sitt-
samkeit hat, in seiner Gewalt hatte, und stillschweigend

wie
B b 2

nur 6. bezahlt. Der Weg iſt von Paris bis Valen-
ciennes
in der Mitte gepflaſtert, und mit Baͤumen be-
ſetzt.

Bis gegen Cambray zu iſt uͤberall die terre mar-
neuſe
,
und der Bauſtein, der ſchon in Champagne an-
faͤngt. Daher ſehen auch alle Haͤuſer weis, und wenn
ſie alt ſind, ſchwarz aus. Man findet meiſt die herrlich-
ſten Gegenden, die ſchoͤnſten Fruchtfelder, unabſehliche
Ebenen zu beiden Seiten, hie und da kommen kleine Ber-
ge und Waͤlder vor.

Man paſſirt ſehr viele Doͤrfer, ſie ſind aber klein,
ſchlecht und arm.

Die Poſten ſind gut beſtellt. Sie fahren mit der
beladenen Diligence oft ſchneller, als die Extrapoſten in
Deutſchland. Oft ſind die Poſthaͤuſer bloße Haͤuſer
an der Straſſe. Sie bringen aber die Pferde ſchon, ehe
die andern abgeſpannt ſind. Die Poſtillons tragen meiſt
blaue Roͤcke mit rothen Aufſchlaͤgen, aber kein einziger
hat ein Horn. In ihre groſſen Stiefeln fahren ſie mit
Schuh und Struͤmpfen.

Die Reiſegeſellſchaft war nicht fuͤr mich. Ein
paar laͤppiſche Franzoſen, davon der eine ein junger Of-
fizier, und der andre ſchon ein Mann von etlichen vierzig
Jahren war, trieben mit einer vornehmen franzoͤſiſchen
Metze allen moͤglichen Muthwillen, und ihr war damit
gedient. Der Offizier erlaubte ſich alles vor ſeinem Be-
dienten, der dabei ſaß; die Dame lies auch alles mit ſich
machen, und dies in Gegenwart eines andern Frauenzim-
mers, das noch den Blick, welchen die Tugend und Sitt-
ſamkeit hat, in ſeiner Gewalt hatte, und ſtillſchweigend

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[387/0411] nur 6. bezahlt. Der Weg iſt von Paris bis Valen- ciennes in der Mitte gepflaſtert, und mit Baͤumen be- ſetzt. Bis gegen Cambray zu iſt uͤberall die terre mar- neuſe, und der Bauſtein, der ſchon in Champagne an- faͤngt. Daher ſehen auch alle Haͤuſer weis, und wenn ſie alt ſind, ſchwarz aus. Man findet meiſt die herrlich- ſten Gegenden, die ſchoͤnſten Fruchtfelder, unabſehliche Ebenen zu beiden Seiten, hie und da kommen kleine Ber- ge und Waͤlder vor. Man paſſirt ſehr viele Doͤrfer, ſie ſind aber klein, ſchlecht und arm. Die Poſten ſind gut beſtellt. Sie fahren mit der beladenen Diligence oft ſchneller, als die Extrapoſten in Deutſchland. Oft ſind die Poſthaͤuſer bloße Haͤuſer an der Straſſe. Sie bringen aber die Pferde ſchon, ehe die andern abgeſpannt ſind. Die Poſtillons tragen meiſt blaue Roͤcke mit rothen Aufſchlaͤgen, aber kein einziger hat ein Horn. In ihre groſſen Stiefeln fahren ſie mit Schuh und Struͤmpfen. Die Reiſegeſellſchaft war nicht fuͤr mich. Ein paar laͤppiſche Franzoſen, davon der eine ein junger Of- fizier, und der andre ſchon ein Mann von etlichen vierzig Jahren war, trieben mit einer vornehmen franzoͤſiſchen Metze allen moͤglichen Muthwillen, und ihr war damit gedient. Der Offizier erlaubte ſich alles vor ſeinem Be- dienten, der dabei ſaß; die Dame lies auch alles mit ſich machen, und dies in Gegenwart eines andern Frauenzim- mers, das noch den Blick, welchen die Tugend und Sitt- ſamkeit hat, in ſeiner Gewalt hatte, und ſtillſchweigend wie B b 2

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/411>, abgerufen am 25.04.2024.