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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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tions, mich nicht überzeugen könnten. Er führte mir
Heinrich des 4ten Beispiel an, der das Sicherste ge-
wählt hätte etc. Er fragte mich, was ich denn an der
katholischen Kirche auszusetzen hätte, da ich ihm selbst ge-
stand, daß ich glaubte, viele tausend Katholicken würden
selig werden. -- Ueber die Märtyrer, über der Heiden
Schicksal, über Juda's, über die Authorität der Päbste
etc. waren wir nun freilich sehr verschiedener Meinung,
und da klebte er fest an den gröbsten Vorurtheilen. Aus-
serordentlich betreten war er, als ich ihm versicherte, das
Resultat unpartheiischer Untersuchungen in der Kirchen-
geschichte wäre, daß es sich nicht beweisen lasse, daß Pe-
trus
je in Rom gewesen sei. -- Die historische Erklä-
rung der Stelle Matth. XVI. 18. war ihm auch neu.
Ueber die Stelle im Daniel von den Allmosen stritten
wir auch lange. -- Zuletzt wurden wir aber gute Freun-
de, und er versprach mir seine tägliche Fürbitte mit den
besten Wünschen auf die Reise. Ich muste ihm meine
Addresse auf eine Karte schreiben, und er bat mich sehr,
wenn ich je wieder nach Paris kommen sollte, ihn zu be-
suchen, und ihm auch einmahl zu schreiben. Wir waren
darin einig, daß nur allein die Religion, und ihre Beleh-
rungen von Jesu Christo Trost fürs Herz gäben. Er
bat mich sehr, ihm nicht übel zu nehmen, daß er
gleich davon angefangen hätte, er sei es seinem Glauben
schuldig etc. Er ging an der Krücke nach dem Morast,
weil er auf dem Eise in Paris gefallen war. Vier und
sechzig Erklärungen, sagte er, habe man von den Einse-
tzungsworten aufgestellt etc. Beim Weggehen fiel mir
der Mann recht zärtlich um den Hals und versicherte
mich, daß er mich sehr ungern da wieder verliere, wo er
mich kaum gefunden habe.

Auf

tions, mich nicht uͤberzeugen koͤnnten. Er fuͤhrte mir
Heinrich des 4ten Beiſpiel an, der das Sicherſte ge-
waͤhlt haͤtte ꝛc. Er fragte mich, was ich denn an der
katholiſchen Kirche auszuſetzen haͤtte, da ich ihm ſelbſt ge-
ſtand, daß ich glaubte, viele tauſend Katholicken wuͤrden
ſelig werden. — Ueber die Maͤrtyrer, uͤber der Heiden
Schickſal, uͤber Juda’s, uͤber die Authoritaͤt der Paͤbſte
ꝛc. waren wir nun freilich ſehr verſchiedener Meinung,
und da klebte er feſt an den groͤbſten Vorurtheilen. Auſ-
ſerordentlich betreten war er, als ich ihm verſicherte, das
Reſultat unpartheiiſcher Unterſuchungen in der Kirchen-
geſchichte waͤre, daß es ſich nicht beweiſen laſſe, daß Pe-
trus
je in Rom geweſen ſei. — Die hiſtoriſche Erklaͤ-
rung der Stelle Matth. XVI. 18. war ihm auch neu.
Ueber die Stelle im Daniel von den Allmoſen ſtritten
wir auch lange. — Zuletzt wurden wir aber gute Freun-
de, und er verſprach mir ſeine taͤgliche Fuͤrbitte mit den
beſten Wuͤnſchen auf die Reiſe. Ich muſte ihm meine
Addreſſe auf eine Karte ſchreiben, und er bat mich ſehr,
wenn ich je wieder nach Paris kommen ſollte, ihn zu be-
ſuchen, und ihm auch einmahl zu ſchreiben. Wir waren
darin einig, daß nur allein die Religion, und ihre Beleh-
rungen von Jeſu Chriſto Troſt fuͤrs Herz gaͤben. Er
bat mich ſehr, ihm nicht uͤbel zu nehmen, daß er
gleich davon angefangen haͤtte, er ſei es ſeinem Glauben
ſchuldig ꝛc. Er ging an der Kruͤcke nach dem Moraſt,
weil er auf dem Eiſe in Paris gefallen war. Vier und
ſechzig Erklaͤrungen, ſagte er, habe man von den Einſe-
tzungsworten aufgeſtellt ꝛc. Beim Weggehen fiel mir
der Mann recht zaͤrtlich um den Hals und verſicherte
mich, daß er mich ſehr ungern da wieder verliere, wo er
mich kaum gefunden habe.

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[414/0438] tions, mich nicht uͤberzeugen koͤnnten. Er fuͤhrte mir Heinrich des 4ten Beiſpiel an, der das Sicherſte ge- waͤhlt haͤtte ꝛc. Er fragte mich, was ich denn an der katholiſchen Kirche auszuſetzen haͤtte, da ich ihm ſelbſt ge- ſtand, daß ich glaubte, viele tauſend Katholicken wuͤrden ſelig werden. — Ueber die Maͤrtyrer, uͤber der Heiden Schickſal, uͤber Juda’s, uͤber die Authoritaͤt der Paͤbſte ꝛc. waren wir nun freilich ſehr verſchiedener Meinung, und da klebte er feſt an den groͤbſten Vorurtheilen. Auſ- ſerordentlich betreten war er, als ich ihm verſicherte, das Reſultat unpartheiiſcher Unterſuchungen in der Kirchen- geſchichte waͤre, daß es ſich nicht beweiſen laſſe, daß Pe- trus je in Rom geweſen ſei. — Die hiſtoriſche Erklaͤ- rung der Stelle Matth. XVI. 18. war ihm auch neu. Ueber die Stelle im Daniel von den Allmoſen ſtritten wir auch lange. — Zuletzt wurden wir aber gute Freun- de, und er verſprach mir ſeine taͤgliche Fuͤrbitte mit den beſten Wuͤnſchen auf die Reiſe. Ich muſte ihm meine Addreſſe auf eine Karte ſchreiben, und er bat mich ſehr, wenn ich je wieder nach Paris kommen ſollte, ihn zu be- ſuchen, und ihm auch einmahl zu ſchreiben. Wir waren darin einig, daß nur allein die Religion, und ihre Beleh- rungen von Jeſu Chriſto Troſt fuͤrs Herz gaͤben. Er bat mich ſehr, ihm nicht uͤbel zu nehmen, daß er gleich davon angefangen haͤtte, er ſei es ſeinem Glauben ſchuldig ꝛc. Er ging an der Kruͤcke nach dem Moraſt, weil er auf dem Eiſe in Paris gefallen war. Vier und ſechzig Erklaͤrungen, ſagte er, habe man von den Einſe- tzungsworten aufgeſtellt ꝛc. Beim Weggehen fiel mir der Mann recht zaͤrtlich um den Hals und verſicherte mich, daß er mich ſehr ungern da wieder verliere, wo er mich kaum gefunden habe. Auf

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/438>, abgerufen am 19.04.2024.