Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

ten, daß ihnen zuweilen geprediget würde, als wenn sie
nicht eigne Pflichten, eigne Sünden, eigne Gefahren,
eigne Reizungen hätten. -- Ueberall sind Grabstei-
ne mit Inschriften. Kurz, kein Fürst in Deutschland
hat so eine kunst- und prachtvolle Kirche, als hier diese
Pfaffen. Die Abtei hält sehr grosse Schaafheerden.

Als ich hierauf nach Hause kam, fand ich meinen
Kuffer. Er war am 17ten Abends, mit der Post von
Paris gekommen, also wirklich dort vergessen worden.
Mit unendlichem Vergnügen sah ich ihn nun auf meinem
Zimmer, und machte noch diesen Abend einen sehr wich-
tigen Gebrauch von den darin befindlichen Pariser Brie-
fen. Der Directeur des Carosses pour Bruxelles,
Mr. Maladery, Rue de Cambray, vis a vis le
Lion d'argent,
bei dem ich einen Platz nach Brüssel
bestellte, forderte einen Paß, ohne den ich nicht aus
Frankreich kommen würde. In dieser neuen Verlegen-
heit ging ich wieder zu Mr. Dehault, der nicht ermü-
dete, sich meiner anzunehmen. Er fragte, ob ich gar
keine pieces justificatives hätte, ich holte meine Brie-
fe hervor, er sah sie an und schrieb mir ein Billet an
Mr. Maladery; der war damit zufrieden, verlangte
keinen Paß mehr, und gab mir ein Kartenblatt, worauf
stand: Laissez passer le porteur du present billet.
Ferraud. Mr. Ferraud
ist Commandant general de
la Place.
Dieses Billet sollte ich am Thore abgeben, und
nun nahm ich Abschied von dem lieben Mr. Dehault,
den ich ungern verlor, und nie vergessen werde. -- Aber
so viel Schwierigkeiten hatt' ich, nur um aus dem Kö-
nigreiche zu kommen!

Bemer-
D d

ten, daß ihnen zuweilen geprediget wuͤrde, als wenn ſie
nicht eigne Pflichten, eigne Suͤnden, eigne Gefahren,
eigne Reizungen haͤtten. — Ueberall ſind Grabſtei-
ne mit Inſchriften. Kurz, kein Fuͤrſt in Deutſchland
hat ſo eine kunſt- und prachtvolle Kirche, als hier dieſe
Pfaffen. Die Abtei haͤlt ſehr groſſe Schaafheerden.

Als ich hierauf nach Hauſe kam, fand ich meinen
Kuffer. Er war am 17ten Abends, mit der Poſt von
Paris gekommen, alſo wirklich dort vergeſſen worden.
Mit unendlichem Vergnuͤgen ſah ich ihn nun auf meinem
Zimmer, und machte noch dieſen Abend einen ſehr wich-
tigen Gebrauch von den darin befindlichen Pariſer Brie-
fen. Der Directeur des Caroſſes pour Bruxelles,
Mr. Maladery, Rue de Cambray, vis à vis le
Lion d’argent,
bei dem ich einen Platz nach Bruͤſſel
beſtellte, forderte einen Paß, ohne den ich nicht aus
Frankreich kommen wuͤrde. In dieſer neuen Verlegen-
heit ging ich wieder zu Mr. Dehault, der nicht ermuͤ-
dete, ſich meiner anzunehmen. Er fragte, ob ich gar
keine pieces juſtificatives haͤtte, ich holte meine Brie-
fe hervor, er ſah ſie an und ſchrieb mir ein Billet an
Mr. Maladery; der war damit zufrieden, verlangte
keinen Paß mehr, und gab mir ein Kartenblatt, worauf
ſtand: Laiſſez paſſer le porteur du preſent billet.
Ferraud. Mr. Ferraud
iſt Commandant general de
la Place.
Dieſes Billet ſollte ich am Thore abgeben, und
nun nahm ich Abſchied von dem lieben Mr. Dehault,
den ich ungern verlor, und nie vergeſſen werde. — Aber
ſo viel Schwierigkeiten hatt’ ich, nur um aus dem Koͤ-
nigreiche zu kommen!

Bemer-
D d
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0441" n="417"/>
ten, daß ihnen zuweilen geprediget wu&#x0364;rde, als wenn &#x017F;ie<lb/>
nicht eigne Pflichten, eigne Su&#x0364;nden, eigne Gefahren,<lb/>
eigne Reizungen ha&#x0364;tten. &#x2014; Ueberall &#x017F;ind Grab&#x017F;tei-<lb/>
ne mit In&#x017F;chriften. Kurz, kein Fu&#x0364;r&#x017F;t in <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chland</hi><lb/>
hat &#x017F;o eine kun&#x017F;t- und prachtvolle Kirche, als hier die&#x017F;e<lb/>
Pfaffen. Die Abtei ha&#x0364;lt &#x017F;ehr gro&#x017F;&#x017F;e Schaafheerden.</p><lb/>
            <p>Als ich hierauf nach Hau&#x017F;e kam, fand ich meinen<lb/>
Kuffer. Er war am 17ten Abends, mit der Po&#x017F;t von<lb/><hi rendition="#fr">Paris</hi> gekommen, al&#x017F;o wirklich dort verge&#x017F;&#x017F;en worden.<lb/>
Mit unendlichem Vergnu&#x0364;gen &#x017F;ah ich ihn nun auf meinem<lb/>
Zimmer, und machte noch die&#x017F;en Abend einen &#x017F;ehr wich-<lb/>
tigen Gebrauch von den darin befindlichen <hi rendition="#fr">Pari</hi>&#x017F;er Brie-<lb/>
fen. Der <hi rendition="#aq">Directeur des Caro&#x017F;&#x017F;es pour <hi rendition="#i">Bruxelles,</hi><lb/>
Mr. <hi rendition="#i">Maladery,</hi> Rue de <hi rendition="#i">Cambray,</hi> vis à vis le<lb/>
Lion d&#x2019;argent,</hi> bei dem ich einen Platz nach <hi rendition="#fr">Bru&#x0364;&#x017F;&#x017F;el</hi><lb/>
be&#x017F;tellte, forderte einen Paß, ohne den ich nicht aus<lb/><hi rendition="#fr">Frankreich</hi> kommen wu&#x0364;rde. In die&#x017F;er neuen Verlegen-<lb/>
heit ging ich wieder zu <hi rendition="#aq">Mr. <hi rendition="#i">Dehault,</hi></hi> der nicht ermu&#x0364;-<lb/>
dete, &#x017F;ich meiner anzunehmen. Er fragte, ob ich gar<lb/>
keine <hi rendition="#aq">pieces ju&#x017F;tificatives</hi> ha&#x0364;tte, ich holte meine Brie-<lb/>
fe hervor, er &#x017F;ah &#x017F;ie an und &#x017F;chrieb mir ein Billet an<lb/><hi rendition="#aq">Mr. <hi rendition="#i">Maladery;</hi></hi> der war damit zufrieden, verlangte<lb/>
keinen Paß mehr, und gab mir ein Kartenblatt, worauf<lb/>
&#x017F;tand: <hi rendition="#aq">Lai&#x017F;&#x017F;ez pa&#x017F;&#x017F;er le porteur du pre&#x017F;ent billet.<lb/><hi rendition="#i">Ferraud.</hi> Mr. <hi rendition="#i">Ferraud</hi></hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Commandant general de<lb/>
la Place.</hi> Die&#x017F;es Billet &#x017F;ollte ich am Thore abgeben, und<lb/>
nun nahm ich Ab&#x017F;chied von dem lieben <hi rendition="#aq">Mr. <hi rendition="#i">Dehault,</hi></hi><lb/>
den ich ungern verlor, und nie verge&#x017F;&#x017F;en werde. &#x2014; Aber<lb/>
&#x017F;o viel Schwierigkeiten hatt&#x2019; ich, nur um aus dem Ko&#x0364;-<lb/>
nigreiche zu kommen!</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">D d</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Bemer-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[417/0441] ten, daß ihnen zuweilen geprediget wuͤrde, als wenn ſie nicht eigne Pflichten, eigne Suͤnden, eigne Gefahren, eigne Reizungen haͤtten. — Ueberall ſind Grabſtei- ne mit Inſchriften. Kurz, kein Fuͤrſt in Deutſchland hat ſo eine kunſt- und prachtvolle Kirche, als hier dieſe Pfaffen. Die Abtei haͤlt ſehr groſſe Schaafheerden. Als ich hierauf nach Hauſe kam, fand ich meinen Kuffer. Er war am 17ten Abends, mit der Poſt von Paris gekommen, alſo wirklich dort vergeſſen worden. Mit unendlichem Vergnuͤgen ſah ich ihn nun auf meinem Zimmer, und machte noch dieſen Abend einen ſehr wich- tigen Gebrauch von den darin befindlichen Pariſer Brie- fen. Der Directeur des Caroſſes pour Bruxelles, Mr. Maladery, Rue de Cambray, vis à vis le Lion d’argent, bei dem ich einen Platz nach Bruͤſſel beſtellte, forderte einen Paß, ohne den ich nicht aus Frankreich kommen wuͤrde. In dieſer neuen Verlegen- heit ging ich wieder zu Mr. Dehault, der nicht ermuͤ- dete, ſich meiner anzunehmen. Er fragte, ob ich gar keine pieces juſtificatives haͤtte, ich holte meine Brie- fe hervor, er ſah ſie an und ſchrieb mir ein Billet an Mr. Maladery; der war damit zufrieden, verlangte keinen Paß mehr, und gab mir ein Kartenblatt, worauf ſtand: Laiſſez paſſer le porteur du preſent billet. Ferraud. Mr. Ferraud iſt Commandant general de la Place. Dieſes Billet ſollte ich am Thore abgeben, und nun nahm ich Abſchied von dem lieben Mr. Dehault, den ich ungern verlor, und nie vergeſſen werde. — Aber ſo viel Schwierigkeiten hatt’ ich, nur um aus dem Koͤ- nigreiche zu kommen! Bemer- D d

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/441
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/441>, abgerufen am 25.04.2024.