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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Antwerpen. Die Schelde fließt wiederum sehr
breit an der Stadt vorbei. Die Stadt ist gros, breit
auseinandergezogen, hat viele öffentliche Plätze, viele
sehr breite Strassen, meist sehr hohe Häuser, -- und
eine Menge Einwohner. Sie ist ganz gepflastert, hat
gutes Wasser, und das hiesige Weisbier ist besser, als
das übrige weisse in Flandern. Ich nahm meine Woh-
nung im goldnen Einhorn, -- wo freilich kein Na-
turkundiger einkehren solte, -- aber diese Auberge liegt
grade der Abfahrt nach Holland gegenüber. Noch diesen
Abend suchte ich Hrn. Bataille auf. Man wies mich
erst zu einem andern Optikus, der es wuste, wo jener
wohnte, und bei meinem Wegweiser, der nichts als flä-
misch sprach, den Dolmetscher machte. Ich fand endlich
das Haus, der Vater war nach Brüssel verreist, der
Sohn war aber zugegen, und erbot sich, mir alles zu zeigen.

Bemerkungen.

Die Reise hieher war sehr komisch. Es fiel man-
ches vor, das für die Reisenden angenehm und unterhal-
tend ist, hier aber überflüssig wäre zu erzählen. Es
war ein Geistlicher in unsrer Gesellschaft, der Lancelots
griechische Grammatik in französischer Sprache bestän-
dig offen in der Hand hatte. Desgleichen ein Kanoni-
kus aus Mastricht mit 2. jungen Frauenzimmern, davon
die eine Madem. Poulfache hies, und seine Nichte war.
Dieser Mann zog, sobald wir etwa wieder eine halbe
Stunde auf der neuen Barke gefahren waren, sein Ge-
betbuch heraus, und betete unter der Menge der Leute von
allerlei Stand und Karakter. Gab es etwa schnell einen
Lärm bei einer Brücke, die wir passirten, oder sonst einen

Spas,

Antwerpen. Die Schelde fließt wiederum ſehr
breit an der Stadt vorbei. Die Stadt iſt gros, breit
auseinandergezogen, hat viele oͤffentliche Plaͤtze, viele
ſehr breite Straſſen, meiſt ſehr hohe Haͤuſer, — und
eine Menge Einwohner. Sie iſt ganz gepflaſtert, hat
gutes Waſſer, und das hieſige Weisbier iſt beſſer, als
das uͤbrige weiſſe in Flandern. Ich nahm meine Woh-
nung im goldnen Einhorn, — wo freilich kein Na-
turkundiger einkehren ſolte, — aber dieſe Auberge liegt
grade der Abfahrt nach Holland gegenuͤber. Noch dieſen
Abend ſuchte ich Hrn. Bataille auf. Man wies mich
erſt zu einem andern Optikus, der es wuſte, wo jener
wohnte, und bei meinem Wegweiſer, der nichts als flaͤ-
miſch ſprach, den Dolmetſcher machte. Ich fand endlich
das Haus, der Vater war nach Bruͤſſel verreiſt, der
Sohn war aber zugegen, und erbot ſich, mir alles zu zeigen.

Bemerkungen.

Die Reiſe hieher war ſehr komiſch. Es fiel man-
ches vor, das fuͤr die Reiſenden angenehm und unterhal-
tend iſt, hier aber uͤberfluͤſſig waͤre zu erzaͤhlen. Es
war ein Geiſtlicher in unſrer Geſellſchaft, der Lancelots
griechiſche Grammatik in franzoͤſiſcher Sprache beſtaͤn-
dig offen in der Hand hatte. Desgleichen ein Kanoni-
kus aus Maſtricht mit 2. jungen Frauenzimmern, davon
die eine Madem. Poulfache hies, und ſeine Nichte war.
Dieſer Mann zog, ſobald wir etwa wieder eine halbe
Stunde auf der neuen Barke gefahren waren, ſein Ge-
betbuch heraus, und betete unter der Menge der Leute von
allerlei Stand und Karakter. Gab es etwa ſchnell einen
Laͤrm bei einer Bruͤcke, die wir paſſirten, oder ſonſt einen

Spas,
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[450/0474] Antwerpen. Die Schelde fließt wiederum ſehr breit an der Stadt vorbei. Die Stadt iſt gros, breit auseinandergezogen, hat viele oͤffentliche Plaͤtze, viele ſehr breite Straſſen, meiſt ſehr hohe Haͤuſer, — und eine Menge Einwohner. Sie iſt ganz gepflaſtert, hat gutes Waſſer, und das hieſige Weisbier iſt beſſer, als das uͤbrige weiſſe in Flandern. Ich nahm meine Woh- nung im goldnen Einhorn, — wo freilich kein Na- turkundiger einkehren ſolte, — aber dieſe Auberge liegt grade der Abfahrt nach Holland gegenuͤber. Noch dieſen Abend ſuchte ich Hrn. Bataille auf. Man wies mich erſt zu einem andern Optikus, der es wuſte, wo jener wohnte, und bei meinem Wegweiſer, der nichts als flaͤ- miſch ſprach, den Dolmetſcher machte. Ich fand endlich das Haus, der Vater war nach Bruͤſſel verreiſt, der Sohn war aber zugegen, und erbot ſich, mir alles zu zeigen. Bemerkungen. Die Reiſe hieher war ſehr komiſch. Es fiel man- ches vor, das fuͤr die Reiſenden angenehm und unterhal- tend iſt, hier aber uͤberfluͤſſig waͤre zu erzaͤhlen. Es war ein Geiſtlicher in unſrer Geſellſchaft, der Lancelots griechiſche Grammatik in franzoͤſiſcher Sprache beſtaͤn- dig offen in der Hand hatte. Desgleichen ein Kanoni- kus aus Maſtricht mit 2. jungen Frauenzimmern, davon die eine Madem. Poulfache hies, und ſeine Nichte war. Dieſer Mann zog, ſobald wir etwa wieder eine halbe Stunde auf der neuen Barke gefahren waren, ſein Ge- betbuch heraus, und betete unter der Menge der Leute von allerlei Stand und Karakter. Gab es etwa ſchnell einen Laͤrm bei einer Bruͤcke, die wir paſſirten, oder ſonſt einen Spas,

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/474>, abgerufen am 19.04.2024.