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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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fand viel Gutes an ihnen. Der Kapitain ist sehr respek-
tirt; er betrachtet aber auch alle von der Schiffsmannschaft
als Glieder seiner Familie, sie essen und trinken mit ihm,
und haben, was er hat. Die Höflichkeit des Holländers
ist wahre, vernünftige Höflichkeit, ohne viele Worte.
Bietet man ihm etwas an, er nimmts, und theilt mit
der andern Hand alles mit, was er hat. Er unterstützt
den Fremden, wo er kan. Begegnet einem ein kleines
Unglück, er lacht nicht wie der Franzos, er hilft gleich.
Die Frau des Kapitains arbeitete beständig, das Kind
hatte seinen Katechismus, und sein Papier, und lernte
und schrieb. Der Holländer läßt jeden machen, was er
will; er hebt sein Vaterland nicht bis an den Sternen-
himmel, er zeigt sein Kind, und fragt den Fremden,
wies ihm gefällt, ohne daß ers zur Parade aufstellt, wie
in Paris. Mann und Frau leben ganz anders mit
einander, als in Frankreich, kurz, -- ich freute mich
sehr, unter diesen guten Leuten zu seyn.

Aber gegen Abend bekamen wir Sturm, die Fluth
kam, die Schelde schwoll erstaunend an, es regnete, der
Wind ward uns zuwider, wir singen an zu laviren, und
kamen in 3. Stunden nicht weit. Um 10. Uhr lies man
den Anker fallen, das Schiff ruhte, ich ging aufs Ver-
deck, und sah mit Vergnügen die Bewegungen des Was-
sers, der graue gewölbte Himmel verhüllte die Aussicht;
hie und da kreuzten noch Schiffe herum, bis endlich jedes
stille lag; da sang ich:

Gros ist der Herr und seiner Schöpfung Werke
Verkünd'gen Erde, Land und Meer.
Wer ist wie Er? Betrachtet seine Werke
Und betet an. -- Gros ist der Herr.
Da

fand viel Gutes an ihnen. Der Kapitain iſt ſehr reſpek-
tirt; er betrachtet aber auch alle von der Schiffsmannſchaft
als Glieder ſeiner Familie, ſie eſſen und trinken mit ihm,
und haben, was er hat. Die Hoͤflichkeit des Hollaͤnders
iſt wahre, vernuͤnftige Hoͤflichkeit, ohne viele Worte.
Bietet man ihm etwas an, er nimmts, und theilt mit
der andern Hand alles mit, was er hat. Er unterſtuͤtzt
den Fremden, wo er kan. Begegnet einem ein kleines
Ungluͤck, er lacht nicht wie der Franzos, er hilft gleich.
Die Frau des Kapitains arbeitete beſtaͤndig, das Kind
hatte ſeinen Katechismus, und ſein Papier, und lernte
und ſchrieb. Der Hollaͤnder laͤßt jeden machen, was er
will; er hebt ſein Vaterland nicht bis an den Sternen-
himmel, er zeigt ſein Kind, und fragt den Fremden,
wies ihm gefaͤllt, ohne daß ers zur Parade aufſtellt, wie
in Paris. Mann und Frau leben ganz anders mit
einander, als in Frankreich, kurz, — ich freute mich
ſehr, unter dieſen guten Leuten zu ſeyn.

Aber gegen Abend bekamen wir Sturm, die Fluth
kam, die Schelde ſchwoll erſtaunend an, es regnete, der
Wind ward uns zuwider, wir ſingen an zu laviren, und
kamen in 3. Stunden nicht weit. Um 10. Uhr lies man
den Anker fallen, das Schiff ruhte, ich ging aufs Ver-
deck, und ſah mit Vergnuͤgen die Bewegungen des Waſ-
ſers, der graue gewoͤlbte Himmel verhuͤllte die Ausſicht;
hie und da kreuzten noch Schiffe herum, bis endlich jedes
ſtille lag; da ſang ich:

Gros iſt der Herr und ſeiner Schoͤpfung Werke
Verkuͤnd’gen Erde, Land und Meer.
Wer iſt wie Er? Betrachtet ſeine Werke
Und betet an. — Gros iſt der Herr.
Da
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[464/0488] fand viel Gutes an ihnen. Der Kapitain iſt ſehr reſpek- tirt; er betrachtet aber auch alle von der Schiffsmannſchaft als Glieder ſeiner Familie, ſie eſſen und trinken mit ihm, und haben, was er hat. Die Hoͤflichkeit des Hollaͤnders iſt wahre, vernuͤnftige Hoͤflichkeit, ohne viele Worte. Bietet man ihm etwas an, er nimmts, und theilt mit der andern Hand alles mit, was er hat. Er unterſtuͤtzt den Fremden, wo er kan. Begegnet einem ein kleines Ungluͤck, er lacht nicht wie der Franzos, er hilft gleich. Die Frau des Kapitains arbeitete beſtaͤndig, das Kind hatte ſeinen Katechismus, und ſein Papier, und lernte und ſchrieb. Der Hollaͤnder laͤßt jeden machen, was er will; er hebt ſein Vaterland nicht bis an den Sternen- himmel, er zeigt ſein Kind, und fragt den Fremden, wies ihm gefaͤllt, ohne daß ers zur Parade aufſtellt, wie in Paris. Mann und Frau leben ganz anders mit einander, als in Frankreich, kurz, — ich freute mich ſehr, unter dieſen guten Leuten zu ſeyn. Aber gegen Abend bekamen wir Sturm, die Fluth kam, die Schelde ſchwoll erſtaunend an, es regnete, der Wind ward uns zuwider, wir ſingen an zu laviren, und kamen in 3. Stunden nicht weit. Um 10. Uhr lies man den Anker fallen, das Schiff ruhte, ich ging aufs Ver- deck, und ſah mit Vergnuͤgen die Bewegungen des Waſ- ſers, der graue gewoͤlbte Himmel verhuͤllte die Ausſicht; hie und da kreuzten noch Schiffe herum, bis endlich jedes ſtille lag; da ſang ich: Gros iſt der Herr und ſeiner Schoͤpfung Werke Verkuͤnd’gen Erde, Land und Meer. Wer iſt wie Er? Betrachtet ſeine Werke Und betet an. — Gros iſt der Herr. Da

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/488>, abgerufen am 25.04.2024.