Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Leute hier so vor, wie etwa die Schwaben in Geislingen
und Aalen. Sapienti sat. --

Im Wirthshause au Lion d'or fand ich einen Wirth
Wiedmann von Carlsruhe, der aber völlig auf den
Harlemer Ton gestimmt war. Nach dem Essen ging
ich aus, und besah die

Grosse Kirche. Sie ist ein grosses weites Ge-
bäude. Der Thurm ist ungemein hoch, und hat oben
ein Glockenspiel, das den Leuten hier gar was Wichtiges
ist. Merkwürdiger ist aber die Orgel, die fast 4. Stock-
werke hoch ist, und nur Dienstags und Donnerstags
Mittags von 12.-1. Uhr öffentlich gespielt wird *).
Christian Müller vom Hundsrück hat sie vom
Jahre 1736.-1740. gebaut. Sie hat 48--50,000.
Gulden gekostet. Sie hat 68. Register, und alle mög-
liche Menschen- auch einige Vögelstimmen, als von der
Nachtigall, dem Kuckuck etc. Es soll wie ein Konzert
im Walde klingen. Der Pfeifen sind 5650. alle von
einer englischen Komposition, und manche so stark, wie
ich im Leibe. Sie hat auch 12. Blasbälge, die 2. Kerle
treten müssen. Sie muß eine erstaunliche Gewalt haben.
Unten stützt sich die ganze Masse auf 4. prächtige Säu-
len von schwarzgrauen Marmor. Zwischen denen steht
eine Gruppe aus weissem Marmor, von Xavery verfer-
tigt. Die Figuren halten musikalische Instrumente.

Noch
*) Wer einen Dukaten zahlt, kan sie zu jedem Tage spie-
len lassen. Im Winter spielt man sie nur Sonna-
bends Abends von 6.-7. Uhr. Sie ist ohnstreitig die
gröste und vollstimmigste Orgel in ganz Holland.
Herausgeber.

Leute hier ſo vor, wie etwa die Schwaben in Geislingen
und Aalen. Sapienti ſat.

Im Wirthshauſe au Lion d’or fand ich einen Wirth
Wiedmann von Carlsruhe, der aber voͤllig auf den
Harlemer Ton geſtimmt war. Nach dem Eſſen ging
ich aus, und beſah die

Groſſe Kirche. Sie iſt ein groſſes weites Ge-
baͤude. Der Thurm iſt ungemein hoch, und hat oben
ein Glockenſpiel, das den Leuten hier gar was Wichtiges
iſt. Merkwuͤrdiger iſt aber die Orgel, die faſt 4. Stock-
werke hoch iſt, und nur Dienſtags und Donnerſtags
Mittags von 12.-1. Uhr oͤffentlich geſpielt wird *).
Chriſtian Muͤller vom Hundsruͤck hat ſie vom
Jahre 1736.-1740. gebaut. Sie hat 48--50,000.
Gulden gekoſtet. Sie hat 68. Regiſter, und alle moͤg-
liche Menſchen- auch einige Voͤgelſtimmen, als von der
Nachtigall, dem Kuckuck ꝛc. Es ſoll wie ein Konzert
im Walde klingen. Der Pfeifen ſind 5650. alle von
einer engliſchen Kompoſition, und manche ſo ſtark, wie
ich im Leibe. Sie hat auch 12. Blasbaͤlge, die 2. Kerle
treten muͤſſen. Sie muß eine erſtaunliche Gewalt haben.
Unten ſtuͤtzt ſich die ganze Maſſe auf 4. praͤchtige Saͤu-
len von ſchwarzgrauen Marmor. Zwiſchen denen ſteht
eine Gruppe aus weiſſem Marmor, von Xavery verfer-
tigt. Die Figuren halten muſikaliſche Inſtrumente.

Noch
*) Wer einen Dukaten zahlt, kan ſie zu jedem Tage ſpie-
len laſſen. Im Winter ſpielt man ſie nur Sonna-
bends Abends von 6.-7. Uhr. Sie iſt ohnſtreitig die
groͤſte und vollſtimmigſte Orgel in ganz Holland.
Herausgeber.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0556" n="532"/>
Leute hier &#x017F;o vor, wie etwa die Schwaben in <hi rendition="#fr">Geislingen</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Aalen.</hi> <hi rendition="#aq">Sapienti &#x017F;at.</hi> &#x2014;</p><lb/>
          <p>Im Wirthshau&#x017F;e <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">au Lion d&#x2019;or</hi></hi> fand ich einen Wirth<lb/><hi rendition="#fr">Wiedmann</hi> von <hi rendition="#fr">Carlsruhe,</hi> der aber vo&#x0364;llig auf den<lb/><hi rendition="#fr">Harlemer</hi> Ton ge&#x017F;timmt war. Nach dem E&#x017F;&#x017F;en ging<lb/>
ich aus, und be&#x017F;ah die</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Gro&#x017F;&#x017F;e Kirche.</hi> Sie i&#x017F;t ein gro&#x017F;&#x017F;es weites Ge-<lb/>
ba&#x0364;ude. Der Thurm i&#x017F;t ungemein hoch, und hat oben<lb/>
ein Glocken&#x017F;piel, das den Leuten hier gar was Wichtiges<lb/>
i&#x017F;t. Merkwu&#x0364;rdiger i&#x017F;t aber die <hi rendition="#fr">Orgel,</hi> die fa&#x017F;t 4. Stock-<lb/>
werke hoch i&#x017F;t, und nur Dien&#x017F;tags und Donner&#x017F;tags<lb/>
Mittags von 12.-1. Uhr o&#x0364;ffentlich ge&#x017F;pielt wird <note place="foot" n="*)">Wer einen Dukaten zahlt, kan &#x017F;ie zu jedem Tage &#x017F;pie-<lb/>
len la&#x017F;&#x017F;en. Im Winter &#x017F;pielt man &#x017F;ie nur Sonna-<lb/>
bends Abends von 6.-7. Uhr. Sie i&#x017F;t ohn&#x017F;treitig die<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;te und voll&#x017F;timmig&#x017F;te Orgel in ganz <hi rendition="#fr">Holland.</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Herausgeber.</hi></hi></note>.<lb/><hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tian Mu&#x0364;ller</hi> vom <hi rendition="#fr">Hundsru&#x0364;ck</hi> hat &#x017F;ie vom<lb/>
Jahre 1736.-1740. gebaut. Sie hat 48--50,000.<lb/>
Gulden geko&#x017F;tet. Sie hat 68. Regi&#x017F;ter, und alle mo&#x0364;g-<lb/>
liche Men&#x017F;chen- auch einige Vo&#x0364;gel&#x017F;timmen, als von der<lb/>
Nachtigall, dem Kuckuck &#xA75B;c. Es &#x017F;oll wie ein Konzert<lb/>
im Walde klingen. Der <hi rendition="#fr">Pfeifen</hi> &#x017F;ind 5650. alle von<lb/>
einer engli&#x017F;chen Kompo&#x017F;ition, und manche &#x017F;o &#x017F;tark, wie<lb/>
ich im Leibe. Sie hat auch 12. Blasba&#x0364;lge, die 2. Kerle<lb/>
treten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Sie muß eine er&#x017F;taunliche Gewalt haben.<lb/>
Unten &#x017F;tu&#x0364;tzt &#x017F;ich die ganze Ma&#x017F;&#x017F;e auf 4. pra&#x0364;chtige Sa&#x0364;u-<lb/>
len von &#x017F;chwarzgrauen Marmor. Zwi&#x017F;chen denen &#x017F;teht<lb/>
eine Gruppe aus wei&#x017F;&#x017F;em Marmor, von <hi rendition="#fr">Xavery</hi> verfer-<lb/>
tigt. Die Figuren halten mu&#x017F;ikali&#x017F;che In&#x017F;trumente.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Noch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[532/0556] Leute hier ſo vor, wie etwa die Schwaben in Geislingen und Aalen. Sapienti ſat. — Im Wirthshauſe au Lion d’or fand ich einen Wirth Wiedmann von Carlsruhe, der aber voͤllig auf den Harlemer Ton geſtimmt war. Nach dem Eſſen ging ich aus, und beſah die Groſſe Kirche. Sie iſt ein groſſes weites Ge- baͤude. Der Thurm iſt ungemein hoch, und hat oben ein Glockenſpiel, das den Leuten hier gar was Wichtiges iſt. Merkwuͤrdiger iſt aber die Orgel, die faſt 4. Stock- werke hoch iſt, und nur Dienſtags und Donnerſtags Mittags von 12.-1. Uhr oͤffentlich geſpielt wird *). Chriſtian Muͤller vom Hundsruͤck hat ſie vom Jahre 1736.-1740. gebaut. Sie hat 48--50,000. Gulden gekoſtet. Sie hat 68. Regiſter, und alle moͤg- liche Menſchen- auch einige Voͤgelſtimmen, als von der Nachtigall, dem Kuckuck ꝛc. Es ſoll wie ein Konzert im Walde klingen. Der Pfeifen ſind 5650. alle von einer engliſchen Kompoſition, und manche ſo ſtark, wie ich im Leibe. Sie hat auch 12. Blasbaͤlge, die 2. Kerle treten muͤſſen. Sie muß eine erſtaunliche Gewalt haben. Unten ſtuͤtzt ſich die ganze Maſſe auf 4. praͤchtige Saͤu- len von ſchwarzgrauen Marmor. Zwiſchen denen ſteht eine Gruppe aus weiſſem Marmor, von Xavery verfer- tigt. Die Figuren halten muſikaliſche Inſtrumente. Noch *) Wer einen Dukaten zahlt, kan ſie zu jedem Tage ſpie- len laſſen. Im Winter ſpielt man ſie nur Sonna- bends Abends von 6.-7. Uhr. Sie iſt ohnſtreitig die groͤſte und vollſtimmigſte Orgel in ganz Holland. Herausgeber.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/556
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/556>, abgerufen am 19.04.2024.